Digitales Lehren und Lernen aus Sicht von Schülern, Studierenden und Dozenten

Digitales Lehren und Lernen aus Sicht von Schülern, Studierenden und Dozenten

17.08.17

Mit dem digitalen Lehren und Lernen beschäftigte sich ein Projektteam aus dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Hochschule Koblenz. Andreas Hesse, Jennifer Derichs, Sabrina Heinrichs, Stefan Hoffmann, Natalie Raczkowiak und Henrietta Rieken befragten Schüler(innen), Studierende, Lehrende und Expert(inn)en zu ihren Kommunikations- und Lerngewohnheiten. Am Ende konnten Handlungsempfehlungen für Lehrende und Hochschulen formuliert werden. Hier schildert das Projektteam den Aufbau der Studie und geht auf die Ergebnisse ein.  

Ein praxisnahes Studium der Wirtschaftswissenschaften findet heute nicht mehr ohne Laptop, Tablet und Smartphone statt – weder auf Seiten der Studierenden noch auf Seiten der Lehrenden. Auch wenn es Tafel und Overhead-Projektor noch in vielen Räumen gibt, beschäftigen wir uns immer mehr damit, wie sich Lehre und Lernen im Zeitalter der Digitalisierung weiterentwickeln. Wir, das sind fünf Marketing-Studierende und unser Betreuer Andreas Hesse. Unser Ziel war es, weitere Perspektiven auf das Thema Digitales Lehren und Lernen zu erfassen. Daher haben wir Schüler, Studierende, Dozenten und Experten befragt, welche Erwartungen, Möglichkeiten und Hindernisse die Digitalisierung von Lehre und Lernen beeinflussen. Die Ergebnisse sind klar: Nur 5% der (zukünftigen) Studierenden wünschen sich ein voll digitalisiertes Studium. Und es gibt nicht die eine Antwort, wie genau man Lehre und Lernen digitalisieren sollte, vielmehr erscheint eine intelligente (smarte) Verzahnung von Online- und Offline-Stärken als vorteilhaft.

Was erwarten und wünschen sich die zukünftigen Studierenden der Generation Z?

Wir fragten an mehreren Koblenzer Gymnasien die möglicherweise zukünftigen Studierenden an, also die sogenannten Millenials, die mit Internet, Smartphone und sozialen Medien aufgewachsen sind. Mit 85 auswertbaren Befragungsbögen haben wir eine solide Datenbasis erreicht. Fast alle der befragten 18- bis 19-jährigen Studienwilligen planen den Auszug von Zuhause. Sie nennen WhatsApp und Snapchat als wichtigste Kommunikationsmittel und bezeichnen sich selbst eher als visuelle Lerntypen. Kostenlose Online-Videos und -Tutorials werden zur Lernunterstützung gerne genutzt und das Internet ist ständiger Begleiter auch bei der Vorbereitung von Klassenarbeiten. Die Jugendlichen zeigen sich betont offen gegenüber elektronischen Unterlagen, elektronischen Klausuren und Vorlesungen im Live-Stream. Nichtsdestotrotz nutzen die meisten weiterhin auf Papier gedruckte Lernmaterialien und nur einzelne können sich ein komplett digital durchgeführtes Studium vorstellen.

Um auszuschließen, dass unsere Befragungsergebnisse von der Auswahl der Schulen beeinflusst wird, haben wir die Befragung ausgeweitet und neben Koblenzer Schülern noch Schüler im ländlichen Raum in Daun befragt. Während wir dabei mit einer höheren Bereitschaft rechneten, klassische Präsenzstudiengänge durch digitale Angebote zu substituieren, war das Ergebnis eher vergleichbar zum städtischen Raum: Die meisten Schüler wünschen sich ein klassisches Studium. Auch wenn Sie dafür weit fahren müssen.

Wie erleben Studierende an verschiedenen Hochschulen die Digitalisierung von Lehre und Lernen?

In Campus-Befragungen vor Ort in Koblenz, St. Augustin, Worms und Köln sowie zusätzlich in sozialen Netzwerken konnten wir 134 auswertbare Befragungsergebnisse binnen drei Wochen von aktuell Studierenden erreichen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die meisten Studenten am liebsten in den eigenen vier Wänden lernen; die die außerhalb gerne lernen, tun dies am liebsten in der Bibliothek. Die Gruppe der Studierenden nutzt E-Mail und WhatsApp am stärksten für ihre elektronische Kommunikation, virtuelle Informationsmedien und Videos dienen als ergänzendes Lernmaterial. Über 50% der Befragungsteilnehmer machen dabei deutlich, dass Videos nicht länger als 60 Minuten sein sollten. Ganz konkret wünschen sich die Studierenden Formate, die digitale Angebote und Präsenzveranstaltungen mischen, wobei dabei die Präsenzformate deutlich überwiegen sollen. Nur 5% fordern ein überwiegend oder gänzlich digitales Angebot.

Welche Chance und Hürden sehen Lehrkräfte in der Digitalisierung?

Die Perspektive der Professoren und Dozenten war uns sehr wichtig, da diese verantworten und entscheiden, welche Lehrformate sie einsetzen. An den drei Campus der Hochschule Koblenz haben wir über 160 Lehrkräfte im Bereich Wirtschaft eingeladen und dabei 53 auswertbare Befragungsergebnisse online erzielt. Die Lehrkräfte priorisieren E-Mail als wichtigstes elektronisches Kommunikationsmittel, klar vor WhatsApp und SMS. Als ein Hindernis machen Professoren und Dozenten die mittelmäßige technische Ausstattung deutlich, da etwa längst nicht jeder Veranstaltungsort erstklassige Internetanbindung bietet. Projektbetreuer Andreas Hesse ist ebenfalls Lehrender im Bereich Wirtschaft und von dem Ergebnis wenig überrascht. Aus eigener Erfahrung ist es schwierig, während Veranstaltungen etwa Direct-Response-Tools für Umfragen einzusetzen oder YouTube Videos zu Fallbeispielen zu zeigen und man müsste alles in Offline-Formate bringen, um wirklich sicher zu sein, dass es funktioniert. Daneben machen die befragten Lehrenden deutlich, dass onlinegestütztes Lernen im Bereich der Kompetenzvermittlung an Grenzen stößt. So lassen sich wichtige Formate wie Gruppenarbeiten besser in Präsenzveranstaltungen umsetzen. Nichtsdestotrotz schätzt die Gruppe den Einsatz der digitalen Anwendungen in der Lehre als motivierend und attraktivitätssteigernd ein, noch allerdings belastet durch Unklarheiten in Urheberrechtsfragen und einen hohen Vorbereitungsaufwand auf Seiten der Lehrkräfte.

Welche Handlungsempfehlungen lassen sich aus den Ergebnissen ableiten?

Lehrszenarien: Die empirischen Ergebnisse aus verschiedenen Perspektiven zeigen klar auf, dass die vorhandenen Präsenz-Studiengänge konsequent durch digitale Lern- und Lehrangebote ergänzt werden sollten. Mischformen von Online- und Offline-Formaten erscheinen als anzustrebende Lösung. Erklärende Lehrvideos in den Vorlesungen, aber auch als Downloadangebot, sowie Vorlesungsaufzeichnungen, die eine individuelle zeitliche und örtliche Nutzung ermöglichen, sind unseres Erachtens empfehlenswert. Dabei sind Videos möglichst kurz und sequentiell zu gestalten und interaktive Response-Tools innerhalb der Präsenzveranstaltungen besonders wertvoll.

Anreize für Lehrende schaffen: Eine zweite Handlungsempfehlung besteht darin, Lehrkräfte zu motivieren, stärker in die Umsetzung von zuvor genannten Lehrszenarien zu investieren. Dies kann und sollte durch die Förderung von Vorzeigeprojekten erfolgen, aber auch durch die Verstärkung des personellen Unterstützungsangebotes sowie die Erweiterung des Angebotes von Medientrainings für Lehrkräfte erfolgen.

Digitalisierungsstrategie: Darüber hinaus empfiehlt die Projektgruppe, eine hochschulweite und standortübergreifende Digitalisierungsstrategie zu entwickeln und umzusetzen. Angefangen mit technischen Voraussetzungen (z.B. Internetzugang, Räumlichkeiten), Unterstützungsangeboten in rechtlichen Fragen und der gemeinsamen einheitlichen Nutzung von Lernmanagementsystemen bis zu möglichen Kooperationen, die auch die Praxisnähe und Internationalisierung der Hochschule unterstützen können, gehen die Vorschläge des Teams.

Für uns als Projektteam ist klar, dass es keine Frage ist, ob es Handlungsbedarf in Sachen Digitalisierung an den verschiedenen Hochschulen gibt, sondern eigentlich nur wie diese auszugestalten sind. Es geht kein Weg daran vorbei, die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. So haben wir zum Beispiel unsere Projektergebnisse nicht mehr in Papierform abgegeben, sondern als (private) Webseite inklusive Videos, Infografiken, Präsentationen und vielen Verlinkungen zu weiteren Quellen eingereicht.

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