„Und wo studieren die jetzt alle?“ CHE analysiert Erfolg des Hochschulpakts anhand Daten zu Studienanfänger(innen)

„Und wo studieren die jetzt alle?“ CHE analysiert Erfolg des Hochschulpakts anhand Daten zu Studienanfänger(innen)

02.11.15
In den letzten Jahren sind ganze Schwärme an Studierenden an die deutschen Hochschulen geströmt. Wo sind sie alle hin?

Der Trend zum Hochschulstudium ist in Deutschland ungebrochen. Die Zahl der Studienanfänger(innen) stieg von 2005 bis 2013 um 43 Prozent. Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern haben den Großteil der zusätzlichen Studierenden aufgenommen. Besonders die Fachhochschulen und die Ingenieurwissenschaften konnten von der Entwicklung profitieren. Das belegt eine Untersuchung, die CHE Consult für das gemeinnützige Centrum für Hochschulentwicklung in Gütersloh durchgeführt hat. Die Autor(inn)en der Studie „Und wo studieren die jetzt alle?“ sind Christian Berthold, Ronny Röwert und Wencke Lah. Die Publikation ist Teil des CHE Themenschwerpunktes „Hochschulbildung wird zum Normalfall“. Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen auch den Handlungsdruck mit Bezug auf die Digitalisierung der Hochschullehre.

In den letzten Jahren sind ganze Schwärme an Studierenden an die deutschen Hochschulen geströmt. Wo sind sie alle hin?Im Jahr 2005 begannen 350.000 Menschen in Deutschland ein Studium. Acht Jahre später waren es bereits mehr als eine halbe Million. Verglichen mit dem Referenzwert von 2005 strömten von 2006 bis 2013 insgesamt 650.000 zusätzliche Studienanfänger(innen) an die Hochschulen. Das Wachstum von 43 Prozent bei den Studienanfänger(inne)n pro Jahr begünstigte der 2007 geschlossene Hochschulpakt. Mit ihm trafen Bund und Länder Vereinbarungen, um angesichts doppelter Abiturjahrgänge zusätzliche Studienplätze zu schaffen. Der Hochschulpakt hat einen erheblichen Ausbau des deutschen Hochschulsystems ermöglicht. Ohne ihn hätten in Deutschland hunderttausende Studierwillige keinen Studienplatz gefunden.
Vier von fünf der neu hinzugekommenen Studierenden starteten in einem westdeutschen Flächenland, rund 60 Prozent allein in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern. Nordrhein-Westfalen hat davon mit rund 145.000 die meisten zusätzlichen Erstsemester aufgenommen, gefolgt von Baden-Württemberg (130.000) und Bayern (110.000). Größter Gewinner dieser Entwicklung ist Baden-Württemberg, das seinen Anteil an den Studienanfänger(inne)n in Deutschland von 13,9 Prozent (2005) auf 15,3 Prozent (2013) steigern konnte.

Von den Stadtstaaten hat vor allem Berlin auf Wachstum gesetzt, aber auch Hamburg und Bremen haben ihre Kapazitäten ausgebaut. Wie im Hochschulpakt gefordert, konnten die ostdeutschen Länder ihre Studienanfängerzahlen stabil halten. Der dortige starke Bevölkerungsrückgang von Personen im studierfähigen Alter konnte durch Studierende aus anderen Bundesländern ausgeglichen werden. So hat sich der Anteil westdeutscher Abiturient(inn)en an ostdeutschen Hochschulen von 2005 bis 2013 verdoppelt. Hinzu kam ein signifikanter Anstieg ausländischer Studienanfänger(innen) in ganz Deutschland. Ihre Zahl ist parallel zur Entwicklung bei den deutschen Erstsemestern gestiegen.

Problematisch zeigt sich diese Entwicklung bei der Betreuungsrelation. Diese hat sich im Durchschnitt von 54,1 auf 62,7 Studierende pro Professor(in) verschlechtert. So investierten die Länder in den vergangenen Jahren überwiegend in zusätzliches Personal im akademischen Mittelbau. Entsprechend konstant blieb die Betreuungsrelation von Studierenden zu wissenschaftlichen Mitarbeitern. Teure und langfristig bindende Professor(inn)enstellen wurden dagegen seltener geschaffen.

Die Hochschultypen profitierten unterschiedlich stark vom Studierboom. Beim Ausbau der Studienplätze gehören die Fachhochschulen zu den Gewinnern der Entwicklung. Ihr Anteil an den Studienanfänger(inne)n eines Jahres stieg von 32 Prozent (2005) auf 40 Prozent (2013). Auch die privaten Fachhochschulen konnten ihre Studierendenzahlen mit einem Zuwachs von mehr als 180 Prozent erheblich steigern. 

Die Ergebnisse bestätigen die Handlungsimperative, die vor kurzer Zeit in den vom Hochschulforum Digitalisierung veröffentlichten Thesen skizziert wurden. Die steigende Nachfrage nach hochwertig ausgebildeten Fachkräften und nach akademischen Weiterbildungsangeboten wird im Hinblick auf den sich abzeichnenden demografischen Wandel neue Lösungskonzepte erfordern. So ermöglichen digitale Lehr- und Lernangebote der zunehmenden Anzahl an nicht-traditionellen Studierenden einen erleichterten Zugang zum Hochschulstudium, indem sie sich prinzipiell flexibler an die individuellen Bedürfnisse und Wünsche von Studierenden, unterschiedliche Lebensformen, Bildungsbiografien und Studienstrategien anpassen lassen. Berufstätige, aber auch Studierende mit familiärer Verantwortung oder Menschen mit Behinderungen haben durch digitale Lehr- und Lernszenarien etwa die Möglichkeit, ein sowohl räumlich als auch zeitlich flexibleres Studium zu absolvieren. Gleichzeitig bringt die Digitalisierung der Hochschullehre auch neue, eigene Herausforderungen mit sich, insbesondere im Hinblick auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, Hochschulstrukturen wie auch Finanzierungsfragen.

Zur Publikation „Und wo studieren die jetzt alle?“

Zu den 20. Thesen des Hochschulforums Digitalisierung 

Bild: Benson Kua „Schooling“; CC-BY-SA 2.0; via flickr.com

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