Warum der students-as-partners-Ansatz das deutsche Hochschulsystem auf den Kopf stellt

Warum der students-as-partners-Ansatz das deutsche Hochschulsystem auf den Kopf stellt

18.01.23

Titelbild zur Blogreihe "Let's Talk Campus". Titel Rechts: WARUM DER STUDENTS-AS-PARTNERS-ANSATZ DAS DEUTSCHE HOCHSCHUL-SYSTEM AUF DEN KOPF STELLT. Ein Artikel von Prof. Dr. Nina Weimann-Sandig (Evangelische Hochschule Dresden). Links: Studierende und Lehrende an einem runden Tisch im Gespräch. Logo: Hochschulforum Digitalisierung, Stiftung Innovation in der Hochschullehre, Let's Talk Campus.

Hochschulentwicklung umdenken: Der Students-as-Partners-Ansatz soll helfen, studentische Beteiligung an Hochschulen zum festen Bestandteil von Organisations- und Personalentwicklung zu machen. An der Evangelischen Hochschule Dresden wurde das Beiteiligungsprojekt „BediRa – Beziehungsarbeit im digitalen Raum“ ins Leben gerufen, das diesen Ansatz anwendet. Aus dem usprünglich angelsäsischen Konzept soll ein für die deutsche Hochschullandschaft passender Entwurf entstehen – Prof. Nina Weimann-Sandig stellt den Students-as-Partners-Ansatz und seine Umsetzung im Rahmen der Blogreihe zum HFD-Event „Let’s Talk:Campus“ vor.

Titelbild zur Blogreihe "Let's Talk Campus". Titel Rechts: WARUM DER STUDENTS-AS-PARTNERS-ANSATZ DAS DEUTSCHE HOCHSCHUL-SYSTEM AUF DEN KOPF STELLT. Ein Artikel von Prof. Dr. Nina Weimann-Sandig (Evangelische Hochschule Dresden). Links: Studierende und Lehrende an einem runden Tisch im Gespräch. Logo: Hochschulforum Digitalisierung, Stiftung Innovation in der Hochschullehre, Let's Talk Campus.Seit 2021 haben wir an der Evangelischen Hochule Dresden das Glück, unser BediRa-Projekt (Beziehungsarbeit im digitalen Raum reflexiv gestalten) von der Stiftung Innovationen in der Hochschullehre gefördert zu bekommen. Uns geht es darum, ein digitales Konzept zu erarbeiten, das maßgeschneidert ist und soziale, personenbezogene Studiengänge und vor allem die Beziehungsarbeit im digitalen Raum fokussiert. Ein solches Konzept muss unter Beteiligung aller Akteur:innen der Hochschule erarbeitet werden. Insbesondere Studierende, als zentrale Konsument:innen digitaler Lehre, müssen hier einbezogen werden. 

Der students-as-partners Ansatz eignet sich als Beteiligungskonzept für alle Hochschulen, die nicht nur studentische Beteiligung in irgendeiner Form leben, sondern sie zum festen Bestandteil von Organisations- und Personalentwicklung machen wollen. Allerdings stammt der students-as-partners-Ansatz aus dem angelsächsischen Raum, wurde also vor dem Hintergrund eines ganz anderen Bildungskonzeptes konzipiert. Die Einführung des students-as-partners-Ansatz stellt unser Hochschulsystem infolgedessen ganz schön auf den Kopf.

Doch worum geht es eigentlich bei diesem Ansatz? Ein Blick in unser Erklärvideo gibt hier Aufschluss: 

Man sieht also, students as partners bietet eine Perspektive, das Wissen und die Expertise von Studierenden in den gesamten Hochschulentwicklungsprozess einzubeziehen. Anstatt Studierende nur in den Vorlesungen und Seminaren zu aktivieren, geht es um ihre Beteiligung an der Entwicklung neuer Lehr-Lernräume. Damit sollen Formate geschaffen werden, die mit dem traditionell deutschen Lehrstil des hierarchisch geprägten „Überstülpens von Wissen“ brechen. Natürlich stößt dies nicht immer nur auf Begeisterung in den Reihen der Lehrenden und Studierenden. Lehrende und Studierende müssen sich hierfür auf neue Rollendefinitionen einlassen. Lehrende werden verstärkt zu Moderator:innen und Anleiter:innen. Studierende übernehmen sehr viel stärker als in traditionellen Ansätzen Verantwortung für die Lehrgestaltung. 

Der digitale Raum als „Neuland der Hochschullehre“ bietet sich hierfür hervorragend an. Wir können hier mit etablierten Traditionen und Professionsansprüche brechen und gemeinsam mit den Studierenden Werte und Normen bestimmen, wie wir Lehre ausgestalten wollten. Das Stichwort lautet dabei Ko-Konstruktion. Während der ursprüngliche students-as-partners-Ansatz als „kollaborativer und reziproker Prozess“ (Cook-Sather/Bovill/Felten 2014) verstanden wird, konnten wir dies im Zuge unseres Projektes um den Terminus der Ko-Konstruktion erweitern. Auch er zielt auf die Zusammenarbeit zwischen Lehrenden und Studierenden ab, berücksichtigt aber, dass gerade digitale Räume stets neue – und auf die jeweilige Studierendengruppe spezifisch zugeschnittene – Normen und Verabredungen brauchen. So haben wir beispielsweise gemerkt: Berufsbegleitende Studierende haben ganz andere Zielsetzungen für ihre Seminare als grundständige Studierende, weil andere Motivationsgrundlagen, aber auch andere Vereinbarkeitszwänge vorliegen. Auch innerhalb der Studiengänge gibt es gerade in angewandten Sozialwissenschaften große Unterschiede mit Blick auf die Erwartungshaltungen der Studierenden und ihre Bereitschaft, sich in die Lehr-Lerngestaltung einzubringen. Dies darf nicht negativ aufgefasst werden, sondern muss als grundlegende Ressource in den Gestaltungsprozess digitaler Lehre Eingang finden. Ebenso muss auch die Heterogenität der Digital Literacy bei Lehrenden erst einmal wertfrei anerkannt werden. Will heißen: Nicht jede:r Lehrende hat beispielsweise dieselben skills und Erwartungshaltungen, ebenso aber auch nicht jede:r Studierende. Im Sinne eines Aushandlungsprozesses müssen diese unterschiedlichen Erwartungshaltungen zusammengebracht werden, damit gerade im digitalen Raum Beziehungsarbeit geleistet werden kann. 

Wie kann das funktionieren? Im BediRa-Projekt probieren wir laufend neue Formate aus. Als besonders gewinnbringend hat sich unser „Testlabor“ erwiesen. Dieses Testlabor wird von unserem studentischen ThinkTank, den ehs student change makers initiiert. Abwechselnd stellen Studierende und Lehrende sich hier neue digitale tools, Plattformen oder aber auch hochschuldidaktische Konzepte vor. 

Der Mehrwert liegt dabei in der Schaffung einer egalitären und ko-konstruktiven Lehr-Lern-Kultur. Denn der digitale Raum stellt für uns alle Neuland dar. Professionalisierung wird hier also auf zwei Ebenen umgesetzt. Professionalisierung der digitalen Lehre unserer Hochschule und Professionalisierung der späteren Arbeitsfelder unserer Studierenden, indem wir Schlüsselkompetenzen unserer Studierenden trainieren. Nicht zuletzt macht ein solches Konzept auch etwas mit einer Hochschule. Es schafft Begegnungsräume, die weit über die Lehre hinausgehen. 

Weitere Informationen finden Sie auf der Projektseite: BediRa: Beziehungsarbeit im digitalen Raum.

 

 

Dieser Artikel reiht sich ein in die Blogreihe zum Event “Let’s Talk:Campus”, das am 20. Oktober 2022 stattfand – digital und live in Berlin. Ein besonderer inhaltlicher Schwerpunkt bildeten Fragen der studentischen Partizipation und Nachhaltigkeit.

Wir wollen entsprechende Diskussionen fortführen – unter anderem beim University:Future Festival 2023. Der Call for Participation läuft bis zum 31. Januar 2023. 

Das Event wurde vom Hochschulforum Digitalisierung (HFD) in Partnerschaft mit der Stiftung Innovation in der Hochschullehre (StIL) veranstaltet.

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