Ungleichheiten in der Hochschulbildung: Eine globale Perspektive
Ungleichheiten in der Hochschulbildung: Eine globale Perspektive
15.02.22Im Rahmen des University:Future Festivals 2021 führten Bronwen Deacon und Anne Leiser eine Podiumsdiskussion, die Ungleichheiten in der globalen Hochschulbildung auf individueller, institutioneller und systemischer Ebene in den Fokus nahm. Die beiden Expertinnen auf dem Gebiet internationaler Bildungsprojekte sind an Institutionen tätig, die den Austausch und das Erreichen globaler Bildungsziele fördern. In diesem Blogeintrag fassen sie ihre Kernaussagen zusammen, die als Ausgangspunkt der Diskussion dienten.
Durch die erzwungene Umstellung auf Online-Unterricht hat die Pandemie das Hochschulsystem in einem noch nie dagewesenen Maße belastet und Schwachstellen offengelegt. In den letzten zwei Jahren hat sich gezeigt, dass die Ungleichheiten im Bildungswesen deutlich tiefer verankert sind als bisher angenommen.
Ein positiver Nebeneffekt des unter Druck stehenden Systems war, dass zunächst Einigkeit herrschte, dass Kollaboration helfen könne, diesen Wandel zu bewältigen, was zu informellem Austausch von bewährten Verfahren und Erfahrungen führte. Mit dem Übergang zur „neuen Normalität“ ist dieser Trend rückläufig, da sich die Hochschuleinrichtungen nun vermehrt auf die Entwicklung von langfristigen Strategien und Lösungen konzentrieren. Wenn wir jedoch einen wirklichen Wandel herbeiführen wollen, sollten wir uns von der Bequemlichkeit und den alten Wegen trennen, bevor die innovative Kraft der Pandemie außer Reichweite gerät.
Vor der Pandemie wurde oft das Narrativ propagiert, dass digitales Lernen die Bildung gerechter und zugänglicher machen würde, indem es Bildung zu geringen Kosten für marginalisierte Bevölkerungsgruppen verfügbar mache oder selbstgesteuertes Lernen ermögliche. Die Pandemie hat zwar gezeigt, dass es so einfach nicht ist, aber sie hat einen Konsens über die Zukunft des ‚Blended Learning‘ geschaffen. Wenn wir aber wirklich eine gerechtere Bildungslandschaft schaffen wollen, sind Leitplanken für den digitalen Wandel von Lehre erforderlich.
Auf Grundlage unserer Studie lautet unsere Hypothese, dass die Zusammenarbeit auf individueller, institutioneller und systemischer Ebene die notwendigen Weichen stellen muss, um ein gerechteres Hochschulumfeld und eine bessere digitale Lehre zu schaffen.
Diese Einschätzung deckte sich mit der unserer Podiumsteilnehmer*innen auf dem University:Future Festival 2021. Zusammen diskutierten wir, wie Bildung in fragilen Kontexten (z. B. für Geflüchtete) oder in Krisenzeiten (z. B. bei politischen Unruhen) das Lernen auch in unbeständigen, unsicheren, komplexen und unklaren Situationen stattfinden lässt und dass etablierte Hochschulen gut daran täten, von solchen fragilen Kontexten zu lernen, wie Bildung angeboten werden kann, die Ungleichheiten abbaut:
Insbesondere zeigen solche Kontexte, dass der Zugang zum Teil physisch, vor allem aber intellektuell ist. Um allen Lernenden die Möglichkeit auf gute Lernerfolge zu geben, müssen wir zunächst daran arbeiten, Pädagogik, Erkenntnistheorie und Technologien zu entkolonialisieren.
Zweitens sind infrastrukturlastige Technologien in fragilen Kontexten unbrauchbar und können sogar Ungleichheiten verstärken. Es müssen daher Low-Tech-Optionen angeboten werden, die die Grundlage für eigenverantwortliches Lernen bilden.
Drittens ist der Bedarf an Bildung auf globaler Ebene groß, und erfordert eine globale Antwort. Um diesem Bedarf gerecht zu werden, müssen wir authentische, gemeinschaftliche Lösungen entwickeln, die sich an den Bedürfnissen der Lernenden in allen Kontexten orientieren.
Aus diesen Punkten lassen sich wichtige Lehren für die gesamte Hochschulbildung ziehen, nämlich dass die Hochschuleinrichtungen auf die globale Nachfrage nach Bildung reagieren und gerechte Lösungen für Lernende aus unterschiedlichen Kontexten anbieten müssen. Ein umfangreicher Forschungsschwerpunkt auf digitale und ‚Blended Learning‘ Pädagogik in verschiedenen Kulturen ist notwendig, um effektive Lehr- und Lernmethoden zu entwickeln. Um dies zu erreichen, muss neben der Forschung auch der Lehre ein hoher Stellenwert eingeräumt werden, und die Lehrenden und Lernenden müssen durch entsprechende Unterstützung, Ressourcen und Maßnahmen gefördert werden. Alle Interessengruppen, sei es die Wirtschaft, der öffentliche Sektor oder die Politik sollten in diesen Prozess des Barrierenabbauens einbezogen werden.
In dieser Reihe zum University:Future Festival 2021 veröffentlichen wir eine Auswahl der Festivalbeiträge als Artikel, die Sie auch gesammelt in einem Dossier finden. Die Autor:innen haben hierfür Ihre Vorträge noch einmal schriftlich festgehalten. Weitere Vorträge und Talks finden Sie auch auf YouTube.
Mit über 250 Veranstaltungen, 500 Speaker:innen und 3.850 Teilnehmer:innen fand das University:Future Festival 2021 vom 02.–04.11.2021 unter dem Titel „Open for Discussion“ statt. Hier finden Sie weitere Infos zum Festival.