Inverted Classroom trifft Scrum

Inverted Classroom trifft Scrum

24.03.22

Abbildung 1: Einsatz von eduScrum in der Welt

Für das Inverted Classroom Modell braucht es Selbstmotivation, Durchhaltevermögen und Selbstregulationskompetenz. Um diese Kompetenzen bei seinen Studierenden zu stärken, erprobte Karsten Morisse das Veranstaltungskonzept ICMScrum [Inverted Classroom Modell + Scrum] in seinem Informatik-Seminar. Beginnend mit Anforderungen des aktuellen und zukünftigen Arbeitsmarktes werden bei ICMScrum die zentralen Elemente der Methodik anhand eines praktizierten Beispiels vorgestellt und kritisch diskutiert. Im Blog führt Morisse den Inhalt seines Lightning Talks „Schlüsselkompetenzen trainieren, entwickeln und einsetzen“ weiter aus, der beim Publikum des University:Future Festivals 2021 auf großes Interesse stieß.

Titelbild: Inverted Classroom trifft Scrum, Logo: Hochschulforum Digitalisierung, University Future Festival 2021, Task Forces von Starwars auf Fahrrad

1. Einleitung

Die Anforderungen an zukünftige Teilnehmende eines Arbeitsmarktes verändern sich. Das von Frithjof Bergmann begründete Prinzip der Neuen Arbeit (Bergmann, 2004) ist aktuell Gegenstand zahlreicher Diskussionen und Debatten über aktuelle und zukünftige Arbeitswelten. Der entstandene Begriff der New Work birgt eine inhaltliche Vielfalt (Foelsing & Schmitz, 2021) und für den vorliegenden Beitrag wollen wir aus der Definition von (Hofmann et al., 2019) zitieren: „Vernetzung von Personen, Flexibilisierung von Arbeitsorten, -zeiten und -inhalten[,] […] agile, selbstorganisierte iterative und hochgradig kundenorientierte Arbeitsprinzipien. […] [W]eg von der Hierarchie hin zu einem coachenden, lateralen und unterstützenden Führungsverständnis.“

Wie aber passen diese Anforderungen mit der häufig anzutreffenden Hochschulpraxis zusammen? Unterstützt die klassische Wissensvermittlung in Form einer Vorlesung die in den obigen Beispielen genannten Kompetenzziele? Wohl eher nicht. 

Zunehmend werden agile Lernszenarien diskutiert (Arn, 2017), (Graf et al., 2019), (Kantereit et al., 2021), deren Grundideen auf dem agilen Manifest (Manifesto for Agile Software Development, 2001) basieren und die zunächst auf der Einnahme einer Haltung und Grundeinstellung beruhen – einem agilen Mindset – als konkrete Maßnahmen zu beschreiben (Hofert, 2018). In der Breite der Hochschullehre hat diese Grundhaltung aber noch keinen Einzug gehalten. 

Das Inverted Classroom Modell (ICM) erfreut sich seit einigen Jahren großer Beliebtheit in der Hochschullehre. Beim ICM werden die Phasen der Wissensvermittlung und der individuellen Vertiefung umgedreht: Was bisher während der gemeinsamen Veranstaltungszeit präsentiert wurde, wird nun in eine vorgelagerte Selbstlernphase ausgelagert. Die Präsenzzeit zwischen Studierenden und Lehrenden wird für aktives Lernen, vertiefende Gruppenarbeitsphasen, Diskussion oder andere aktive Formate genutzt. Das ICM-Konzept wird disziplin- und veranstaltungsübergreifend in der Hochschullehre genutzt. Zahlreiche Einsatzbeispiele sind in den Tagungsbänden der jährlich stattfindenden ICM Beyond beschrieben. 

Aus Studierendensicht ist die Teilnahme an einer ICM-Veranstaltung eine Herausforderung. Für ein erfolgreiches Lernen sind insbesondere personale Kompetenzen wie Selbstmotivation, Durchhaltevermögen und  Selbstregulationskompetenz erforderlich (Pöpel & Morisse, 2019). Die Vorbereitung der Präsenztermine, also die individuelle Wissensaneignung vor dem gemeinsamen Termin mit der Lehrperson, wird oftmals nicht mit der Konsequenz durchgeführt, wie es für den idealtypischen Einsatz des ICM wünschenswert wäre. Um diesem Umstand entgegenzuwirken, wurde vom Autor ICM mit Ideen aus Scrum kombiniert (siehe auch Morisse & Heidemann, 2021).  

 

2. Scrum

Die von Sutherland und Schwaber entwickelte Scrum-Methodik (Schwaber & Sutherland, 2021) ist ein etabliertes Vorgehensmodell in der Software-Entwicklung. Scrum basiert auf dem Grundkonzept der empirischen Prozesskontrolle, mit dem basierend auf den Grundwerten Transparenz, Inspektion und Adaption iterativ die Entwicklung eines Produktes betrieben wird. Scrum definiert Rollen, Artefakte sowie Ereignisse und definiert damit einen Rahmen, in dem inkrementell an der Entwicklung eines Produktes gearbeitet wird. Die inkrementelle Arbeitsweise wird getragen durch sogenannte Sprints (Arbeitszyklen), bei denen die permanente Verbesserung sowohl des Produktes als auch der Arbeitsweise im Team im Fokus stehen. Die in einem Sprint gesammelten Erfahrungen hinsichtlich der Team-Zusammenarbeit werden in der Retrospektive kritisch beleuchtet und es werden Verbesserungen für den nächsten Arbeitszyklus entwickelt. 

Mit eduScrum (Wijnands & Stolze, 2019) oder Scrum4Schools (Gloger, n.d.) werden die Ideen von Scrum in die Lehre übertragen. Bei beiden werden die zentralen Scrum-Elemente (Rollen, Artefakte, Events) beibehalten, jedoch mit anderen Namen versehen und mit kindgerechten Werkzeugen (beispielsweise ein Planungs-Flap als zentrales Artefakt zur Steuerung des Ablaufes) verwendet. Diese Modelle werden überwiegend an Schulen eingesetzt. eduScrum wurde 2011 in den Niederlanden entwickelt und der Einsatz scheint sich langsam, aber stetig zu verbreiten (siehe Abb. 1).     

Abbildung 1: Einsatz von eduScrum in der Welt

In (Lutter, 2019) und (Sturm & Rundnagel, 2021) sind Einsätze von eduScrum in der Hochschullehre beschrieben. Zwei Aspekte erschweren den Einsatz von Scrum in der Hochschule. Einerseits die Durchführung der Daily StandUp-Meetings und andererseits die fehlende Anwesenheitspflicht. Die Daily StandUp-Meetings des Scrum-Teams sind ein wichtiges Element der Methodik, erfolgt hier in sehr enger Taktung eine Abstimmung der Arbeit innerhalb des Teams. Obwohl die eigenverantwortliche und selbstständige Arbeit des Teams eines der Handlungsparadigmen von Scrum ist, erscheint eine anfängliche Begleitung der Scrum-Teams im Bildungsbereich (Schule, Hochschule) durch die Lehrperson ratsam. Weniger im Sinne einer Kontrolle und Überwachung, sondern in beratender und ermutigender Funktion. Dies lässt sich aus organisatorischen Gründen in der Hochschule nur schwer umsetzen. In der Regel gibt es nur wöchentliche Veranstaltungstermine, so dass hier überlegt werden muss, wie man dieses Scrum-Event gestaltet. Daneben basiert Scrum auf einigen Grundhaltungen, die für eine erfolgreiche Anwendung notwendig erscheinen. Dazu zählen Commitment, Respektvoller Umgang, Mut, Offenheit und Fokus.  Hier erscheint die fehlende Anwesenheitspflicht konträr auf das Commitment einzuwirken. Dies kann sich in auseinanderbröckelnden Teams im Verlauf eines Semesters auswirken. 

 

3. Praxisbeispiel: ICM + Scrum = ICMScrum 

Für ein Grundlagen-Modul der Informatik (Algorithmen & Datenstrukturen (A+D), Pflichtmodul, zweites Fachsemester) an der Hochschule Osnabrück wurden ICM und Scrum kombiniert. Die Veranstaltung besteht aus einer Vorlesung und Praktikum (Kleingruppen). Die Inhalte des Moduls beinhalten Effiziente Algorithmen, Algorithmisches Denken, Elementare Datenstrukturen sowie das Zusammenspiel von Algorithmen und Datenstrukturen. Die behandelten Themen haben in einer zunehmend von Algorithmen durchsetzten Welt hohe berufspraktische Relevanz. In der klassischen Vorlesung werden die theoretischen Grundlagen behandelt, im zeitlich eher knapp bemessenen Praktikum werden kleinere Programmierprojekte bearbeitet. Mit Blick auf des Kompetenzmodell kommt man mit diesem traditionellen Vorgehen über den Kompetenzbereich Fachkompetenz (Wissen + Verstehen) auf Ebene der Wissensverbreiterung nicht hinaus. Weitergehende Kompetenzziele im Bereich der Fachkompetenz, Methodenkompetenz und Personale Kompetenzen werden in der Regel nicht erreicht. Der theoretische Teil wie auch der praktische Teil stellt für die Studierenden mit noch wenig Programmierkenntnissen regelmäßig eine Schwierigkeit dar. Das Modul schließt gemäß Prüfungsordnung mit einer Klausur ab. 

Die praktische Durchführung der Veranstaltung wurde in der Vergangenheit bereits mit Vorlesungsaufzeichnungen begleitet und es gibt zahlreiche sehr gute Lehrbücher zu dem Thema, so dass eine Umstellung auf das Inverted Classroom Modell bereits in früheren Semestern erfolgte. Zu beobachten war jedoch die oben aufgeführte Problematik der fehlenden oder gering ausgeprägten Selbstregulationskompetenz, die eine defizitäre Vorbereitung der Präsenztermine zur vertieften Zusammenarbeit zur Folge hatte. Aus diesem Grund wurde das ICM mit einem stützenden organisatorischen Rahmen versehen, der sich stark an die Scrum-Methodik anlehnt und in dieser Form als eine Möglichkeit der in (Fallmann & Reinthaler, 2016) und (Pöpel & Morisse, 2019) beschriebenen Scaffolding-Maßnahmen zu verstehen ist. 

Die Wirkung von Scrum kann sich nur entfalten, wenn die Arbeit in einzelne Sprints aufgeteilt wird und bei der Bearbeitung der Sprints auch die eigene Zusammenarbeit im Rahmen einer Retrospektive kritisch reflektiert wird. Zu diesem Zweck wird der gesamte Inhalt der Lehrveranstaltung in eine Anzahl von thematischen Blöcken aufgeteilt, die als Lehr- und Lerninhalte für die Lern-Sprints der Scrum-Umsetzung werden. Da Scrum in erster Linie eine Methodik für die Produktentwicklung ist, ist für jeden Themenblock ein geeignetes Produkt zu definieren. Dies ist spezifisch für das jeweilige Fach zu betrachten und muss mit Bedacht bezogen auf die angestrebten Kompetenzziele des Moduls ausgewählt werden. Im Kontext einer Informatik-Veranstaltung bietet sich hierbei natürlich die Entwicklung eines Software-Produktes an. Dies birgt jedoch die Gefahr, dass dabei die Theorie von den Studierenden vernachlässigt wird. Im Fall der eher theorielastigen Veranstaltung A+D bestand das Produkt daher sowohl aus einer 2–3-seitigen Zusammenfassung der Theorie sowie einem Programmierprojekt. Als motivationsförderndes Instrument wurde vereinbart, dass die Zusammenfassung als Hilfsmittel bei der abschließenden Klausur verwendet werden darf.  

Das Konzept von Scrum sieht die Rollen Product Owner, Scrum Master und das Scrum Team vor. Zu Beginn eines Semesters werden daher die Studierende in Lernteams eingeteilt, um die Lernsprints gemeinsam zu bearbeiten. Ganz im Sinne von Scrum bleibt die interne Organisation dabei dem Team überlassen. Bei der Bildung der Teams kann es hilfreich sein, Studierenden mit unterschiedlichen Lern-Charakteristika, beispielsweise mit hohem wie auch mit niedrigem Grad an Selbstregulation, in einem Team zu vereinen, so dass sich die Studierenden im Sinne eines Peer Learning gegenseitig unterstützen können (vgl. auch (Fallmann & Reinthaler, 2016)). Die Lehrperson gestaltet als Product Owner den inhaltlichen Rahmen der einzelnen Sprints. Eine Person aus dem Scrum-Team übernimmt zusätzlich die Rolle des Scrum-Masters, um den Ablauf im Blick zu haben. Als Scaffolding-Maßnahme kann die Lehrperson hier anfänglich unterstützend mitwirken, diese Unterstützung aber im Laufe der Bearbeitung zurücknehmen. Die Verantwortung für das erfolgreiche eigenständige Lernen geht also schrittweise auf die Studierenden über. 

Im Rahmen eines Sprints müssen die Studierenden an der Weiterentwicklung des jeweiligen Produktes arbeiten. Im Rahmen der Durchführung von A+D wurde das Semester in 3 Lernsprints von jeweils 4 Wochen Dauer aufgeteilt und die gesamten Lehrinhalte entsprechend portioniert. Für jeden Themenblock müssen die theoretischen Inhalte erarbeitet sowie eine eigenständige Zusammenfassung formuliert werden. Ergänzend dazu wurde ein Software-Produkt definiert, in dessen Rahmen die theoretischen Inhalte einfließen konnten. So hatte beispielsweise ein Sprint das Thema Sortieren zum Inhalt. Die vielschichtige Theorie hinter den unterschiedlichen Sortieralgorithmen musste erschlossen werden und die praktische Umsetzung wurde in einer Sortier-Toolbox als Software entwickelt. Der Weg zu diesen beiden Teilzielen wurde ganz im Sinne von Scrum vollständig dem Team überlassen. Wie der Themenbereich eventuell innerhalb des Teams aufgeteilt wird oder wer welche konkrete Teilaufgabe bearbeitet, wird innerhalb des Teams organisiert und im Rahmen einer anfänglichen Sprint-Planung erarbeitet. In diese Sprint-Planung fließen die Erkenntnisse aus der Retrospektive des vorhergehenden Sprints als Verbesserung der Team-Zusammenarbeit ein. Für den praktischen Teil der Sprints wurden professionelle Werkzeuge eingesetzt, die im ersten Fachsemester noch nicht behandelt wurden, für die spätere Berufspraxis aber hohe Relevanz besitzen (Entwicklungsplattform IntelliJ, Versionierungssystem GitLab, Build-Tool Gradle). Im Rahmen von eduScrum ist der Einsatz eines Planungsboard als Hilfsinstrument vorgesehen. Auf diesem Board werden alle Aufgaben zu einem Sprint nach dem Kanban-Prinzip festgehalten, aber auch Regeln für die Zusammenarbeit festgehalten oder der Fortschritt innerhalb des Lernsprints wird sichtbar gemacht.  Ein solches Board wurde auch im Rahmen der Veranstaltung A+D verwendet. 

Die Erarbeitung der theoretischen Inhalte, also des klassischen Vorlesungsstoffes, wird ganz im Sinne des Inverted Classroom anhand des bereitgestellten Materials (im Falle der Veranstaltung A+D also Video- und Textmaterial) von den Studierenden selbstständig vollzogen. Hier fließen ICM und Scrum also konkret zusammen. Um den Studierenden eine Orientierungshilfe bei der Erarbeitung der Theorie zu geben, wurden auf einer elektronischen Plattform sowohl die Inhalte gebündelt dargestellt also auch Verständnischecks (kurze, freiwillige elektronische Assessments) angeboten. Die laut Stundenplanung regelmäßigen (wöchentlichen) Lehrveranstaltungstermine werden wie beim regulären ICM genutzt, um Fragen zu klären und Möglichkeit zur Diskussion zu geben. Die Veranstaltungen können aber auch genutzt werden, um den Studierenden die Möglichkeit eines StandUp-Meetings zu bieten, um sich in ihrer Teamarbeit zu synchronisieren. Die ICM-Methodik ist also in die Scrum-Zyklen eingebettet. In Abb. 2 ist das Zusammenspiel der einzelnen Elemente im Zusammenhang dargestellt.

Abbildung 2: ICM und Scrum im Zusammenhang (eigene Darstellung)

Die Durchführung eines Reviews und einer Retrospektive schließen bei Scrum einen Sprint ab. Genau dies lässt sich auch im Hochschulkontext sehr gut als Feedback-Instrument durchführen. Das Review der theoretischen Inhalte wurde im Falle der skizzierten Veranstaltung auf der elektronischen Lernplattform als freiwilliges Assessment durchgeführt. Das Review des praktischen Anteils bestand in der Inspektion der entwickelten Software. Mit der Retrospektive wird die eigene Zusammenarbeit im Team kritisch reflektiert. Für die konkrete Durchführung gibt es vielfältige Methoden (Derby et al., 2018). Aus Sicht des Autors ist die Retrospektive eines der wichtigsten Instrumente von Scrum, bietet es doch eine sehr gute Möglichkeit zum expliziten Peer-Feedback innerhalb des Teams. 

 

4. Kritische Reflexion

Das Resultat aus der Kombination von ICM und Scrum kann noch nicht basierend auf umfassend erhobenen empirischen Daten vorgelegt werden. Generell ist die empirische Befundung didaktischer Konzepte auch nicht ganz unproblematisch (Loviscach, 2020). An dieser Stelle sollen die gesammelten Erfahrungen aus Sicht des durchführenden Lehrenden zusammengeführt werden mit den Ergebnissen der regulären Lehrveranstaltungsevaluation. 

Wie bei einem regulären ICM-Ansatz bedarf es auch bei der Kombination von ICM und Scrum einer Zusammenstellung geeigneten Lernmaterials. Im Falle der Veranstaltung A+D lagen bereits segmentierte Vorlesungsaufzeichnungen vorhergehender Semester vor. Diese wurden zusammen mit Textmaterial auf einer Lernplattform (Open edX) zusammengetragen und um formative Assessments angereichert. Letztere wurden auf freiwilliger Basis angeboten und verstanden sich als Bestandteil des Review-Schrittes im Sprint-Zyklus. Das bereitgestellte Lernmaterial soll aber als ein Angebot verstanden wissen, von dem die Studierenden Gebrauch machen können, aber nicht müssen. Die Aufgabenstellungen im Rahmen der Lernsprints sind generisch gehalten, so dass die Studierenden im Rahmen ihrer selbstständigen Bearbeitung durchaus auch auf Material anderer Autoren zurückgreifen können. 

Die selbstständige Ausgestaltung des eigenen Lernprozesses ist für die Studierenden im zweiten Fachsemester eine neue Erfahrung und zugleich Herausforderung. Die Veranstaltungen im ersten Semester sind in der Regel sehr stark instruktionsorientiert, so dass die eingesetzte und für die Studierenden neuartige Methodik intensiv kommunikativ begleitet werden muss. Der Einsatz der unterschiedlichen Tools ist eine zusätzliche Herausforderung und der Sinn und Zweck der im Zusammenspiel eingesetzten Methoden und Werkzeuge muss wiederholt deutlich gemacht werden. Wenn dieser Transfer aber gelingt, erkennen die Studierenden aber einen deutlichen Mehrwert, insbesondere auch für die Arbeit in späteren Semestern. Die intensive Zusammenarbeit der Studierenden im Rahmen der Lernsprints adressiert die in der Einleitung erwähnten personalen Kompetenzen, so dass der Methodenmix in besondere Weise fachlich wie auch personale Kompetenzen fördert. Studierenden mit anfänglichen Schwierigkeiten können durch Scaffolding-Maßnahmen auf den richtigen Weg gebracht werden bzw. können innerhalb des Teams durch Peer-Learning mitgenommen werden. 

Ein organisatorisches Problem stellt das fehlendes Commitment der Studierenden dar, wenn sie während des Semesters vorzeitig – aus welchen Gründen auch immer – das Modul beenden. Die Wirksamkeit der Methode setzt eine gewisse Team-Größe voraus. Da es im Gegensatz zum Einsatz in der Schule keine Verpflichtung gibt, kann man hier nur flexibel reagieren und gegebenenfalls Teams neu zusammenstellen.  

Die Veranstaltung wurde sowohl im Rahmen der üblichen Lehrevaluation von den Studierenden beurteilt. Zum Veranstaltungsende wurde aber auch ein Retrospektive gemeinsam mit den Studierenden durchgeführt. Das Votum der teilnehmenden Studierenden war sehr wohlwollend und ausgesprochen positiv. Gelobt wurden die hervorragende Organisation und die Abstimmung zwischen dem Theorie- und dem Praxisteil der Veranstaltung. Da der Lehrende die freigewordene Zeit während des regulären Vorlesungstermins in den individuellen Lernsupport investieren konnte, haben die Studierenden eine sehr gute Betreuung wahrgenommen und dies auch entsprechend zurückgespiegelt.  

Ein besonderes Augenmerk verdient auch der kommunikative Stil zwischen Lehrenden und Studierenden. Bei einem Veranstaltungskonzept, welches getragen wird von der Interaktion und der Diskussion, kommt einer empathischen und wertschätzenden Kommunikation eine besondere Bedeutung zu. Wenn der Lehrende den Rollenwandel vom Wissensvermittler zum Lernbegleiter vollzieht, ist eine offene und wertschätzende Kommunikationskultur unabdingbare Voraussetzung. Beide Seiten – Studierende wie auch Lehrende – sollten sich also immer wieder die erforderlichen Grundhaltungen für den gelingenden Einsatz von Scrum (s.o.) in Erinnerung rufen. Das dies in der vorgestellten Veranstaltung scheinbar gelungen ist, zeigt das Zitat eines der teilnehmenden Studierenden „Ich freue mich immer auf die Review-Termine“. Zur Erinnerung: Das Review ist der Termin zur Vorstellung des erreichten Ergebnisses, also eher ein Prüfungs-Setting, bei dem Studierende ihre Arbeit präsentieren. Weitere positive Resonanzmerkmale durch die Studierenden waren die hoffnungsvollen Fragen, ob denn die Veranstaltungen im kommenden Semester auch nach ICMScrum organisiert sind.

Literatur
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In dieser Reihe zum University:Future Festival 2021 veröffentlichen wir eine Auswahl der Festivalbeiträge als Artikel, die Sie auch gesammelt in einem Dossier finden. Die Autor:innen haben hierfür Ihre Vorträge noch einmal schriftlich festgehalten. Weitere Vorträge und Talks finden Sie auch auf YouTube. 

Mit über 250 Veranstaltungen, 500 Speaker:innen und 3.850 Teilnehmer:innen fand das University:Future Festival 2021 vom 02.–04.11.2021 unter dem Titel „Open for Discussion“ statt. Hier finden Sie weitere Infos zum Festival.

 

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