Digitale Souveränität an Hochschulen – Unterstützung kleiner und mittlerer Hochschulen

Digitale Souveränität an Hochschulen – Unterstützung kleiner und mittlerer Hochschulen

05.07.23

Titelbild zum Artikel: DIGITALE SOUVERÄNITÄT  AN HOCHSCHULEN – UNTERSTÜTZUNG KLEINER UND MITTLERER HOCHSCHULEN. Ein Gastbeitrag von  Prof. Dr.-Ing. Karin Vosseberg von der Hochschule Bremerhaven. Logo: Hochschulforum Digitalisierung

Kleine und mittelere Hochschulen kämpfen während des Digitalisierungsprozesses im Bereich Lehre, Forschung und Verwaltung wegen mangelder Ressourcen mit erschwerten Bedingungen. Deshalb sollten kleinere Hochschulen besonders auf Allianzen und Open-Source-Lösungen setzen, sagt Karin Vosseberg. Im Rahmen des neuen Dossiers „Digitale Souveranität“ teilt Vosseberg ihre Erfahrungen aus der Umsetzungsphase an der Hochschule Bremerhaven.

Titelbild zum Artikel: DIGITALE SOUVERÄNITÄT  AN HOCHSCHULEN – UNTERSTÜTZUNG KLEINER UND MITTLERER HOCHSCHULEN. Ein Gastbeitrag von  Prof. Dr.-Ing. Karin Vosseberg von der Hochschule Bremerhaven. Logo: Hochschulforum Digitalisierung

Geprägt durch die Erfahrungen der letzten zwei Jahre sind nicht nur die Diskussionen und Umsetzungsstrategien in der Digitalisierung von Lernen und Lehren sowie Forschen vorangeschritten, sondern auch der Bedarf in den Verwaltungsprozessen ist, insbesondere durch ausgeprägte Home Office-Phasen, sehr deutlich geworden. Für viele Aufgaben der Verwaltung gibt es bereits Lösungsansätze, die häufig als properitäre Systeme angeboten werden. Open-Source-Varianten sind oft weniger bekannt oder werden in ihrer Funktionalität und Handhabbarkeit als schlechter wahrgenommen. Gerade die Umsetzung von Abhängigkeiten zwischen Lern-/Lehr-, Forschungs- und Verwaltungsprozessen macht es jedoch oft schwierig in der Digitalisierung der Prozesse die Gestaltungshoheit in den Hochschulen zu behalten, insbesondere wenn Systeme als „Black-Box“ erscheinen, Datenmodelle nicht offen gelegt werden, Schnittstellen zu den jeweiligen Systemen nicht vorhanden, nur über zusätzliche Lizenzen nutzbar oder schlecht dokumentiert sind. An der Hochschule Bremerhaven wurden in den letzten Jahren die Aktivitäten in der Digitalisierung auf Basis von Open-Source ausgebaut mit dem strategischen Ziel die Digitale Souveränität der Hochschule zu stärken:

  • Ausbau des Lernmanagementsystems auf Basis von Ilias und den Dokumentenaustausch auf Basis von Nextcloud,
  • Aufbau von BBB- und Jitsi-Servern für Audio- und Videokommunikation, Matrix als Messenger-Server für alle Hochschulangehörigen sowie ein Streaming-Server,
  • Experimente, um Ilias, Nextcloud und Matrix auch in der Unterstützung von Verwaltungsprozessen nutzen zu können,
  • Ausbau von HISinOne zur Verwaltung von Studienverläufen.

In der Experimentierphase werden die Aktivitäten durch Lehrende, Mitarbeiter:innen und Studierende einer IT-Infrastrukturgruppe der Studiengänge Informatik/Wirtschaftsinformatik maßgeblich unterstützt und durch die Servicestelle Lernen und Lehren sowie dem Rechenzentrum der Hochschule in der Nutzungsphase betrieben. Die enge Zusammenarbeit zwischen den drei Einheiten begleitet die Weiterentwicklung der IT-Infrastruktur zur Umsetzung der Digitalisierungsstrategie.

 

Anforderungen zur Umsetzung einer Digitalen Souveränität

Auf Basis der Erfahrungen in der Umsetzung von Digitalisierungsstrategien an der Hochschule Bremerhaven ergeben sich folgende Anforderungen, um die Digitale Souveränität zu stärken:

  • Sensibilisierung für eine digitale Souveränität der Hochschule als auch für die Bedeutung in der Gesellschaft sowohl der Hochschulleitung als auch aller Hochschulangehörigen – Lehrende, Forschende, Mitarbeiter:innen in Laboren und Verwaltung sowie Studierende.
  • Kompetenzen: Auf- und Ausbau der Kompetenzen für die Umsetzung der Digitalisierungsmaßnahmen und Betreuung und Weiterentwicklung der IT-Infrastruktur sowie entwickelter und eingesetzter Software-Komponenten.
  • Infrastruktur: Auf- und Ausbau einer IT-Infrastruktur auf Basis von Open-Source zur Unterstützung von Lern-/Lehr-, Forschungs- und Verwaltungsprozessen und die Integration der verschiedenen Komponenten in ein Campus-Management.
  • Bestehende Ressourcen: Nutzung offener Standards und Schnittstellen zur Umsetzung der Digitalisierungsstrategien
  • Engagement: Beteiligung an einer lebendigen Open-Source-Community zur Weiterentwicklung der Open-Source-Systems.
  • Experimentierphase: (Zeitliche) Ressourcen sowohl für eine Experimentierphase und Weiterentwicklung, als auch den Betrieb der Infrastruktur, den Support der Hochschulangehörigen in der Nutzung sowie der Beteiligung in der Open-Source-Community.

Gerade Hochschulen können eine Vorbildsrolle in den Diskussionen zur digitalen Souveränität unserer Gesellschaft einnehmen.

 

Unterstützung kleiner und mittlerer Hochschulen

Ohne das überaus hohe Engagement der Lehrenden, Mitarbeiter:innen und Studierenden der IT-Infrastrukturgruppe der Studiengänge Informatik/Wirtschaftsinformatik hätte die Digitalisierung an der Hochschule Bremerhaven nicht die entsprechende Fahrt aufgenommen. Sie haben im Rahmen von Lehr- und Forschungsaktivitäten oder zusätzlich zu den ansonsten anliegenden Aufgaben den Ausbau der IT-Infrastruktur für digitale Lehre und Experimente zur Unterstützung von Verwaltungsprozessen auf Basis der vorhandenen Systeme und der Entwicklung kleiner Applikationen maßgeblich vorangetrieben. Allein bei der Übergabe der entwickelten Lösungen an das Rechenzentrum der Hochschule oder die Servicestelle Lernen und Lehren für den stabilen Betrieb der Softwarekomponenten, zeigt sich sehr deutlich die enge Begrenzung der zur Verfügung stehenden Ressourcen. Hinzu kommt, dass Kompetenzen für ganz unterschiedliche Systeme aufgebaut werden müssen, was in der Regel ohne das hohe Engagement Einzelner kaum leistbar ist. Ohne zusätzliche Ressourcen, sei es als Freistellung für Experimentierphasen, ggf. Anerkennung als Studienleistung, zusätzliches Personal, insbesondere für die Betreuung der genutzten Software-Komponenten, sowie für die Aus- und Weiterbildung der notwendigen Kompetenzen, werden die Digitalisierungsmaßnahmen im Sande verlaufen.

In kleinen und mittleren Hochschulen sind diese zusätzlichen Ressourcen in der Regel nicht vorhanden. Hier bietet sich an, Kooperationen zwischen Hochschulen zu schließen, um beispielsweise in Peer-to-Peer-Beziehungen den Austausch zu fördern und gemeinsam die Kompetenzen aufzubauen und die notwendige IT-Infrastruktur zu betreiben und weiterzuentwickeln. Eine weitere Möglichkeit ist, gemeinsam verlässliche Institutionen zu suchen oder aufzubauen, die den Betrieb und die Weiterentwicklung gemeinsam mit den Hochschulen vorantreiben und die Open-Source-Community in der Weiterentwicklung der genutzten Open-Source-Software zu unterstützen. Dabei ist wichtig, dass in den Hochschulen nicht nur die Open-Source-Komponenten genutzt werden, sondern die in und mit den Hochschulen weiterentwickelten Komponenten in die Open-Source-Community zurückgegeben werden. Ein Beispiel für gemeinsame Weiterentwicklungen zur Nutzung von Open-Source in der öffentlichen Verwaltung ist die „Nextcloud: Inititative für eine souveräne europäische MS-Office-Alternative“.

Vorbild kann auch der Zusammenschluss der Hochschulen im Rahmen beispielsweise einer Genossenschaft ähnlich wie bei der HIS eG sein. Ziel der Genossenschaft ist die Mitgliedshochschulen in ihren Digitalisierungsstrategien zu unterstützen. Mitgliedshochschulen bestimmen die Ausrichtung der Genossenschaft und in aktiven User Groups können sie gemeinsam die entwicklten Softwarekomponenten gestalten und zusammen das notwendige Know How aufbauen. Um die Abhängigkeiten zu Kooperationspartner:innen überschaubar zu gestalten ist es jedoch wichtig auch in kleinen und mittleren Hochschulen ein Team zurUnterstützung der Digitalsierungsprozesse aufzubauen, das ausreichende Ressourcen hat und Kompetenzen aufbaut, um sich aktiv in den Gestaltungsprozess einzubringen und in der Open-Source-Community und den User Groups mitzuarbeiten. Damit soll unterstützt werden, dass die Gestaltungshoheit in den Händen der jeweiligen Hochschule bleiben.

 

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