Eine (inter-)nationale Plattform für die Hochschullehre? 10 Kommentare zu den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie

Eine (inter-)nationale Plattform für die Hochschullehre? 10 Kommentare zu den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie

06.06.18

Digital denken. Foto: [https://unsplash.com/photos/OqtafYT5kTw Ilya Pavlov]

Im Auftrag des Hochschulforums Digitalisierung (HFD) haben das mmb Institut und NEOCOSMO in den vergangenen sechs Monaten eine Machbarkeitsstudie für eine (inter-)nationale Plattform für die Hochschullehre durchgeführt. Wir haben Expertinnen und Experten des HFD nach Ihrer Perspektive und Anregungen zu den Ergebnissen der Studie gefragt.

Die Beiträge spiegeln die individuelle Sicht der Autorinnen und Autoren und nicht notwendigerweise die des HFD wider. Mehrere Kommentare beziehen sich auf die in der Studie entwickelten, möglichen Umsetzungsvarianten einer (inter-)nationalen Plattform: Variante A (“Bundesweites Portal mit vernetzten Plattformservices”) beschreibt ein Modell, das primär auf die interoperable Vernetzung bestehender Online-Studienangebote, Plattformen und Lösungen abzielt und dies mit zusätzlichen Services rund um das digitale Studieren verbindet. Variante B (“Stand Alone Themenportal mit integrierter Bildungsplattform”) fokussiert im Gegensatz zu dem Vernetzungskonzept auf ein nicht-inklusives alleinstehendes Portal, welches ein begrenztes, aber qualitativ hochwertiges Portfolio an digitalen Bildungsangeboten mit einer kohärenten User-Experience verbindet.

Darüber hinaus finden Sie hier einen Beitrag aus internationaler Perspektive: Darco Jansen von der European Association of Distance Teaching Universities diskutiert die Ergebnisse der Studie ausführlich in englischer Sprache.

Ulrich Schmid, Geschäftsführer des mmb Instituts und Co-Autor der vorliegenden Studie, kommentiert die Untersuchungsergebnisse im Blog der Bertelsmann Stiftung unter dem Titel „Studium digital: Brauchen wir eine nationale Hochschulplattform für Lehre und Weiterbildung?„.

 

1 – Jetzt brauchen wir auch den Mut, die Plattform rasch umzusetzen, hoch zu skalieren und digitale Transformation in die Breite zu bringen

Veränderungsprozess. Foto: [https://unsplash.com/photos/mG28olYFgHI Ross Findon]

„Nur sich nicht in Teilprobleme verstricken, sondern immer dort hinaus flüchten, wo man freien Überblick über das ganze eine große Problem hat, wenn auch dieser Überblick noch unklar ist!“ (Ludwig Wittgenstein, Tagebücher 1914-16)

Welche Schlüsse ziehe ich aus der Machbarkeitsstudie?

Eine Plattform zur Bündelung hochschulübergreifenden digitalen Lernens an Hochschulen ist machbar, sinnvoll und aus meiner Sicht auch notwendig, um in Deutschland digitale Innovation in der Hochschulbildung international anschlussfähig zu befördern – wenn sie denn die in der Studie genannten Skaleneffekte erreicht: 1.6 Mio Lernende in 2025, im Schnitt deutlich mehr als 1.500 Lernende in den knapp 500 Kursen. Das sind ambitionierte, aber nicht unerreichbare Ziele.

Wer auch immer die Plattform betreibt, muss das unternehmerische Risiko für diese Skalierung übernehmen, dann ist sie ihre Finanzierung auch wert. Die verbindliche Abhängigkeit der Finanzierung vom Erreichen der Nutzungszahlen ist aus meiner Sicht ein entscheidendes Instrument für den Erfolg.

Die Plattform ist eine Implementierungsaufgabe, kein Forschungsprojekt. Sie wird nur in agilen Prozessen erfolgreich sein können. Konsequente Orientierung an Nutzbarkeit und Mehrwert für die Lernenden (aus der Perspektive der Lernenden gesehen) muss vorrangig sein. Das geht nur bei einem raschen Beginn des Echtbetriebs, der erst die Grundlage für die kontinuierliche Weiterentwicklung bildet.

Das Ergebnis der Studie sollte deshalb kein weiterer Diskurs sein, sondern ein zügiger Beginn der Umsetzung. Dazu sind schnell und entschieden die erforderlichen administrativen und finanziellen Voraussetzungen zu schaffen. Hierzu leistet die Studie ganz wesentliche Beiträge. Wir brauchen jetzt die Mutigen, die sich das trauen.

„Machen ist wie wollen, nur krasser“ (Unbekannt)

Prof. Dr.-Ing. Rolf Granow, Geschäftsführer der oncampus GmbH

 

2 – Mut zur Innovation

Den Schritt gehen. Foto: [https://unsplash.com/photos/Zdf3zn5XXtU Sammie Vasquez]

Eine Herausforderung für Studien dieser Art ist die Tendenz, es allen Recht machen zu müssen. So auch hier. Variante A ist auf die existierenden Interessen der Hochschulen ausgerichtet. Variante B ist eine Kopie des international etablierten MOOC Modells. Das ist beides nicht schlecht, aber was fehlt, ist ein wirklich interessanter neuer Ansatz, welcher das Potential einer deutsch-europäischen Plattform vordenkt.

Das ist schade und gefährlich. Denn das größere Risiko ist nicht etwas vorzuschlagen, was auf Widerspruch stößt, sondern eine Plattform zu entwickeln, die nicht genutzt wird. Die im internationalen Vergleich irrelevant ist. Diese Gefahr besteht bei den vorliegenden Szenarien.

Wo liegt das wahre Potential einer deutschen Plattform? Erstens, und dies ist in den Aussagen der Studierenden klar zu hören, sollte man die Anrechnung von Kursangeboten verschiedener Hochschulen besser integrieren. ECTS nicht nur theoretisch, sondern praktisch zur Realität zu machen, wäre eine enorme Hochschulinnovation und würde Europa einen Standortvorteil vor anderen Ländern und Regionen verschaffen. Die zweite Chance besteht darin, das Digitale besser mit dem Campuslernen zu verbinden, und so die Rolle des Lernraums Hochschule zu stärken.

Doch zu stark bleibt die Orientierung am Ist-Zustand. Was heute Realität ist, sollte man nicht überbewerten. Dazu verändert sich die digitale Bildungswelt zu schnell. Vor 10 Jahren gab es noch kein iPhone. Heute werden pro Tag schon über 1 Milliarde Lernvideos geguckt. Prognosen zu Nutzerzahlen über die nächsten 6 Jahre können – trotz solider Arbeit der Autoren – nur Spekulation sein.

Deshalb sollte man jetzt von langen Diskussionen über die Details der vorgeschlagenen Varianten und von weiteren Studien absehen, sondern anfangen, Prototypen zu entwickeln und ruhig in ein paar alternative Modelle investieren. Dynamik ist gefragt und wenn Projekte klein und fokussiert beginnen, können sie schneller lernen und verbessert werden. Das generiert Innovation. Wenn Finanzierungsmodelle an klar definierte Wachstumsziele gebunden werden, kann auf diese Art relevante Erfahrung gesammelt werden, ohne das Risiko eine Riesenplattform zu entwickeln, die dann nicht genutzt wird.

Philipp Schmidt, MIT Media Lab – weitere Beiträge des Autors finden Sie hier.

 

3 – Plädoyer für eine offene Bildungsarchitektur

Zunächst fällt beim Lesen der Studie auf, dass bis zum Schluss unklar bleibt, was unter Digitalisierung in der Bildung grundlegend verstanden wird und welche Potenziale bzw. Ziele Hochschulen damit verfolgen. Das wiederum spiegelt sich auch bei den strategischen Zielsetzungen für die nationale Plattform wieder.Raum für Experimente lassen. Foto: [https://unsplash.com/photos/OO89_95aUC0 Markus Spiske] Durch den starken Fokus auf MOOCs innerhalb der Ist-Analyse wird der Anschein erweckt, dass die nationale Plattform strategisch darauf ausgerichtet ist, die Profilierung deutscher Hochschulen durch die Bereitstellung von Online-Kursen (MOOCs oder andere) auf eben dieser Plattform zu fördern. Was fehlt ist die Auseinandersetzung damit, wie z. B. das grundständige oder weiterbildende Studium digital unterstützt werden kann, wie diese Lernprozesse offener, flexibler und lernendenzentrierter zu gestalten sind und wie der kulturelle Wandel in der Hochschullehre weiter gefördert werden kann. Die Freiheit, sich mit zukünftigen Potenzialen des Digitalen auseinanderzusetzen, ist nicht abgebildet. Lernen wird sich auch in Zukunft weiter verändern, doch wo sind Experimentierfelder für Hochschulen abgebildet, die ein Experimentieren und ein Evaluieren neuer digitaler Tools erlauben? Die diskutierten Plattformvarianten schöpfen aus unserer Sicht nur einen Teil der Potenziale aus, die das offene Lernen in digitalen Zeiten bereithält. Diese Innovationsräume sollten einen substantiellen Anteil der Gestaltung einer offenen Bildungsarchitektur ausmachen, was zum Beispiel die Vernetzung dezentraler Lerninfrastrukturen bedeuten kann. Nur so kann sichergestellt werden, dass Hochschulen a) in ihren eigenen Kontexten die Potenziale der Digitalisierung erkennen und ausschöpfen und b) in die Lage versetzt werden, auch zukünftig auf Anforderungen der verschiedenen Lernenden reagieren zu können. Das bedeutet auch, dass es neben der Darstellung und Zusammenstellung eines Status Quo um die Gestaltung des Prozesses für die Entwicklung und vor allem auch für die Weiterentwicklung der ggf. zu etablierenden nationalen Plattform gehen sollte.

Dr. Tina Ladwig, Projektleitung Hamburg Open Online University, Technische Universität Hamburg – weitere Beiträge der Autorin finden Sie hier.

Dr. Marc Göcks, Geschäftsführer und Projektleiter eCampus

Die Autor(innen) haben Ihre Perspektive auf die Ergebnisse der Studie einer ausführlichen Stellungnahme weiter ausgeführt.

 

4 – Die eierlegende Wollmilchsau?!?

Ein neuer Kurs. Foto: [https://unsplash.com/photos/Esq0ovRY-Zs Maximilian Weisbecker]

Chapeau! Meinen Glückwunsch zur Machbarkeitsstudie, bringt sie doch hoffentlich den Diskurs zu einer deutschlandweiten Plattform endlich voran.

Die Erwartungshaltung zur Studie war groß, die eierlegende Wollmilchsau steht schnell im Raum, die Zeit war aber knapp, die Ressourcen begrenzt, das Thema komplex, die Stakeholder vielfältig und der eigentliche Arbeitsauftrag sicherlich iterativ dynamisch fließend.

Die Bedarfe der verschiedenen Nutzergruppen wurden aufbauend auf einer IST-Analyse und einer Priorisierung der Handlungsfelder im Rahmen von Stakeholder-Workshops eruiert und in konkrete Gestaltungsvarianten transformiert. Das Portfolio an benötigten Dienstleistungen und die erarbeiteten Plattformvarianten werden anhand von Designstudien eindrucksvoll ausgeführt, bewertet und in ein Hybrid-Modell überführt.

Stellenweise hätte ich mir noch mutigere Ideen oder auch konkretere Ausführungen gewünscht, seien es die sehr knapp umrissenen rechtlichen Fragestellungen oder in Bezug auf neue Betreibermodelle im Zusammenhang der EU-DSGVO (die Einschränkung auf den Europäischen Wirtschaftsraum ist weggefallen) und unserem Verständnis der informationellen Selbstbestimmung. Auch teile ich nicht alle Einschätzungen, es liegt aber in der Natur der Sache, dass eine Studie auch Fragen aufwirft, welche erst im Rahmen einer Umsetzung pragmatisch angegangen werden können. Dazu gehören auch die Möglichkeiten der Incentivierung der Content-Erstellung und Abgrenzungen bzgl. Beihilferecht.

Wir sollten keine Angst vor verpassten Trends entwickeln, sondern mutig und kreativ die aktuellen Chancen der Digitalisierung im Zusammenspiel mit den Finessen des deutschen Föderalismus nutzen und die Reichweite der in Deutschland vielerorts hochqualitativen und engagierten Lehre erweitern!

Dr. Hans Pongratz, Technische Universität München – weitere Beiträge des Autors finden Sie hier.

 

5 – Nicht-technische Probleme des Software Engineering

Abb. 16 - Machbarkeitsstudie

Eine nationale Plattform für die Hochschullehre ist komplex, ein Musterfall für das Software Engineering. Die harten technischen Probleme scheinen seit der Einführung von ILIAS vor 20 Jahren gelöst, aber die weichen Probleme haben es in sich. Insbesondere: Auf genau welche Frage lautet die Antwort „eine nationale Plattform“? Und dies ist nur die erste von vielen Fragen, auf die man ebenso konkrete wie ehrliche Antworten finden und festzurren muss. Vorgeplante Digitalisierung verlangt, das bisher Diffuse festzunageln, um es sinnvoll technisch zu unterstützen oder zu ersetzen.

Bislang, wo das meiste dezentral im Unscharfen und Unverbindlichen geblieben ist, musste man nicht ausfechten, ob es eher um Bildung geht oder eher um Humankapital, um internationale Sichtbarkeit oder um das Glücksgefühl, das aufkommt, wenn eine Handvoll Studierender Verständnisfragen zur Newtonschen Mechanik beantworten kann. Vor allem die Wünsche der Studierenden – oder anderen End-Nutzenden einer solchen Plattform – dürften divers sein: Geht es etwa um schnelle Hilfe bei einer Hausaufgabe oder bei einem praktischen Problem, geht es darum, sich in ein Thema einzuarbeiten, oder geht es um ein anrechenbares Zertifikat? Umfragen und Fokusgruppen sind hier notorisch unzuverlässig.

Die Autorinnen und Autoren setzen auf Agilität. Aber ist man bei einem Multi-Millionen-Euro-Projekt bereit, in grundlegenden Fragen umzulenken? Oder wird zwangsläufig der Status quo festzementiert: Kurse, Vorlesungen, Tests und Zertifikate, Lehrende und Belehrte? Insofern ist die Variante „B“ weniger risikoreich, könnte aber genau zu dem führen, was Abb. 16 (ungewollt?) zeigt: Die „üblichen Verdächtigen“ aus dem Kreis der Hochschulen sind dabei; die meisten anderen fehlen, weil sie den Reputationswettbewerb nur verlieren können.

Prof. Dr. Jörn Loviscach, Professor für Ingenieurmathematik und technische Informatik, Fachhochschule Bielefeld – weitere Beiträge des Autors finden Sie hier.

 

6 – Bildung ist kein Consumer Product

Wissensdurst. Foto: [https://unsplash.com/photos/L0o1RfQuPUY Danka & Peter]

Der MOOC-Hype liegt nun sechs Jahre zurück, der Rauch lichtet sich und es zeichnen sich sanfte Konturen darüber ab, was digitale Hochschulbildung sein kann. Oder sollte man sagen, sein muss? Denn mit der Machbarkeitsstudie für eine (inter-)nationale Plattform für die Hochschullehre, beauftragt durch das Hochschulforum Digitalisierung (HFD), soll nicht nur eine Bestandsaufnahme vorgelegt werden, sondern sie ist auch Ausdruck eines politischen Gestaltungswillens.

Dieser folgt einem technozentrischen Narrativ, der sich am Leitbild der Plattform aufhängt. Plattformen sind nun so ubiquitär für unser Leben geworden, dass auch die Bildung danach umprogrammiert werden sollte. Bildung ist aber, darauf gehen die Autoren leider kaum ein, kein Consumer Product, das man managen und dadurch ständig optimieren kann, sondern eine Idee, die zutiefst mit dem verbunden ist, was uns Menschen ausmacht. Das galt zu Zeiten von Humboldt und gilt auch heute, im Zeitalter der Digitalisierung.

PD Dr. Markus Deimann, Fachhochschule Lübeck – weitere Beiträge des Autors finden Sie hier.

 

7 – Virtualisierung ≠ Digitalisierung

Digital denken. Foto: [https://unsplash.com/photos/OqtafYT5kTw Ilya Pavlov]

Ist es das Ziel, bestehende Systeme der Hochschullehre digital abzubilden, zu virtualisieren und zu verstetigen? Ist das der Auftrag? Ist das Digitale Abbildung dessen, was aus dem Analogen bereits bekannt ist?

Im Lastenheft der Plattform steht Innovationsförderung, während die weiteren Anforderungen das Spektrum der zu erwartenden Innovationen vorgeben: Online Kurse, die auch hochschulübergreifend belegt werden, das Anbieten von Pflichtkursen, Learning Analytics. Das eigentlich neue der Digitalisierung, gerade in Kombination mit einer Öffnung, wird weitestgehend ignoriert. Zwischen Offenheit und Nachfrageorientierung wird ein Trade-Off gesehen obwohl das Gegenteil vorstellbar ist, insbesondere wenn über Prozesse und weniger über Produkte nachgedacht würde.

Christian Friedrich, Selbstständiger Berater – weitere Beiträge des Autors finden Sie hier.

 

Markus Deimann und Christian Friedrich (Autoren der Kommentare 6 und 7) haben in ihrem Podcast ausführlicher zu den Ergebnissen der Studie Stellung genommen. Zur Unterscheidung von Virtualisierung und Digitalisierung hier der Schlussteil ihres Talks bei der re:publica 2018. Beide Autoren waren oder sind Auftragnehmer des Hochschulforum Digitalisierung.

 

8 – Innovative Serviceplattform für Online-Lehre in den Mittelpunkt stellen

Netzwerk. Foto: [https://pixabay.com/de/form-zusammenfassung-hintergrund-2622299/ Manuchi]

Die Machbarkeitsstudie des HFD bestätigt, dass die deutschen Hochschulen beim Angebot offener Online-Kurse international wenig Gewicht besitzen. Der Vorschlag einer gemeinsamen nationalen Plattform bietet nach meiner Ansicht dann eine Chance, wenn es gelingt die deutschen Hochschulen breit zu beteiligen.

Grundsätzlich finde ich die Kombination von curricular in die Lehre eingebundenen, offenen und auf den Weiterbildungssektor ausgerichteten Angeboten erfolgversprechend – da von der Nachfrageseite aus gedacht.

Skeptisch sehe ich aber die aktuell vorgeschlagene Interoperabilität der Plattformen. Nach meiner Ansicht ist die Komplexität der Verknüpfung verschiedener Plattformen kaum zu unterschätzen und löst die grundlegende Frage nach den angebotenen Inhalten dennoch nicht.

Im Analyseteil wird herausgearbeitet, dass aktuell an den Hochschulen nur wenige Online-Kurse angeboten werden, der Aufwand für die Erstellung von Online-Inhalten hoch ist und bei den Studierenden insbesondere der Bedarf an Micro-Inhalten hoch ist. Auch sprechen die Autoren von der Bedeutung der User Experience und variablen didaktischen Ansätzen.

Als Vorschlag möchte ich daher zur Diskussion stellen, ob nicht zunächst eine Umkehrung des Verknüpfungsprinzips sinnvoll ist, indem man den Gedanken einer Serviceplattform für Online-Lehre stärker in den Mittelpunkt rückt. Mit dem Schwerpunkt auf innovative Didaktik und hervorragende unterstützende Werkzeuge können Inhalte von Micro-Learning-Einheiten bis hin zu kompletten Kursangeboten auf der zentralen Plattform entstehen. Die Einbindung der Inhalte in die universitären Plattformen kann über ein Standardinterface erfolgen (wie LTI) so dass für die Lehrenden kein Mehraufwand entsteht. Die Autoren können auf der Plattform festlegen, ob und für welchen Kreis sie ihre Inhalte auf der zentralen Plattform oder zur Einbindung in andere Systeme freigeben wollen.

Viele engagierte Lehrende suchen nach neuen Ansätzen für die Online-Lehre, welche die aktuellen großen LMS oft nur ungenügend oder verspätet bieten. Diese Lücke könnte eine neue nationale Plattform nutzen.

Dr. Dirk Lanwert, E-Learning-Koordinator an der Georg-August-Universität Göttingen

 

9 – C is the Key! Kollaboration als Schlüssel zur transnationalen Technik- und Bildungsgestaltung

Der Vorschlag der Studie, beide Gestaltungsvarianten zu kombinieren und das Vorhaben mit dem deutlichem Schwerpunkt auf Austausch, Kooperation und Interoperabilität zu veranschlagen ist grundsätzlich zu begrüßen. Eine Orientierungshilfe für weitergehende Diskussionen kann der Begriff der Integrationstiefe sein.Zusammenarbeit. Foto: [https://unsplash.com/photos/PhD_YRuJXCM Danielle MacInnes] Denn er gibt an, wie tief ICT tools in den technischen Infrastrukturen verankert und welche Kollaborationsleistungen dafür erbracht werden (müssen). Das gleiche gilt für die Frage, wie weit thematisch organisierte und über die Plattform distribuierte Lernangebote in die lokalen Curricula der Bildungseinrichtungen hineinreichen (können). Schließlich geht es darum, die politische Richtung zu weisen, wie der nationale Container verlassen und stattdessen transnationale Kollaboration von Institutionen, Lehrenden und Lernenden befördert werden sollen. Hierfür ist es notwendig herauszufinden, wie tief diese Idee der kollaborativen Technik- und Inhaltsentwicklung und damit der vergemeinschafteten Lösung von gemeinsamen Problemen in den Köpfen der Beteiligten verwurzelt ist. Die Bestimmung der Integrationstiefe beantwortet die Frage nach der Kollaborationsleistung.

Alexander Knoth, Universität Potsdam

Der Autor hat seine Perspektive auf die Ergebnisse der Studie einer ausführlichen Stellungnahme weiter ausgeführt.

 

10 – Digitale Öffnung von Hochschulbildung statt “nur” Weiterbildung

Treten Sie ein. Foto: [https://unsplash.com/photos/mcjvw2570iA James Sutton]

Insgesamt wird in der Studie, die Lebenslanges Lernen zu eng mit Weiterbildung gleichsetzt, der Aspekt der Studienorientierung und -vorbereitung zu wenig beleuchtet. Gerade hier sehe ich jedoch ein großes Potential und ein zentrales Argument für eine (inter-)nationale Plattform zur Öffnung von Hochschulbildung, die auch Akzeptanz bei Hochschulen in der Breite findet. Sie könnte etwa bereits Schüler/-innen die Gelegenheit bieten, Einblick in die Angebote von Hochschulen fernab ihrer Heimatstadt zu erhalten und so eine informierte Studienwahl zu treffen. Ähnliches gilt für internationale Studienbewerber/-innen. Ihnen sollte, in Verbindung mit dem „Marketing-Interesse“ der Hochschulen, eine erfahrungsorientierte Studienwahl und -vorbereitung digital ermöglicht werden, bevor die „analoge Mobilität“ stattfindet, um so ihren späteren Studienerfolg im deutschen Hochschulsystem zu unterstützen.

In meiner Arbeit mit Geflüchteten habe ich auch für bisher benachteiligte Zielgruppen die Erfahrung gemacht, dass diesen vor allem hochwertige und flexible Angebote zur Studienorientierung und -vorbereitung fehlen. MOOCs, die bei Kiron von Geflüchteten belegt wurden, dienten insbesondere dem Einstieg in einen Fachbereich und dem „Erproben“, ob ein bestimmtes Fachstudium den eigenen Erwartungen entspricht. Darüber hinaus konnten sie von Geflüchteten mit akademischen Grad zur Wiederholung genutzt werden. Auch anderen Zielgruppen könnten digitale Vorbereitungskurse im Sinne eines „digitalen Studienkollegs“ (oder Einführungskurse, die an den meisten Hochschulen annähernd gleiche Inhalte haben) einen der eigenen Lerngeschwindigkeit und den eigenen Bedarfen besser gerecht werdenden Studieneinstieg ermöglichen. Im Idealfall erleichtern erfolgreich abgeschlossene Onlinekurse dann auch die Zulassung an einer Hochschule.

Zum Betreibermodell bin ich aus meiner Erfahrung in der Zusammenarbeit eines innovativen Start-ups mit renommierten Hochschulen (v. a. über INTEGRAL² und INTEGRAL+) davon überzeugt, dass auch für eine (inter-)nationale Bildungsplattform ein vielfältiges Konsortium das größte Potential hat, digitale Innovation nachhaltig mit Reichweite und Wirksamkeit zu verbinden.

Dr. Renata Suter, Head of Research, Kiron Open Higher Education gGmbH – einen weiteren Beitrag der Autorin finden Sie hier.

 

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