Was wir uns wünschen – studentische Bedarfe an digitale Lehre

Was wir uns wünschen – studentische Bedarfe an digitale Lehre

30.03.20

Fernlehre für Studierende erfordert neue Kompetenzen

Warum ist studentische Beteiligung in Zeiten von COVID-19 besonders wichtig und wie kann sie gelingen? Wie sollten Studierende im Sommersemester 2020 von den Hochschulen unterstützt werden? Die #DigitalChangeMaker Lokalgruppe Lüneburg hat sich im Rahmen des Hamburger Podcastformats „Hochschullehre und studentische Partizipation“ mit diesen Fragen beschäftigt. 

Durch den beschleunigten #DigitalTurn an den Hochschulen kommt es jetzt auf gute Zusammenarbeit an, damit das nächste Semester erfolgreich verläuft.

Die studentische Perspektive auf digitale Lehre ist in Zeiten von COVID-19 relevanter denn je. Da Franz Vergöhl vom Universitätskolleg der Uni Hamburg bereits länger mit uns, Tom Siebels und Alexa Böckel von der #DigitalChangeMaker Lokalgruppe Lüneburg, über Studierendenpartizipation in digitaler Lehre sprechen wollte, nutzen wir die aktuelle Situation und fragen uns: Wie geht es weiter? Und wie können die Hochschulen sicherstellen, dass die jetzt zu digitalisierende Lehre auch gute digitale Lehre wird?

Die folgenden Themen und Gedanken sind zu großen Teilen während eines Podcastgesprächs entstanden, welches hier veröffentlicht wird. Wir danken den Podcast-Hosts Franz Vergöhl und Kati Sandhof für die Möglichkeit und den gemeinsamen, lauten Denkprozess!

Ebenfalls möchten wir uns bei der Twitter-Community bedanken, die uns ihre Fragen mit auf den Weg gegeben hat.

(Infra-)Struktur

Digitale Räume sollten in vielen Aspekten den vorher bestehenden analogen Räumen ähneln. Gab es Sprechstunden, zu denen sich die Studierenden eintragen konnten? Diese können über Videokonferenz-Tools abgehalten werden. Hat die Lehrperson normalerweise eine offene Tür zu bestimmten Zeiten, in denen die Studierenden vorbeikommen konnten? Dazu eignet sich z.B. ein offener Discord-Raum, den Studierende betreten können, wenn sie Fragen haben. Gleichzeitig wird die digitale Kommunikation zwischen Studierenden wichtiger und verschiebt sich noch stärker auf privatwirtschaftliche Tools – dies gilt es zu vermeiden. Deswegen braucht es die Möglichkeit, dass auch Studierende Gebrauch von den durch die Hochschulen erworbenen Lizenzen von z.B. Zoom und GoToMeeting machen können, um sich eigene digitale Räume zu erstellen, z.B. für Gruppenarbeiten oder zum Austausch über Vorlesungen und Seminare. Genauso wie es Beratungsstellen für Lehrende zum richtigen Einsatz verschiedener Tools für digitale Lehre und Kommunikation geben sollte, ist es auch die Aufgabe der Universitäten ihre Studierenden bei der Auswahl und Nutzung dieser Tools zu unterstützen. Auch sollten Beratungsstellen eingerichtet werden, die Lehrenden und Studierenden gleichermaßen bei (technischen) Problemen zur Verfügung stehen.Partizipation Studierender in Gestaltung Digitaler Lehre

Studentische Partizipation

Wie geht gute Partizipation?

Partizipation ist nicht gleich Partizipation. Lasst uns zwischen der Gestaltungsmöglichkeit und Mitbestimmung vor der Lehrveranstaltung, während der Lehrveranstaltung und allgemeiner hochschulpolitischer Partizipation unterscheiden.

Für alle drei Möglichkeiten gilt: Partizipation ist durch verschiedene Faktoren geprägt. Zum einen sind Studierende sehr unterschiedlich in ihren Persönlichkeiten, Interessen und Wissensschätzen. Dies hat zur Konsequenz, dass es unterschiedliche Angebote benötigt, die unterschiedliche Studierende ansprechen. Zum anderen gibt es unterschiedliche Qualitäten von Partizipation, denn Studierende können informiert, konsultiert, als Partner*innen behandelt werden oder sie bekommen sogar Entscheidungsmacht zugesprochen. Zusätzlich spielen Räume und Zeiträume eine große Rolle. Wenn der Raum (sei es ein großes Auditorium, eine Bühne oder ein Videokonferenzraum) nicht der gewohnten Umgebung der Studierenden entspricht, ist es unwahrscheinlicher, dass sie sich umfassend beteiligen. Ist der Zeitraum ungünstig (während des Gremiennachmittags oder in der Klausurenphase) werden ebenfalls weniger Studierende teilnehmen.

Partizipation in Zeiten von Corona

In der aktuellen Situation ist auch klar, dass keine Zeit ist, um langwierige Gremienprozesse zu durchlaufen, Vor- und Nachteile von bestimmten Tools zu diskutieren und ein groß angelegtes Partizipationsprojekt zu starten. Pragmatismus, Lösungsorientierung und Improvisation sind das Motto dieser Wochen. Dabei können auch Studierende helfen. Aktuell verschieben sich die Semesteranfangszeiten an vielen Hochschulen und die Studierenden sitzen (teilweise) ohne Aufgabe zu Hause. Im Sinne des Crowdsourcing können Lehrende Studierende um Unterstützung fragen, wie sie bestimmte Lehrveranstaltungen im Sinne der guten Lehre digitalisieren könnten und ob die Studierenden ihnen bei der Umsetzung helfen können. Viele Studierende arbeiten in der Gastronomie und haben ihren Arbeitsplatz verloren, diese können nun in den Hochschulen unterstützen.

Zudem gibt es an einigen Hochschulen Studierende, die bereits mit verschiedenen Tools gearbeitet haben und ihre Expertise teilen können. Die Lokalgruppen von CorrelAid oder der #DigitalChangeMaker sind nur ein Beispiel für mögliche Unterstützer*innen von Krisengremien, weitere aktive Gruppen finden sich hier. Viele sind es gewohnt mit Projektmanagement- und Kommunikationssoftware zu arbeiten und können ihre Lehrenden unterstützen. Kurzfristig sollten in den Krisengremien der Universitäten auch diese Studierenden mit dem relevanten Wissen sitzen, um wirklich sinnvolle studentische Partizipation zu erreichen.

Langfristig gilt es, in der breiten Studierendenschaft Wissen darüber zu vermitteln, was in der digitalen Lehre möglich ist, damit Studierende sprechfähig sind, wenn es darum geht, gute digitale Lehre zu gestalten.

Kollaboration

Jetzt ist der Zeitpunkt, um voneinander zu lernen und miteinander zu arbeiten. Das gilt einerseits für den Austausch zwischen Hochschulen: Fernhochschul-Kurse und Open Educational Resources können die Grundlage für zu digitalisierende Kurse an den Hochschulen bilden. Eine andere Möglichkeit ist, dass MOOCs von Hochschulen anerkannt werden und Fernhochschul-Kurse als auch MOOCs kostenlos absolviert werden können. Für uns Studierende gilt: Wir wollen gute digitale Lehre. Deswegen lieber “fremde” gute Lehre als schlechte Lehre der eigenen Hochschule.

Zudem braucht es eine Zusammenarbeit zwischen den Lehrenden und Studierenden. Wir alle befinden uns plötzlich in einer Situation, in der wir gemeinsam vor Herausforderungen gestellt werden. Deswegen ist Feedback von Studierenden und formative Evaluation der Lehre wichtiger denn je. Da es die klassische Situation nach der Vorlesung nicht mehr gibt, in der Studierende Lehrenden Fragen stellen, braucht es einen digitalen Ort. Dies kann ein virtueller Frage-und-Feedback-Raum sein, der zu einem bestimmten Zeitraum offen ist. Die Hochschulen stehen auch hier in der Verantwortung, Feedbackprozesse so zu integrieren, dass die Hürden für Studierende nicht größer werden, als sie es in der Präsenzlehre schon sind. Verschiedene Wege Feedback zu geben und (bei Bedarf auch anonym) auf Probleme hinzuweisen, müssen fest integriert sein, damit Studierende sich diese nicht erst erkämpfen müssen.

Sicherheit und Kommunikation

Die Ausnahmesituation birgt nicht nur Chancen, sondern stellt auch Studierende vor Herausforderungen. Viele wollen oder müssen in Regelstudienzeit ihr Studium beenden oder sind darauf angewiesen auch im Sommersemester 30-Credit-Points oder mehr zu absolvieren. Deswegen ist es wichtig, dass ein ausreichendes Lehrangebot zur Verfügung steht. Dies gilt auch für die Möglichkeit Prüfungen, die am Ende der zweiten Prüfungsphase des Wintersemesters nicht mehr durchgeführt werden konnten, jetzt digital nachzuholen und so auch das Wintersemester erfolgreich abzuschließen.

Damit die nächsten Wochen nicht von Unsicherheit geprägt sind, braucht es eine funktionierende Kommunikation zwischen Hochschule, Lehrenden und Studierenden. Dazu gehören auch eine gewisse Offenheit, Ehrlichkeit und Transparenz und die Größe zuzugeben, wenn nicht alles nach Plan läuft und die Hochschulen vor aktuell noch nicht gelösten Herausforderungen stehen. Entscheidungswege und -prozesse sowie Probleme sollten kommuniziert werden. Offene Kommunikation über den aktuellen Stand und realistische Szenarien führen zu klaren Erwartungshaltungen und Verständnis.Fernlehre für Studierende erfordert neue Kompetenzen

Digitale Lehre, aber wie?

Eine gute Einführung zur digitalen Lehre von der Kiron University gibt es hier, fünf Tipps für den Einstieg in die Online Lehre befinden sich hier und eine ausführliche Checkliste für virtuelle Präsenzlehre von der Hochschuldidaktik online ist hier zu finden.

Studierende sind mehr denn je dazu herausgefordert ihren Alltag zu strukturieren und zu organisieren. Dabei kann es helfen, Studierende anzuhalten, in Kleingruppen (auch ohne Lehrperson) einen morgendlichen Check-In zu veranstalten und sich auszutauschen, was am heutigen Tag auf der Agenda steht. Eine weitere Möglichkeit Incentives für Alltagsroutinen zu setzen, können live Frage-Sessions mit den Lehrenden sein, die nur zu einem bestimmten Zeitpunkt offen sind.

In den Seminaren können wöchentliche Quizzes dazu genutzt werden, die Motivation hochzuhalten und kleine Lernstandsüberprüfungen durchzuführen. Weiterhin ist nun ein guter Zeitpunkt, um statt einer großen Hausarbeit oder einer Klausur zum Ende des Semesters, mehrere kleine Prüfungsleistungen einzufordern, die ebenfalls strukturgebend wirken können. Um Aktivität und Partizipation im Seminarraum sicherzustellen, kann es helfen (studentische) digital affine Tutor*innen einzustellen, die kleine Studierendengruppen betreuen in Tutorien oder Support-Gruppen.

Insgesamt muss sichergestellt werden, dass Kommunikation und Interaktion auch in digitaler (Präsenz-)Lehre stattfinden. Weitere Tipps und Tools für interaktive Online Lehre finden sich hier.

Wir können uns nur vorstellen, vor welchen Herausforderungen Lehrende und Hochschulleitungen aktuell stehen. Es ist uns ein Anliegen, dass studentische Bedarfe, Wünsche und Sorgen dabei nicht aus den Augen verloren werden. Diese Sammlung ist selbstredend nicht vollständig, wir sehen sie als weiteren Startpunkt für einen offenen Diskurs. Sollten sich weitere studentische Gruppen bilden, dürfen diese gerne in diesem Dokument eingefügt werden, um einen Überblick zu behalten. Wir wünschen allen Hochschulen und ihren Mitglieder gutes Gelingen und viel Kraft in der aktuellen Situation.

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