IT, Medien und digitale Lehre – Infrastruktureinrichtungen im Digitalsemester
IT, Medien und digitale Lehre – Infrastruktureinrichtungen im Digitalsemester
06.08.20Anfang März 2020 konnte kaum jemand das kommende Ausmaß und die Folgen der Corona-Pandemie absehen. Die IT- und Medien-Einrichtungen der Hochschulen waren dabei besonders gefordert, Dienste für digitale Lehre in kürzester Zeit für die stärkere Nutzung zu skalieren oder häufig auch ganz neu aufzubauen. Gleich zu Beginn der Vorbereitungen zum digitalen Sommersemester wurde deshalb von vielen Infrastruktureinrichtungen ein großer Bedarf an Informationen geäußert, wie sich die anderen Hochschulen auf den Semesterstart vorbereiten. Der ZKI und die AMH haben daher im April und Juni 2020 zwei Umfragen zu den Szenarien, Technologien und Veränderungen für das digitale Sommersemester und zur Unterstützung von Home-Office durchgeführt und veröffentlicht.
Zusammenfassung
Die Ergebnisse der Umfragen zeigen, wie dynamisch und unterschiedlich die Hochschulen bei der Vorbereitung des digitalen Sommersemesters und dem Aufbau neuer Infrastruktur für die digitale Lehre vorgegangen sind. Die besonderen Herausforderungen für die IT- und Medieneinrichtungen lagen dabei im Aufbau neuer Dienste binnen weniger Wochen, in der hohen Nutzungs- und Beratungsintensität, der technischen Skalierung sowie Fragen der Ausstattung von Beschäftigen und Studierenden. Hierbei ist auch beeindruckend, in welch kurzer Zeit neue digitale Services erfolgreich bereitgestellt werden konnten.
Insgesamt ist die Zufriedenheit mit den eingeführten Diensten aus Sicht der Umfrageteilnehmenden sehr hoch. Bei den Videoaufzeichnungs- und Videokonferenzprodukten gibt es einen leichten Wertungsvorteil für Cloud-Lösungen gegenüber den Open-Source Lösungen. Demgegenüber steht eine höhere Integrationstiefe der Open-Source Lösungen in bestehende Service-Landschaften der Hochschulen gegenüber den Cloud-Angeboten.
Keine Hochschule berichtet von dauerhaften Problemen bei der Umstellung auf das digitale Semester. Dies kann auch als Indikator dafür interpretiert werden, dass die meisten Hochschulen und deren Infrastruktureinrichtungen schon vorher die Grundlagen für erfolgreiche und schnell umgesetzte Digitalisierungsprojekte gelegt haben.
Die Ergebnisse zeigen jedoch auch, dass die Mehrzahl der Dienste noch nicht vollständig und abschließend etabliert bzw. integriert werden konnten und viele Fragen noch offen sind. Das erste digitale Semester bietet hierfür auch insofern ein breites Experimentierfeld, als alle Beteiligten dankbar für Dienste und Hilfen zur Durchführung der Online-Lehre sind und dabei auch Provisorien eher akzeptieren. Für ein zweites digitales oder hybrides Semester werden die Anforderungen an die digitalisierte Lehre seitens der Studierenden und Lehrenden auf den Erfahrungen aus dem ersten Semester aufsetzen und dadurch steigen. Die Ergebnisse dieser Umfrage sollen dabei helfen, diesen Anforderungen zu begegnen, den Reifegrad der digitalen Infrastruktur zu erhöhen und die Angebote gezielt zu erweitern.
Ein weiteres hilfreiches Ergebnis der Umfragen ist die große Antwortmenge an Szenarien – sowohl für die digitale Lehre, als auch für digitale Prüfungen. Bei den einzelnen Fragenbereichen finden sich dazu viele inspirierende Antworten. Dieser Szenarien-Überblick kann dabei helfen, die eigenen Ansätze und Szenarien für die eigene Einrichtung zu überprüfen.
Themenschwerpunkte
Digitale Prüfungen
Ein Fragenschwerpunkt waren die Vorbereitungen für digitale Prüfungen. Hier geben die meisten Teilnehmenden an, mündliche Prüfungen, Online-Prüfungen von zuhause, E-Assessments vor Ort oder schriftliche Prüfungen vor Ort zu planen. Moodle mit zusätzlichen Plugins, ist bei den technischen Services die am häufigsten genannte Plattform. Bei den Herausforderungen werden rechtliche Fragestellungen, funktionierende Technik – sowohl in der Hochschule, als auch zuhause – sowie Fragen der Prüfungsgerechtigkeit und Identitätsprüfung am häufigsten genannt. Der überwiegende Anteil der Teilnehmenden evaluiert Proctoring-Lösungen, wohingegen 17 Teilnehmende diese Lösung derzeit noch ausschließen. Als Problemkreise werden Akzeptanzprobleme, rechtliche Fragen – insbesondere auch Datenschutz – Fragen zur technischen Stabilität und Chancengleichheit angeführt.
Veränderungen für die Einrichtung
Bei den derzeit bereits absehbaren Veränderungen für die Einrichtungen werden Aspekte der stärkeren übergreifenden Zusammenarbeit sowie die deutlich gestiegene Priorität von Digitalisierung, Online-Lehre und Videokonferenzen genannt. Weitere Nennungen sind die weit höhere Dynamik der zeitlichen Anforderungen an die Bereitstellung von Diensten und eine Verschiebung der Nutzungsszenarien hin zur Nutzung der Hochschulinfrastruktur von außerhalb – sowohl für Beschäftigte, als auch für Studierende.
Zu den weniger erfolgreichen Maßnahmen zählen bei den Antworten die teilweise ad-hoc aufgebauten Support-Strukturen, die der hohen Intensität an Nachfragen und Beratung nicht gewachsen sind. Weitere Antworten beziehen sich auf Probleme bei der technischen Skalierung und die Schwierigkeit, Präsenzformate in erfolgreiche Online-Szenarien umzudenken. Ein großer Fokus wird in den Antworten auf die gestiegene Bedeutung von Infrastruktur für Videokonferenzen gelegt, wobei die notwendige Unabhängigkeit besonders betont wird. Diese Tendenz ist vermutlich eng mit den Erfahrungen bei der Nutzung des DFN-Conf-Dienstes verbunden. Die Antworten werden häufig mit der Einschätzung verbunden, die neuen Online-Szenarien und die stärkere Nutzung von Online-Diensten dauerhaft beizubehalten.
Als weitere Auswirkung des digitalen Semesters werden die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, das höhere Interesse am Austausch zu Online-Szenarien und mehr Kommunikation insgesamt angegeben. Betont wird die Bedeutung von Home-Office und die Erfahrung, dass im Home-Office die meisten Aufgaben genauso gut lösbar sind.
Auf die Frage, was im Rückblick hätte verbessert werden können, wird auf noch intensivere Kommunikation verwiesen, die frühzeitige Erarbeitung von Best-Practice-Beispielen für Lehrende und mehr Beratungsangebote. Auch wird angegeben, früher auf angemessene Ressourcenausstattung zu achten.
Aufbau neuer Dienste
Zu den neu eingeführten Produkten und Lösungen zeigen die überwiegenden Antworten (58%), dass diese Dienste für die Ad-hoc-Einführung gar nicht mit Personalkapazitäten hinterlegt sind. Nur 15% geben an, dass diese Aufgaben mit unbefristeten Stellen erfüllt werden. Gleichzeitig wurden in den meisten Fällen keine externen Dienstleister involviert. Wenn Dienstleister eingebunden wurden, waren die Erfahrungen jedoch eher gut (Mittelwert 2,2 in Schulnoten). Die Compliance-Aspekte wie IT-Sicherheit, Datenschutz, Barrierefreiheit, Mitbestimmung und Dokumentation sind in den meisten Fällen noch nicht abgeschlossen. Das höchste Ergebnis erreichen hierbei die Datenschutzaspekte, die bei 51% der Lösungen abgeschlossen sind. Einige Antworten dieser Fragen lassen darauf schließen, dass die Handhabung dieser Aspekte an den einzelnen Hochschulen sehr unterschiedlich ist.
Über die Umfrage
Der ZKI [1]-Arbeitskreis „Strategie und Organisation“ führt eine jährliche Umfrage zu den Top Trends an deutschsprachigen Hochschulen durch. Themen dabei sind Trends bei Strategie, Management, Personal und weiteren wechselnden Themen.
Gleich zu Beginn der Vorbereitungen zum digitalen Sommersemester zeigte sich im ZKI-Arbeitskreis und in der AMH [2] ein großer Bedarf an Informationen, wie sich die anderen Hochschulen auf den Semesterstart vorbereiten. Der Arbeitskreis hat daher schon im April 2020 eine Kurzumfrage zu den geplanten Szenarien und Technologien für das Sommersemester und zur Unterstützung von Home-Office durchgeführt und veröffentlicht.
Das Interesse an weiteren Informationen zu den Szenarien und Technologien für die Planung der Hochschulen und Infrastruktureinrichtungen war so groß, dass diese zweite, umfangreichere Umfrage im Juni 2020 durch den ZKI und die AMH durchgeführt wurde.
Ein besonders hilfreiches Ergebnis war die Übersicht der abgebildeten Szenarien und die dafür eingesetzten Technologien. Die Top-Antworten waren Zoom, BigBlueButton, Jitsi Meet und WebEx / Cisco im Bereich AV-Konferenzen, OpenCast und Panopto für Videoaufzeichnung, MS-Teams für Kollaborationsumgebungen und Rocketchat für Instant Messaging.
Die Umfrage wurde überwiegend von Teilnehmenden aus Universitäten (60 Personen) und Hochschulen für angewandte Wissenschaften (37 Personen) aus fast allen Bundesländern (ohne Bremen und Saarland) beantwortet. Die meisten Antworten kamen von Leitungen der IT-Einrichtungen, Beschäftigten aus Technik und Verwaltung sowie Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
[1] Der Verein „Zentren für Kommunikation und Informationsverarbeitung in Lehre und Forschung e.V.“ (ZKI) ist die Vereinigung der IT-Servicezentren der Hochschulen, Universitäten und Forschungseinrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland.
[2] Arbeitsgemeinschaft der Medieneinrichtungen an Hochschulen e.V.