Nord-Süd-Sharing – digitale und offene Entwicklungszusammenarbeit in der Lehre

Nord-Süd-Sharing – digitale und offene Entwicklungszusammenarbeit in der Lehre

08.04.16

Inwieweit gehört es eigentlich zur Aufgabe einer deutschen Hochschule, Lernangebote für Menschen in Afrika zu gestalten? Die wenigsten Hochschulen sahen sich bisher mit dieser Frage konfrontiert. Das könnte sich jetzt ändern. Denn immer mehr Hochschulen stellen Lernangebote online zur Verfügung – offen für alle, die sich für das Thema interessieren, die Sprache des Angebots verstehen und einen Internetzugang haben. „Open Education“ ist das Stichwort. Auf Einladung des Hochschulforums Digitalisierung diskutierten am 6.4.2016 Expertinnen und Experten Chancen und Risiken digitaler Bildungsangebote für die Entwicklungszusammenarbeit.

Balthas Seibold von der GIZ. Bild: Martin MaguniaDie Diskussion war in der Themengruppe „Internationalisierung & Marketingstrategien“ des Hochschulforums Digitalisierung entstanden. Eine Videoaufzeichnung der Veranstaltung ist unten verfügbar.

In den Bonner Räumen der United Nations diskutierten:

  • Prof. Dr. Rainer Burk, Projektleiter Drittmittelprojekte Afrika, Hochschule Neu-Ulm
  • Katrin Haufe-Wadle, Referentin für Digitale Hochschulbildung, Deutscher Akademischer Austauschdienst DAAD, Bonn
  • Prof. Dr. Barbara Moser-Mercer, Gründerin und Direktorin von InZone, Universität Genf
  • Balthas Seibold, Berater Sektorvorhaben Digitale Welt, Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GIZ, Bonn
  • Dr. Erick Tambo, Associate Academic Officer, United Nations University, Bonn
  • Moderation: Jan-Martin Wiarda, freier Journalist

Ist das unser Auftrag?

Journalist Jan-Martin Wiarda führte souverän durch den Abend und konfrontierte sein Panel gleich zu Beginn mit der Frage: „Digitale Lehre für Menschen in aller Welt – ist das eigentlich die Aufgabe von Hochschulen in Deutschland?“ Prof. Rainer Burk von der Hochschule Neu-Ulm konnte diese Frage mit Ja beantworten und berichtete von eigenen Erfahrungen: „Der Bedarf in Afrika ist riesig. Und wir in Deutschland wollen alle Internationalisierung und neue Formen der Lehre. Also müssen wir sehen, was wir da gemeinsam entwickeln können.“ Dr. Erick Tambo von der United Nations University in Bonn unterstützte: „Bildungsangebote sind das Beste, was wir in Sachen Entwicklungshilfe machen können. Wir bieten damit Menschen Perspektiven, die sonst möglicherweise aufgrund von Perspektivlosigkeit ihre Länder verlassen werden.“

Offen im Netz – und wer kontrolliert die Qualität?

Bei solchen Aktivitäten kann unterschieden werden in Angebote, die in Zusammenarbeit mit Partnern vor Ort entwickelt werden, und solchen, die offen im Netz verfügbar sind und von jedermann genutzt werden können. Eine häufig gestellte Frage bei offenen Online-Angeboten ist die nach Akkreditierung, Zertifikaten und Qualitätssicherung. Auch wenn nach den Erfahrungen der Diskutanten formale Abschlüsse einen hohen Stellenwert haben, so muss die Diskussion darum das Thema nicht zwangsweise ausbremsen. GIZ-Bildungsberater Balthas Seibold: „Wir Deutschen sind beim Thema Qualitätssicherung sehr konservativ. Das Netz hat da schon neue, funktionierende Möglichkeiten hervorgebracht.“ Auch Dr. Erick Tambo in Bonn forderte schnelleres Handeln. „In vielen Ländern fragen sich die Menschen nicht, ob Inhalte im Internet akkreditiert oder qualitätsgeprüft sind. Wenn die Inhalte da sind, werden sie genutzt!“

Wie Open ist „Open Education“?

Balthas Seibold arbeitet schon lange am Thema Open Education im globalen Kontext. Er beobachtet ein exponentielles Wachstum von frei lizenzierten Inhalten (OER) im Web. Gleichzeitig warnte er: „Wir sehen im Moment ein ‚Open Washing’. Vieles im Bildungsbereich wird neuerdings gerne ‚open’ genannt. Wirklich offen ist es aber nur, wenn drei Freiheiten gegeben sind: Die Materialien müssen offen verfügbar sein, bearbeitet werden können und dann auch wieder bearbeitet an andere weitergegeben werden können.“ Als Beispiel für Open Washing nannte Seibold die Khan Academy, die sich gerne als „open“ bezeichnet, aber die Nutzung de facto stark einschränkt.

Keine Einbahnstraße

Seit einigen Jahren hat es sich etabliert, anstelle von „Entwicklungshilfe“ den Begriff „Entwicklungszusammenarbeit“ zu nutzen. Der Begriff soll hervorheben, dass es nicht um eine Einbahnstraße von Norden nach Süden handelt. Diesen Aspekt hoben zum Abschluss der Diskussion alle Podiumsteilnehmer auch für die digitale Lehre hervor, z.B. Katrin Haufe-Wadle, Referentin für Digitale Hochschulbildung beim DAAD: „Der Auftrag an die deutschen Hochschulen beschränkt sich nicht auf Deutschland! Dafür gibt es zum Beispiel den DAAD. Die Hochschulen profitieren von der internationalen Zusammenarbeit, weil sie viel dabei lernen.“ Auch Barbara Moser-Mercer von der Uni Genf betonte die Chancen des gegenseitigen Austausch – also nicht nur eines indirekten Gewinns über die Folgen eigener Akvititäten, sondern über gemeinsames Handeln. „Wir können das Teilen reell durchziehen. Auch in synchronen Formaten, z.B. über Skype.“ Sie berichtet davon, wie kürzlich ein Flüchtling aus Kakuma einen halben Tag Lehre für Studierende in Genf gestaltete, via Skype.

Auch Katrin Haufe-Wadle vom DAAD sah in der digitalen vernetzten Zusammenarbeit große Potentiale; wenn es nicht mehr nur darum geht, Lehrmaterialien von Nord nach Süd zu senden, sondern auch zusammenzuarbeiten, z.B. wenn Studierende in Deutschland und Menschen in Entwicklungsländern in einem digitalen Klassenraum kommunizieren. „Das ist letztlich auch eine Chance für den Frieden!“

Dokumentation und weitere Veranstaltungen

Das Hochschulforum Digitalisierung wird in 2016 zu weiteren Diskussionsveranstaltungen zur digitalen Lehre einladen. Details folgen hier im Blog.

Bildnachweis: Martin Magunia

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