École 42 – Schule der Zukunft?

École 42 – Schule der Zukunft?

30.11.16

Arbeitsrum der école 42

ComputerraumEin Schritt durch die sich automatisch öffnenden Glastüren und uns erwartete eine futuristische Schule, die fast schon gefühlt einen Hauch vom 22. Jahrhundert mit sich bringt: Stylische Sitzecken, mit moderner Kunst überzogener Stahlbeton und ein Feld von iMacs soweit das Auge reicht…

Im Rahmen unseres Bildungsprojektes nahmen wir an der elig-Konferenz teil. Am darauffolgenden Tag war auch eine Exkursion an die Ècole 42 eingeplant. Selbst für uns – als Informationsträger in Sachen digitaler Bildung – war diese Einrichtung etwas völlig Neues. Dort angekommen erwartete uns das bereits erwähnte befremdliche und faszinierende Bild. Unsere Verwunderung beim Anblick dieser Schule ließ sich aber auch durch unsere Unwissenheit zur Einrichtung und den dort praktizierten Lernmethoden erklären. Dies sollte ein Schüler ändern, der uns die Einrichtung mit ihrem Konzept präsentierte.

Bei der Ècole 42 handelt es sich um eine private Non-Profit-Schule, die vom französischen Milliardär und Internet-Pionier Xavier Niel ins Leben gerufen wurde. Diese besetzt keine Tutoren, Professoren oder sonstige Lehrämter im normaler Sinne, sondern unterrichtet primär durch Peer-to-Peer-Lernkonzepte. Folglich erhalten die Studierenden für ihre Leistungen auch keine Noten. Unterrichtet werden Personen im Alter von 18 bis 30 Jahren. Der Bildungsschwerpunkt liegt im Programmieren.

Im Allgemeinen kann man sagen, dass diese Schule dem konventionellen französischen Schulsystem ein wenig widerstreben möchte. Dieses fand seine Ursprünge in der Vorbereitung für das Militär und ließ somit wenig Möglichkeiten für individuelles und kreatives Lernen: Werte wie Gehorsamkeit und Disziplin und Respekt prägten den Schulalltag der jungen Schülerinnen und Schüler. Die Diskrepanz zwischen dem klassischen Schulkonzept und dem der Ècole 42 hat dementsprechend bei ihrer Eröffnung polarisiert.

Learning by doing! Selbstständig Lösungen für Probleme finden und entwickeln!

Es ist unumstritten, dass Aspekte wie Individualität und Kreativität in der sich schnell wandelnden IT-Welt von außerordentlich hoher Bedeutung sind. Ohne kreatives Arbeiten, der Möglichkeit, eigenen Denkweise freien Lauf zu lassen sowie dem Drang, neue Wege zu gehen, schafft man nur schwerlich Durchbrüche und kann sich vor allem umso schwerer an einen flexiblen Markt anpassen. Unseres Erachtens muss die Bildung im Angesicht einer immer komplexeren Welt dynamischer und realitätsnäher gestaltet werden – die Ècole 42 ist hierfür ein herausragender Leuchtturm, der über ganz Frankreich strahlt.

Zusätzlich fördert das Peer-to-Peer-Lernkonzept auch soziale Schnittstellen beim Arbeiten, welche bis dato im normalen Schulsystem vernachlässigt werden. Auf einmal sind die Lernenden gleichzeitig auch die Lehrer. Bei Fragen direkt Antworten erhalten? Fehlanzeige! Vielmehr kommunizieren die Schüler untereinander und erarbeiten sich ihren Stoff so gemeinsam. Durch die Ablehnung von Konventionen benötigt man auch keinen Abschluss, um für eine Ausbildung angenommen zu werden. Für einen so spezifischen Bildungsweg finden wir diesen Ansatz deshalb so interessant, weil somit Leuten mit Inselbegabungen ein komplett neues Spektrum an Chancen gegeben werden kann. Außerdem hat die Schule 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche geöffnet. Die Schüler können – beziehungsweise müssen – sich ihre Arbeitszeiten also selber einteilen, was ihnen ermöglicht, auch während ihrer persönlichen Konzentrationshochphasen außerhalb der gewöhnlichen Schulzeit am „Unterricht“ teilhaben zu können. Wer möchte, kann sogar in der Einrichtung wohnen.  Durch diese Art von Schulalltag fällt es vielen Schülern leichter, den Unterricht nicht mehr als aufgezwungen anzusehen – und kann so besser Gefallen daran finden. Dies führt zu positiven Lerneffekte für die Schülerinnen und Schüler. Die Grenzen zwischen Alltag und Bildung werden immer schwammiger und das Gefühl des „Schulbank drücken“ verschwindet.

Die derzeitigen Bildungssysteme machen den Schülerinnen und Schüler manchmal Angst und vermitteln oftmals das Gefühl, dass die Lerninhalte eingetrichtert werden. Dass Bildung individuell und wirklich interaktiv ist, hört man in den wenigsten Fällen. 

Braucht der Mark Zuckerberg von Morgen eine Schule mit den Attributen Facebooks?

Interessanterweise sahen wir bei der Ècole 42 eine Menge Parallelen zur Arbeit erfolgreicher internationaler Konzerne wie Google oder Facebook. Auch dort lassen sich ungeregelte Arbeitszeiten und ein offenes Arbeitsklima wiederfinden. Liegt darin also der Schlüssel zum Erfolg? Gut möglich – für die Ècole 42 scheint das Prinzip zu funktionieren. Dies spiegelt sich nicht nur in den Bewerberzahlen wieder, sondern auch in der Tatsache, dass ausgebildete Schulabgänger der Einrichtung förmlich entrissen werden. Xaviers Ziel – den Steve, Bill, Sergey oder Mark von Morgen auszubilden – scheint also durchaus realistisch zu sein.

Ist die Schule somit die Antwort auf alle Fragen des Bildungssystems? Nein, auf keinen Fall!

Durch das Fehlen konventioneller Lehrämter kann dem Schüler eine Art Mentor oder Wegweiser beim Lernen fehlen. Des Weiteren besteht natürlich durch die Peer-to-Peer-Methode auch die Gefahr, dass sich Fehler unter den Lernenden schneller und teilweise unkontrolliert etablieren. Eine andere Gefahr ist die Möglichkeit, ohne oder mit schlechtem Abschluss an der Schule aufgenommen zu werden. Dabei handelt es sich nicht um eine Gefahr für den Schüler, sondern eher für die späteren Arbeitgeber. Es stellt sich die Frage, ob es Sinn macht, einen großartigen IT-Spezialisten einzustellen, wenn er zum Beispiel im Bereich der Allgemeinbildung eher unterqualifiziert ist. Diese Fragen erscheinen jedoch schon fast nichtig, wenn man Sie mit den Vorteilen und dem Potential der Schule in Relation setzt.

Was halten nun wir davon?

Für uns war die Denkweise der Ècole 42 äußerst interessant, da wir mit unserem Projekt einen ähnlichen Input in das gegenwärtige Bildungssystem bringen möchten. Mehr Individualität, Kreativität, und vor allem Interaktivität. Unsere persönlichen Ansichten stimmen zu großen Teilen mit denen der „42“ überein. Bildung geht weit über das Auswendiglernen und Wiedergeben hinaus. Da viele Schulen die Förderung des Reflexionsvermögens sowie des teamorientierten und kreativen Arbeitens vernachlässigen, werden diese Fähigkeiten in den meisten Fällen nicht trainiert. Deshalb halten wir den Ansatz der Ècole 42 für ziemlich genial. In unseren Augen sind die Impulse, die sie bietet, für die aktuelle Bildungslandschaft essentiell.

Wir wünschen uns mehr solche Schulen, die nicht mehr an den alten und antiquierten Leitmotiven einer konventionellen Schule festhalten, sondern auch neue Dinge ausprobieren und somit den Schülerinnen und Schülern eine ganz neue Art von Bildung präsentieren. Jedoch muss man auch sagen, dass diese Art des Unterrichts in staatlichen Bildungseinrichtungen vermutlich nur sehr schwer umzusetzen ist.

Die Ècole 42 ist eine innovationsträchtige Schule mit interessanten Ansätzen und ist in vielen Bereichen vermutlich auch Vorreiter. Was man hiervon in unser staatliches Schul- und Bildungssystem übertragen könnte, muss jedoch unsere Politik abwägen.

Und falls sie sich am Ende des Artikels immer noch wundern, ob der Name der Schule eine Anspielung auf den Roman „Per Anhalter durch die Galaxis“ ist, können wir Ihre Annahme bestätigen. 42: Die Antwort auf alles.

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