Partizipation auf Augenhöhe: Studierende als Lehrende

Partizipation auf Augenhöhe: Studierende als Lehrende

17.02.22

Partizipation auf Augenhöhe: Studierende selbst lehren lassen – Ein Gastbeitrag von Larissa Barth und Ronny Schüler. Motiv mit hellem Gesamteindruck und freudigen Studierenden unterschiedlichen Aussehens und Geschlechts mit erhobenen Armen und Büchern in den Händen.

Wie können Studierende direkt am Lehrangebot partizipieren und Themen einbringen, die sie außerhalb des Fachcurriculums für wichtig erachten? Abseits von Pflichtmodulen, redundanten Frontalvorlesungen und ausgelagerter studentischer Partizipation stellten Larissa Barth und Ronny Schüler ein Konzept für mehr curriculare Studienpartizipation vor – zunächst auf dem University:Future Festival 2021 und jetzt in der Blogreihe. 

Partizipation auf Augenhöhe: Studierende selbst lehren lassen – Ein Gastbeitrag von Larissa Barth und Ronny Schüler. Motiv mit hellem Gesamteindruck und freudigen Studierenden unterschiedlichen Aussehens und Geschlechts mit erhobenen Armen und Büchern in den Händen.

Unsere Antwort darauf: Studierende selbst lehren lassen. 

An der Bauhaus-Universität Weimar erhalten Studierende im Rahmen des interdisizplinären Lehr-/Lernformats „Bauhaus.Module“ die Möglichkeit, als studentische Lehrende aktiv zu werden und eigene Veranstaltungen anzubieten. So können sie sich aktiv am Lehrangebot beteiligen und thematische Schwerpunkte setzen, die sie jenseits des regulären Fachcurriculums für dringlich und zukunftsweisend erachten.

Seit 2018 haben wir mit dem partizipativen Format „Studentische Lehr-/Lernprojekte“ das fakultätsübergreifende Lehrangebot erweitert. Das Format wurde regelmäßig evaluiert und stetig weiterentwickelt. In den vergangenen Semestern haben unsere Studierenden durchschnittlich fünf bis zehn Veranstaltungen pro Semester mit einem breiten Spektrum an Themen und Formaten angeboten. Inhaltliche Schwerpunkte lagen bei den Themen Anti-Diskriminierung, Nachhaltigkeit und Klimafolgenbewältigung, soziale Integration und politische Teilhabe — und damit deutlich jenseits der curricular verankerten Lehrgebiete.

Aber wie kann das überhaupt funktionieren? 

Die studentischen Lehr-/Lernprojekte werden als fächerübergreifende Vorhaben durch das Team der Universitätsentwicklung koordiniert. Einzelne Studierende oder kleine Studierendengruppen können sich mit einem eigenen Thema und didaktischem Konzept um Finanzierung einer interdisziplinären Lehrveranstaltung bewerben. Über die Förderung entscheidet eine Jury aus Vertreter:innen der Fakultäten. 

Bei erfolgreicher Antragstellung erhalten die Studierenden für die Dauer eines Semesters Anstellungsverträge als wissenschaftliche Assistenzen und zusätzliche Mittel für Gastvorträge oder Materialkosten. Unterstützt werden sie durch Mentor:innen, vor allem in Fragen der Notengebung sowie in Vertrags- und Organisationsangelegenheiten. Zur Vorbereitung auf ihre Rolle in diesem Lehr-/Lernkontext unterstützt unser Team die Studierenden durch eine mehrtägige methodisch-didaktische Qualifizierung. 

Ganz so einfach ist es nicht …

Trotz aller Bemühungen bleiben zahlreiche Hürden zu überwinden: Die fakultätsübergreifende Anrechnung von Leistungspunkte ist selbst an einer Universität mit lediglich vier Fakultäten eine fortwährende Herausforderung. Widerstände zeigen sich auch vereinzelt bei akademischen Lehrenden: Erwartungsgemäß wird die Qualifizierung der Studierenden in Frage gestellt, wenn sie als Lehrende wirken. Darüber hinaus wird die Befürchtung formuliert, dass angestellte akademische Mitarbeiter:innen sukzessive obsolet gemacht werden (sollen). Studentische Lehrende kritisieren überdies, dass die Auseinandersetzung mit zeitaktuellen Themen erst durch studentisches Engagement in der Lehre aufgegriffen wird. Und schließlich bleiben strukturelle Benachteiligungen in einzelnen Studiengängen weiter bestehen, etwa durch uneinheitliche Anmeldemodalitäten und -fristen sowie Modulgrößen. 

Experimente, Interdisziplinarität und Partizipation wagen!

Mit Blick auf insgesamt mehr als 50 studentische Lehr-/Lernprojekte können wir sagen: Es lohnt sich, Experimente zu wagen und in der Lehre eine studentische Partizipation auf Augenhöhe zu etablieren. 

Das durchweg hohe Interesse der Studierenden, im Zweifel auch ohne Anrechnung der Studienleistung, zeigt die Relevanz dieses Angebots. Dabei schätzen sie nicht nur die Zusammenarbeit mit Studierenden anderer Disziplinen als wertvoll ein, sondern vor allem auch die gemeinsame Auseinandersetzung mit zeitaktuellen Themen jenseits des eigenen Studiengangs. 

Entscheidend für das Gelingen sind neben den strukturellen Rahmenbedingungen auch die Unterstützungsangebote: Das methodisch-didaktische Training hilft den studentischen Lehrenden dabei, ihre Rolle innerhalb des Lehr-/Lernszenarios zu reflektieren und Verantwortung in einem kollaborativen Lernprozess zu übernehmen. Die fachliche Unterstützung in Form eines Mentoring durch akademische Lehrende bietet Rückhalt und Sicherheit bei allen anstehenden Herausforderungen. Und schließlich können die Rahmenbedingungen auf Grundlage einer begleitenden Evaluation kontinuierlich reflektiert und angepasst werden. 

Trotz aller Herausforderungen haben sich die studentischen Lehr-/Lernprojekte als ein Format erwiesen, das unseren Studierenden nicht nur ein hohes Maß an Selbstorganisation und Autonomie ermöglicht, sondern auch einzigartige Erfahrungen für eine zukünftige Tätigkeit in Forschung und Lehre bietet.

 

In dieser Reihe zum University:Future Festival 2021 veröffentlichen wir eine Auswahl der Festivalbeiträge als Artikel, die Sie auch gesammelt in einem Dossier finden. Die Autor:innen haben hierfür Ihre Vorträge noch einmal schriftlich festgehalten. Weitere Vorträge und Talks finden Sie auch auf YouTube.

Mit über 250 Veranstaltungen, 500 Speaker:innen und 3.850 Teilnehmer:innen fand das University:Future Festival 2021 vom 02.–04.11.2021 unter dem Titel „Open for Discussion“ statt. Hier finden Sie weitere Infos zum Festival.

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