Digitalisierung nicht auf die leichte Schulter nehmen: Hochschulplanung braucht Leadership und Kommunikation – Ein Interview mit mit Prof. Dr. Ulf-Daniel Ehlers

Digitalisierung nicht auf die leichte Schulter nehmen: Hochschulplanung braucht Leadership und Kommunikation – Ein Interview mit mit Prof. Dr. Ulf-Daniel Ehlers

24.09.18

Kompass

Dieser Blogbeitrag erscheint in unserer Serie von Beiträgen in Vorbereitung auf die Strategiekonferenz während der Themenwoche „Shaping the Digital Turn“. Er wurde zuerst bei Digitalisierung der Bildung veröffentlicht. Das Interview führte Dr. Lutz Goertz vom mmb Institut.

Dieser Beitrag zur Strategiekonferenz am 24.09.2018 befasst sich mit dem Workshop-Thema von Prof. Dr. Ulf Ehlers „Kommunikationsprozesse & Digital Leadership Skills“. Im Interview schildert der Professor für Bildungsmanagement und Lebenslanges Lernen von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Karlsruhe, was sich in den Köpfen von Hochschulverantwortlichen ändern sollte, wenn sie Maßnahmen zur Digitalisierung ihrer Hochschule einführen wollen

Kompass

INT: Die Anforderungen an Führungskräfte der Hochschulen haben sich in den letzten Jahren geändert, welche Softskills müssen denn in einer Stellenbeschreibung für künftige Hochschulführungskräfte stehen?

ULF EHLERS: Das Feld der Digitalisierung ist für Hochschulen ein ganz neues Feld und es ist nicht möglich, auf Erfahrungen zurückzugreifen. Ich glaube, dass die meisten Verantwortlichen in der Hochschulverwaltung die entsprechenden Softskills besitzen, also z.B. um die Digitalisierung voranzubringen. Dennoch gibt es neue Herausforderungen, die sich nicht einfach bewältigen lassen: Wenn man ein neues Gebäudeprojekt oder einen neuen Studiengang plant, dann weiß man, wen man fragen muss, wen man mitnehmen muss, wie die Moderation des Prozesses aussehen muss. Aber wenn man Digitalisierung voranbringen möchte, dann unterschätzt man das oft. Ich glaube da liegt ein Problem. Es fehlt das Bewusstsein, dass Digitalisierung zwar auch mit Technologien und Infrastrukturfragen zu tun hat, aber eigentlich und vor allem eine Organisationskulturveränderung darstellt. Und die zu gestalten stellt die Hauptaufgabe dar.

 

INT: Sprechen wir dabei über Softskills wie Fähigkeit zum Changemanagement, geht es um Innovationsfreude oder um knallhartes Projektmanagement?

ULF EHLERS: In meinem Beitrag zum Thema Digital Leadership stelle ich die Frage danach, was eigentlich „Leadership“ in Zeiten der Digitalisierung bedeutet. Ja, man braucht Changemanagement-Fähigkeiten und man muss Leute zusammenbringen können. Man muss auch Prozesse moderieren können. Man muss aber vor allen Dingen berücksichtigen, dass die bestehenden Governance-Strukturen einer Universität Entscheidungsstrukturen und Diskussionsgremien sind, die aus einer Jahrhunderte alten Tradition heraus kommen. Und dass die die Bildungsprodukte, die wir unter den Bedingungen der Digitalisierung entwickeln, teilweise radikal anders sind.

Das führt beispielsweise dazu, dass in der Open University UK eine eigene Firma „FutureLearn“ gegründet wurde, die deren Online Lernangebote, z.B. MOOCs, vertreibt. Die traditionellen Mutterinstitutionen können diesen radikalen Innovationsprozess oftmals gar nicht leisten, weil sie dafür nicht die nötigen Governance-Strukturen haben.

 

INT: Wie sollte man denn in einem solchen Fall als Führungskraft vorgehen?

Man muss sich am Anfang fragen: Welche Produkte wollen wir in Zukunft haben? Welche Zielgruppen wollen wir in Zukunft bedienen? Welche Entscheidungsstrukturen wollen wir dafür aufbauen? Hierbei kommt es sehr auf Kommunikation und Beteiligung an, wenn man eine solche traditionelle Organisation beim Changemanagement mitnehmen möchte.

 

INT: Wie kann das konkret aussehen?

ULF EHLERS: In meiner eigenen Arbeit als Vizepräsident der Dualen Hochschule Baden-Württembergs war ich (u.a.) für Digitalisierung in Lehre und Studium zuständig. Ich habe dabei die Erfahrung gemacht, dass es zunächst einmal um etwas ganz Basales geht – nämlich die Frage: Wie können wir es eigentlich schaffen, dass Digitalisierung strukturiert und regelmäßig in den Entscheidungsgremien auf die Tagesordnung kommt – und wir das Gespräch, die Planung und das Nachdenken über digitale Transformation nicht einfach dem Zufall überlassen. Und damit sind wir mitten in der – in meinen Augen – wichtigsten Fragestellung der digitalen Transformation von Hochschulen heutzutage: Wie schaffen wir eine Governancestruktur für Digitale Transformation?

Es hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass man eine gute Governance-, also Lenkungsstrukturen, für die Digitalisierung benötigt. Dazu muss man überlegen, an welcher Stelle einer Organisation man Gespräche und Aushandlungen über das Thema Digitalisierung führen sollte. An meiner eigenen Hochschule haben wir sehr schnell begriffen, wie wichtig das ist und haben angefangen eine solche Governancestruktur aufzubauen – da gibt es zum Beispiel den Beraterkreis, der das Präsidium berät. Aber auch ein Netzwerk der „inneren Aktivisten“ für den informellen Austausch. Zusätzlich haben wir ein E-Learning-Zertifikat an unserem Zentrum für Hochschuldidaktik und lebenslangen Lernen entwickelt und an jedem DHBW Standort ein „Education Support Center“ zur Unterstützung von Lehrenden eingerichtet. Zudem entwickelt sich in diesem Rahmenwerk dann ein vielfältiges Ökosystem an Projekten und Initiativen für Digitalisierung. Bspw. eine mittlerweile mit dem Landeslehrpreise Baden-Württemberg ausgezeichnete Initiative, in der Studierende mit Professoren zusammen an der Transformation von Lehrveranstaltungen arbeiten („SMILE“).

Dies sind Anknüpfungspunkte auf unterschiedlichsten Ebenen, die dafür sorgen, dass Digitalisierung regelmäßig und systematisch auf der Agenda der Organisation steht. Man muss Kommunikationsanlässe und Kommunikationsforen schaffen, damit man nicht nur an den Strukturen arbeitet, also an Regeln, Abläufen und Prozessen. Genauso muss man über Werte, Alltagspraktiken und das Commitment aller Beteiligten sprechen.

 

INT: Über welche Zielgruppen sprechen wir hier? Geht es um die oberste Führungsebene oder kann ein solcher Prozess auch in einem Referat angestoßen werden?

ULF EHLERS: Ja, letztlich sind alle Akteure an einer Hochschule davon in irgendeiner Weise betroffen, da die „Dezentralen“ das Wissen haben, z.B. „Wie ticken die Kunden“ bzw. „Wie ticken die Studierenden“, „Was sind die neuen Produkte“. Dieses Wissen muss dann wieder an die Führungsebene zurückgespielt werden. Wir wissen ja von vielen Hochschulprozessen, wie bspw. der Akkreditierung von Studiengängen, dass diese viel zu lange dauern. Das können wir uns bei Digitalisierungsfragen nicht erlauben – dafür ist das Thema zu „schnell“. Nein, tatsächlich müssen alle Führungskräfte im Rahmen ihrer Verantwortungsbereiche zu „Digital Leadern“ werden, und an ihrer jeweiligen Stelle den Kulturwandel der digitalen Transformation mit anstoßen, allen voran die Programm- und Studiengangsleitungen. Das zeigt auch das von uns entwickelte Handlungsmodell für Digital Leadership, in dem wir versucht haben, die Dimensionen und Schritte für digitale Transformation von Hochschulen versucht haben abzubilden.

 

INT: Wie bringt man die Akteure denn dort hin? Muss man abwarten, bis eine neue Führungsriege nachwächst, die diese Skills beherrscht oder gibt es die Möglichkeit, auch die alteingesessenen Führungskräfte in irgendeiner Weise zu schulen bzw. zu coachen?

ULF EHLERS: Ich glaube, dass man alle Führungskräfte an Hochschulen ganzheitlich coachen muss. Das machen wir ja an Hochschulen nur ganz wenig. Und deren Vernetzung, das Gründen von Allianzen, ist wichtig. Dabei ist es gerade für das Thema der Digitalisierung notwendig, transformationale Führungsstile zu etablieren und zu fördern. Mitarbeiter/innen werden dadurch ganzheitlich in die Lage versetzt und unterstützt, den Wandel zu gestalten.

 

INT: Wenn wir jetzt mal den Workshop am 24.9. anschauen – was können die Teilnehmenden dort erwarten?

ULF EHLERS: Ich habe in meinem Beitrag in der Synergie-Sonderausgabe zur HFD-Themenwoche das Handlungsmodell für Digital Leadership definiert, der auf unseren Erfahrungen basiert. Gedacht ist es als Anregung, nicht als Toolkit. Der Handlungsrahmen umfasst drei Phasen: Phase der Positionierung, Phase der Visionsentwicklung und Phase der Definition von Instrumenten. In diesem Modell können sich die Teilnehmenden am Workshop mit ihren Erfahrungen verorten, das ist schon sehr praxisbezogen. Wir arbeiten dabei in kleinen Gruppen. Leitfrage: Was könnte in meiner Organisation eine Governance-Struktur für Digitalisierung sein? Haben wir so etwas schon? Alle profitieren dann von den Erfahrungen der anderen.

INT: Dann wünsche ich viel Erfolg für den Workshop und danke für das Interview.

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