Welches Potential hat E-Learning für Fairness, Transparenz und zur Bekämpfung von Diskriminierung?
Welches Potential hat E-Learning für Fairness, Transparenz und zur Bekämpfung von Diskriminierung?
29.05.19Kann E-Learning einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung von Diskriminierung leisten und Fairness sowie Transparenz wahren? Und wie versteht es sich damit im Vergleich zum Präsenzunterricht, bei dem Kommunikation eher situativ und spontan stattfindet? Dipl.-Ing. Julia Knopp von der RWTH Aachen geht diesen Fragen auf die Spur.
Bei E-Learning, insbesondere beim elektronisch gestützten Distance Learning, wandeln sich die Rollen und Aufgaben des Lehrenden/der Lehrenden. Als E-Tutorin begleite ich täglich Lernende ohne sie jemals zu sehen, vielleicht sogar zu hören. Die Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden verläuft oft schriftlich via Email, Chat oder Etherpad. Dennoch ist es meine Aufgabe und die Verantwortung als Lehrende, die individuellen Lernprozesse der Studierenden emphatisch zu betreuen und Spannungsfelder wahrzunehmen.
Wie kann das funktionieren? Der Schlüssel liegt in einer sensibilisierten Haltung während der schriftlichen Kommunikation. In welchem Stil schreibt mir ein Lernender/eine Lernende, was ist die Aussage und das Anliegen? Verbergen sich hinter der reinen Wort- und Satzbedeutung Sorgen oder Nöte, vielleicht Kritik oder eine Bestätigung? Diese Überlegungen mache ich mir, bringe sie in Verbindung mit dem Bedingungsumfeld und dem jeweiligen Lernstatus. Beim E-Learning ist der Lehrstoff klar definiert, als Artefakt auf einem Server abgelegt und zugänglich gemacht. Die Lehre erfolgt transparent.
E-Learning: Das geschriebene Wort wirkt nachhaltig, es ist fixiert und beinahe unumstößlich.
Die curricularen Informationen und die Prüfungsinformationen sind die Grundlage des pädagogischen Arbeitsbündnisses zwischen mir als Lehrperson und der Lernenden/dem Lernenden. Darüber hinaus besitzen Studierende unterschiedliche Erwartungen hinsichtlich der Betreuung und der Art und Weise, wie ich als Lehrende zu kommunizieren habe und zur Verfügung stehen soll. In diesem Konstrukt aus Erwartung, inhaltsbezogenen pädagogischem Arbeitsbündnis und individuellen Bedürfnissen und Anliegen muss ich beim Betreuen von E-Learning Kursen den „richtigen Ton“ finden. Es ist keine leichte Aufgabe, denn es fehlen oft die vielen kleinen Informationen wie Gesichtsausdruck, Tonfall und Körperhaltung, um abschätzen zu können, ob meine Antwort „richtig“ ankommt. Auch kann ich mich nicht mit einem Lächeln entschuldigen, wenn eine Aussage vielleicht doch nicht einwandfrei platziert war. Eine gewaltfreie Sprache, die konsequente Bezugnahme auf das inhaltsbezogene Arbeitsbündnis und ein wohlüberlegter Sprachstil helfen, Missverständnisse zu vermeiden.
Meine Aufgabe besteht darin, Menschen während des Lernens zu motivieren ohne zu wissen, wie ihr Zustand ist. Meine Aufgabe ist es zu maßregeln, ohne die jeweilige Sozialisation zu kennen. Auch lassen sich kulturelle Hintergründe nur schwer von den Namen der Teilnehmer/innen ableiten. Ein fremdsprachlicher Name bedeutet nicht zwingend, dass der Mensch einen Migrationshintergrund hat. „Fettnäpfchen an jeder Ecke“ – und kaum Chancen sie wieder gut zu machen! Das geschriebene Wort wirkt nachhaltig, es ist fixiert und beinahe unumstößlich. Die Diskussion zum E-Learning, zur Digitalisierung der Bildung bietet die Chance, das Spannungsfeld „E-Kommunikation“ interaktionistisch zu erforschen. Handlungshilfen unterstützen E-Tutoren bei der e-basierten Konfliktbewältigung im Kontext des Distance Learning. Sind wir als E-Lernbegleiter/innen so weit, zuverlässig und handlungssicher den richtigen „Ton“ zu treffen, dann besitzt insbesondere E-Learning in Abgrenzung zum Präsenzunterricht, bei dem Kommunikation situativ und spontan stattfinden kann, das Potential, einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung von Diskriminierung zu leisten und die Fairness zu wahren!