Zukunftsprogramm „Digitale Lehre“ – Stellungnahme des Hochschulforums Digitalisierung

Zukunftsprogramm „Digitale Lehre“ – Stellungnahme des Hochschulforums Digitalisierung

28.04.16

Das Hochschulforum Digitalisierung wurde gebeten, am 18. April 2016 zu einem Antrag der CDU-Fraktion im niedersächsischen Landtag zur Digitalisierung der Hochschullehre Stellung zu beziehen. Im Folgenden dokumentieren wir unsere Stellungnahme. Den Antrag, auf den wir uns beziehen, finden Sie im Kasten rechts von diesem Beitrag.

Ausgangslage: Die Digitalisierung als Herausforderung und Chance für Hochschulen

Foto Niedersächsischer LandtagWie wir uns informieren, miteinander kommunizieren und umgehen, arbeiten und einkaufen: Digitale Medien haben sich fest im Alltag etabliert und verändern zunehmend unser gesellschaftliches Zusammenleben, mit weitreichenden Auswirkungen auf sozialer, wirtschaftlicher und politischer Ebene. Auch in den Hochschulen sind die Veränderungen und Herausforderungen, die die Digitalisierung mit sich bringt, ganz grundlegender und struktureller Art und gehen weit über rein technologische Aspekte hinaus.

Die Digitalisierung ist dabei nicht losgelöst von den bestehenden grundlegenden Herausforderungen im Hochschulsystem zu betrachten. Gestiegene Studierendenzahlen und die damit einhergehende Diversität zählen ebenso dazu wie teilweise hohe Studienabbrecherzahlen von Bachelor-Studierenden. Die steigende Nachfrage nach hochwertig ausgebildeten Fachkräften und nach akademischen Weiterbildungsangeboten wird im Hinblick auf den sich abzeichnenden demografischen Wandel neue Lösungskonzepte erfordern. Im Zuge der Globalisierung stehen deutsche Hochschulen unter einem zunehmenden Wettbewerbs- und Innovationsdruck.

Richtig eingesetzt bieten digitale Medien in der Lehre eine Reihe an Mehrwerten: Sie erleichtern aufgrund ihrer zeitlichen und örtlichen Flexibilität arbeitstätigen Studierenden, ein Studium zu verfolgen. Sie ermöglichen neue didaktische Modelle und eine intensivere persönliche Betreuung in Vorlesungen und Seminaren, da die reine Stoffvermittlung stärker online stattfinden kann. Sie tragen auch zu einer besseren Verfolgung und Beforschung von Lernfortschritten bei und bieten damit das Potential, bei etwaigen Problemen von Studierenden deutlich früher eingreifen zu können.

Bei den Innovationen im Bereich digitaler Lehre handelt es sich nicht um rein technische Innovationen, sondern um didaktische, curriculare und organisatorisch-strukturelle. Gute digitale Lehre ist immer in erster Linie: Gute Lehre. Somit sind Investitionen in digitale Lehrangebote nicht losgelöst von der Lehre an sich zu betrachten.

Bewertung des Antrags

Das HFD teilt die Einschätzung, dass die Digitalisierung „Wirtschaft und Gesellschaft weltweit fast revolutionär verändert“ und daher eine gezielte Unterstützung digitaler Lehre „den Wissenschaftsstandort [Niedersachsen] im internationalen Wettbewerb stärken und die Hochschulen zukunftssicher“ aufstellen würde. Das Hochschulforum Digitalisierung begrüßt daher den Antrag der Fraktion der CDU.

Strategische Verankerung 

Eine Digitalisierungsstrategie kann nicht für jede Hochschule gleich aussehen. Vielmehr sollte digitalisierte Lehre Teil der profilbezogenen Strategieentwicklung an Hochschulen sein. Oftmals ist es nicht ein Mangel an guten Ideen, der eine erfolgreiche digitale Lehre verhindert, sondern eine mangelnde strategische Verbreitung und Verankerung. 

Hochschulen sollten finanzielle Anreize gesetzt werden, sich mit ihrer Rolle in einer digitalen Gesellschaft sowie der Zusammensetzung und den Bedürfnissen ihrer Zielgruppe auseinander zu setzen. Sie sollten sich individuell damit beschäftigen, wie international sie ihre Lehre gestalten wollen und welche Alleinstellungsmerkmale sie im Vergleich zu anderen Hochschulen besitzen. Die Landesregierung sollte Hochschulen stärker dazu auffordern, sich mit diesen Fragen auseinandersetzen und diese Aufforderung mit konkreten Fördermaßnahmen unterlegen.

Die Ermöglichung einer individuellen Strategieentwicklung bedeutet auch, die jeweilige Gestaltungshoheit bei den Hochschulen zu bewahren und Steuerungsinstrumente autonomiewahrend einzusetzen. Vorbildhaft könnten dabei aus Sicht des HFD einerseits die Hamburg Open Online University und andererseits die Prozesse in Baden Württemberg sein1. Gemeinsam haben beide Ansätze, dass die Hochschulen den Rahmen der Zusammenarbeit definieren und das Ministerium konkrete Umsetzungsvorschläge unterstützt.

Mit Blick auf die im Antrag geforderte Beschaffung, Entwicklung und Etablierung von Online-Lernplattformen mahnt das HFD, dass das Wissenschaftsministerium die Hochschulen in der Beschaffung und Etablierung von Plattformen unterstützen und nicht von sich aus vollendete Tatsachen schaffen sollte. Die Hochschulen kennen die Bedürfnisse ihrer Studierenden und Lehrenden am besten und müssen bei entsprechenden Prozessen die zentralen Treiber sein. Nur dann werden sie auch „Ownership“ für die jeweiligen Plattformen entwickeln und sie nachhaltig nutzen.

Mittelallokation

Besonders unterstützt das HFD die Festlegung, dass die Mittel nach einer Evaluation verstetigt werden sollen. Viele zukunftsweisende Initiativen sind in der Vergangenheit auslaufender befristeter Finanzierung zum Opfer gefallen. Dies würde mit dem Antrag verhindert werden.

Einige niedersächsische Hochschulen verfügen schon heute über Teams von Hochschuldidaktikern, die Lehrende unterstützen. Der ELAN e.V., ein gemeinnütziger Verein, der sich als Impulsgeber zur stetigen Qualitätsverbesserung der medienbasierten Lehre an niedersächsischen Hochschulen versteht, leistet bereits heute wertvolle Arbeit auf dem Gebiet digitaler Lehre. Das Land Niedersachsen sollte die Mittel bereitstellen, um personell angemessen ausgestattete Zentralstellen für digitalisierte Lehre an allen niedersächsischen Hochschulen zu schaffen. Diese wären für die Weiterbildung und die Unterstützung von Lehrenden, die Bereitstellung technischer Plattformen sowie die Anschaffung und Implementierung von technischer Infrastruktur in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Rechenzentren zuständig. Gute Unterstützungsstrukturen schaffen für Lehrende die notwendigen Freiräume, sich intensiver mit den jeweiligen Lehrinhalten zu beschäftigen.

Rechtssicherheit und Anreizstrukturen

Der Antrag geht auch auf die Themen Rechtssicherheit und Anreizstrukturen ein. Dies begrüßt das HFD ausdrücklich.

Eine stärkere Berücksichtigung digitaler Lehre durch Anpassung des Curricularnormwertes unterstützen wir vollumfänglich. Außerdem begrüßt das HFD die geforderte Anpassung von Prüfungsordnungen, um eine leichtere Anrechenbarkeit von extern erbrachten Prüfungsleistungen – zum Beispiel durch Massive Open Online Courses oder weitere hochschulübergreifende Lehrkooperationen – zu ermöglichen.

Mit Blick auf den Datenschutz sind Regelungen notwendig, die einerseits das legitime Interesse auf Datensouveränität bei Studierenden schützen und andererseits Hochschulen Handlungssicherheit bieten. Die Erfahrung zeigt, dass Unsicherheit über die bestehende Rechtslage sowie Angst vor Widerständen häufig dazu führen, dass Innovationen verschleppt oder nicht durchgeführt werden. Dies gilt vor allem für die Einführung von Lernplattformen sowie Werkzeugen zur Lernanalyse, wie sie an vielen Hochschulen insbesondere im Ausland erfolgreich eingesetzt werden. Hier bedarf es der Unterstützung durch das Wissenschaftsministerium, indem relevante rechtliche Fragen zentral und kompetent geklärt werden. Mögliche bestehende Unklarheiten im Datenschutz sollten durch den Gesetzgeber klar geregelt werden.

Neben der Schaffung von Rechtssicherheit ist auch eine Schulung des Personals an Hochschulen notwendig. Dies würde einige Hürden in Bezug auf die Nutzung digitaler Medien in der Lehre spürbar abbauen. So sind viele rechtliche Fragen schon heute geklärt, nur sind teilweise die Rechtsabteilungen von Hochschulen nicht umfassend informiert. Solche Schulungen könnten zum Beispiel durch ein zu schaffendes Netzwerk zu dem Thema organisiert werden. Daneben könnte die Einrichtung eines Risikofonds geprüft werden, der etwaige Schadensersatzforderungen bei versehentlich falsch genutzten Lizenzen abfedert.

Das HFD begrüßt die Forderung, den Erfahrungsaustausch zwischen Hochschulen zu begleiten. Das Land Niedersachsen sollte zu diesem Zweck Anreize zu Hochschulkooperationen setzen – idealerweise länderübergreifend –, um zum Beispiel die Schaffung gemeinsamer Angebote und Infrastrukturen zu fördern. Weitere Anreize könnten durch eine gezielte Förderung von digitalen Lehrinnovationen geschaffen werden, zum Beispiel durch Lehrpreise oder der Gewährung zielgerichteter Freisemester.
Sollten im Rahmen eines Zukunftsprogramms „Digitale Lehre“ neue Lehrmaterialien wie Videos oder Textsammlungen entstehen, rät das Hochschulforum Digitalisierung zu einer freien Lizenzierung als so genannte Open Educational Resources, da so eine unkomplizierte und rechtlich unproblematische Weiternutzung von geschaffenen Materialien erheblich erleichtert wird2.

 

 

Anmerkungen

 

1Siehe hierzu auch die Veröffentlichung „E-Learning: Strategische Handlungsfelder der Hochschulen des Landes Baden-Württemberg zur Digitalisierung in der Hochschullehre“ , Oktober 2015

 

 

2Siehe dazu auch Markus Deimann, Jan Neumann, Jöran Muuß-Merholz: „Whitepaper Open Educational Resources (OER) an Hochschulen in Deutschland – Bestandsaufnahme und Potenziale 2015“, April 2015

 

Bild: Ralf Roletschek: Landtag Niedersachsen, Hannover; CC BY-SA 3.0

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