Lernflix – Ein kollaboratives Lerntool für das gemeinsame Betrachten und Diskutieren von Lernvideos
Lernflix – Ein kollaboratives Lerntool für das gemeinsame Betrachten und Diskutieren von Lernvideos
10.03.22Wie eine Netflix-Party für die Lehre: Mit „Lernflix“ soll der (vermisste) inhaltliche Austausch unter Studierenden während der Online-Lehre aktiv gefördert werden. Carolin Straßmann und Andreas Lingnau von der Hochschule Ruhr West hielten auf dem University:Future Festival 2021 eine Vortrag zu dem digitalen Tool, das Studierenden das gemeinsame Anschauen und Diskutieren von aufgezeichneten Lernvideos ermöglicht. Das Projekt, das auch gemeinsam mit Studierenden entwickelt wurde, erhielt viel positives Publikums-Feedback. Carolin Straßmann stellt „Lernflix“ nun auch im Blog vor und spricht über die Zukunft des Prototypen.
Menschen sind ultra-soziale Wesen (Tomasello, 2014), die ein grundlegendes Bedürfnis nach Verbundenheit (Ryan & Deci, 2002) haben. Pandemiebedingt haben viele gemerkt, welche Auswirkungen es hat, diesem Bedürfnis nicht nachzukommen. Mein Kollege Dr. Andreas Lingnau und ich haben diese Auswirkungen auch in der asynchronen und digitalen Lehre beobachtet. Studierende sind isoliert und ihnen fehlt das Gefühl der Verbundenheit, da der Kontakt zu Mitstudierenden verloren geht. Im Lernprozess haben sie weniger Möglichkeiten zum Austausch und zur Unterstützung.
Die Unzufriedenheit und problematische Lage der Studierenden werden auch in wissenschaftlichen Studien deutlich. Studierende gaben an, dass Sie unzufrieden mit den Möglichkeiten zum Austausch bzw. zum gemeinsamen Arbeiten in Gruppen sind (Dittler & Kreidl, 2020). Ebenso zeigen Daten, dass vor allem Studierende, die vor der Pandemie keine Probleme mit ihrer mentalen Gesundheit hatten, durch die Lockdown-Erfahrungen höhere Tendenzen zu Depressionen und ein stärkeres Stressempfinden haben (Hamza et al., 2021).
Um Studierenden auch in der asynchronen digitalen Lehre einen Austausch zu ermöglichen, kam die Idee auf, das „Netflix Party“ für die Lehre zu gestalten. Diese Idee wurde während des Semesterhack 2.0 durch die Studierenden Andre Helgert, Sebastian Brüne, Adriano Nicolosi, Malin Benjes, Anna Westenfelder Gil & Alicia Neumann weiterentwickelt und so ist Lernflix entstanden. Als Gewinner des Semesterhacks haben wir eine 3-monatige Förderung durch die DFG und den DAAD erhalten, um einen ersten Prototypen von Lernflix zu gestalten.
Lernflix ist ein digitales Tool, das in Moodle eingebunden wird und Studierenden das gemeinsame Anschauen und Diskutieren von aufgezeichneten Lernvideos ermöglicht (Lingnau et al., 2021). Damit verbindet Lernflix die Vorteile vom asynchronen und synchronen Lernen. Durch den Austausch fällt es Studierenden einfacher sich zu motivieren und gleichzeitig kann wieder ein stärkeres Gefühl von Zugehörigkeit aufgebaut werden. Mit Lernflix können Studierende die asynchronen Videos gemeinsam Betrachten und Steuern, relevante Stellen in den Videos markieren und sich über den Inhalt durch die Chatfunktion austauschen.
In dem internen Lehrförderprojekt „VGather2LEarn“ der Hochschule Ruhr West haben wir das Tool weiterentwickelt und die Wirksamkeit untersucht. Erste Studienergebnisse zeigen, dass die Studierenden unser Tool sehr gut annehmen. Gleichzeitig wurden durch die Evaluationen neue potenzielle Funktionalitäten deutlich (z.B. Voice Chat, ein Terminplaner, eine Rückmeldung an Lehrende).
Die positive Publikumsresonanz während des University:Future Festival 2021 und die darauffolgenden Kooperationsanfragen, haben uns gezeigt, wie spannend und hilfreich unser Tool für die Lehre ist. Dies bestärkt uns darin, das Projekt weiterzuführen und weitere Funktionen in nächsten Entwicklungsstufen hinzuzufügen. Damit dies realisiert werden kann, sind wir aktuell auf der Suche nach weiteren Fördermitteln. Unsere Vision ist, dass Lernflix in Zukunft von möglichst vielen Studierenden und Lehrenden genutzt werden kann. Daher muss sich unser aktueller Prototyp noch weiterentwickeln, um einen Einsatz auf möglichst vielen verschiedenen Lernplattformen und in verschiedenen Hochschulen zu ermöglichen.
Referenzen
Dittler, U., & Kreidl, C. (2020). Digitale Bildung in Hochschulen aus Sicht der Studierenden: Wahrnehmung des Status quo, Erwartungen und Wünsche. In Digitale Bildung und Künstliche Intelligenz in Deutschland (pp. 457-474). Springer, Wiesbaden.
Hamza, C. A., Ewing, L., Heath, N. L., & Goldstein, A. L. (2021). When social isolation is nothing new: A longitudinal study on psychological distress during COVID-19 among university students with and without preexisting mental health concerns. Canadian Psychology/Psychologie canadienne, 62(1), 20.
Lingnau, A., Strassmann, C., Helgert, A., Benjes, M., & Neumann, A. (2021, July). Learnflix: A Tool for Collaborative Synchronous Video Based Online Learning. In 2021 International Conference on Advanced Learning Technologies (ICALT) (pp. 119-121). IEEE.
Ryan, R. M., & Deci, E. L. (2002). Overview of self-determination theory: An organismic dialectical perspective. Handbook of self-determination research, 2, 3-33.
Tomasello, M. (2014). The ultra‐social animal. European journal of social psychology, 44(3), 187-194.
In dieser Reihe zum University:Future Festival 2021 veröffentlichen wir eine Auswahl der Festivalbeiträge als Artikel, die Sie auch gesammelt in einem Dossier finden. Die Autor:innen haben hierfür Ihre Vorträge noch einmal schriftlich festgehalten. Weitere Vorträge und Talks finden Sie auch auf YouTube.
Mit über 250 Veranstaltungen, 500 Speaker:innen und 3.850 Teilnehmer:innen fand das University:Future Festival 2021 vom 02.–04.11.2021 unter dem Titel „Open for Discussion“ statt. Hier finden Sie weitere Infos zum Festival.