Digital Lehren lernen – Lehramtspraktika in der Pandemie

Digital Lehren lernen – Lehramtspraktika in der Pandemie

22.02.21

Girl from bird's eye view in front of computer in a video conversation with young woman

Im März 2020 entstand innerhalb von 48 Stunden die Corona School im #WirVsVirus Hackathon der Bundesregierung. Die studentische Initiative begegnet dem Problem der deutschlandweiten Schulschließungen mit einer ebenso simplen wie progressiven Idee: Schüler*innen erhalten kostenlose und digitale 1-zu-1-Lernunterstützung von engagierten Studierenden. Im Mai 2020 entwickelte das Team der Corona School im SemesterHack 1.0 des HFD in Rekordzeit das Konzept für das Projekt „Digital Lehren lernen – Praxiserfahrungen für Lehramtsstudierende“. Die Idee überzeugte die Jury und so erhielt das Projekt als einer der Gewinner des SemesterHack 1.0 eine Förderung des BMBF.

Auch wir sind überzeugt und stellen in diesem Blog das Projekt sowie Stefan, einen Lehramtsstudenten im digitalen Praktikum der Corona School, vor.

Digital Lehren lernen erklärt

Um nicht nur Schüler*innen sondern auch Studierende zu helfen, hat die Corona School ein Konzept für Pflichtpraktika im Lehramtsstudium entworfen, das rein digital umgesetzt werden kann und somit Lehramtsstudierenden ermöglicht, trotz der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie Pflichtpraktika zu absolvieren.

Die Corona-Pandemie stellt viele Akteur*innen im Bildungs- und Schulkontext vor große Herausforderungen. Die Digitalisierung erfährt im Schulbereich zwar einen enormen Aufschwung, es wird jedoch deutlich, dass neben der viel diskutierten technischen Infrastruktur, auch die Aus- und Weiterbildung (angehender) Lehrer*innen notwendig ist. An dieser Stelle setzt das Modell Digital Lehren lernen an. 

Im Rahmen des digitalen Praktikums in der ersten Phase der Lehrer*innenbildung sollen Lehramtsstudierende erlernen, digital und kreativ Wissen zu vermitteln. Dabei werden neue Formate und didaktische Methoden für den Unterricht auszuprobiert und reflektiert. Das digitale Praktikum der Corona School ist für Lehramtsstudierende aller Studienabschnitte geeignet. Je nach Erfahrungsstand der Studierenden, werden sie individuell und in dem Ausmaße, wie sie es benötigen, von Mentor*innen der Corona School unterstützt.

Schülerin vor Laptop und Schulmaterialien

Wie das digitale Praktikum abläuft 

Lehramtsstudierende, die Interesse an einem digitalen Praktikum haben, bewerben sich über die Website der Corona School. Das Praktikum besteht aus vier Themenbereichen, die wiederum einzelne Komponenten beinhalten. Jede Universität bzw. Hochschule legt fest, welche Komponenten für eine Anrechnung notwendig und zugelassen sind. Wir bieten den Praktikant*innen die folgenden Komponenten an:

1. Themenbereich: Unterricht

Im Themenbereich Unterricht begleiten die Praktikant*innen einzelne Schüler*innen in einer 1-zu-1-Lernbetreuung. So können beispielsweise Übungsaufgaben wiederholt, Unterrichtsinhalte erklärt oder Hausaufgaben individuell nachbesprochen werden. Darüber hinaus haben die Praktikant*innen die Möglichkeit, Gruppenlehrveranstaltungen anzubieten und somit mehrere Schüler*innen gleichzeitig zu unterstützen. Die Corona School stellt den Praktikant*innen Leitfäden und Videos zur Verfügung, die sie bei der Planung ihres Unterrichts unterstützen können.

Studentin vor Laptop in einem Videogespräch

2. Themenbereich: Reflexion

Zum Themenbereich Reflexion gehört das Mentoring. Nach einem Kennenlerngespräch bekommen die Praktikant*innen eine*n individuelle*n Mentor*in zugewiesen, der/die sie in der Vor- und Nachbereitung des Unterrichts unterstützt, an den Gruppenlehrveranstaltungen teilnimmt und für pädagogische Fragen zur Verfügung steht.

Zudem füllen Praktikant*innen alle zwei Wochen einen Updatebogen aus. Darin dokumentieren sie, welche Komponenten sie in den vergangenen zwei Wochen absolviert haben und planen die nächsten Schritte. Letzteres ermöglicht den Praktikant*innen, bisherige Erfahrungen zu reflektieren und ihr Praktikum zu strukturieren.

🔍 Die Corona School sucht Mentor*innen mit Berufserfahrung im Lehrbereich zur Begleitung der Praktikant*innen im Digital Lehren lernen-Projekt! Interesse? Hier gibt es mehr Informationen.

3. Themenbereich: Kooperation und Austausch

In regelmäßigen Abständen werden Peer-to-Peer-Calls für Praktikant*innen angeboten. Dort haben Praktikant*innen die Möglichkeit, über ihre Erfahrungen mit anderen Praktikant*innen ins Gespräch zu kommen. In den Peer-to-Peer-Calls können außerdem Tandems gebildet werden, die wechselseitig in ihren Gruppenlehrveranstaltungen hospitieren. 

 

4. Themenbereich: Weiterbildung

Die Praktikant*innen erhalten im Rahmen ihres digitalen Praktikums ein Stipendium für die Plattform Fobizz. Damit können sie kostenlos an Online-Fortbildungen zur Medienkompetenz teilnehmen und somit digitale Kompetenzen und didaktische Fähigkeiten erwerben.

Warum Digital Lehren lernen auch in Zukunft relevant ist 

Das Projekt Digital Lehren lernen bietet die Chance, digitales Lehren und Lernen zu erforschen. Derzeit läuft eine Pilotphase des Projekts mit über 100 Praktikant*innen, die vom BMBF unterstützt und der Goethe-Universität Frankfurt wissenschaftlich begleitet wird. Das digitale Praktikum kann bereits an 11 Universitäten bzw. Hochschulen als Pflichtpraktikum angerechnet werden. Ziel ist es, das Projekt weiterzuentwickeln und eine Anrechnung des digitalen Praktikums an weiteren Universitäten bzw. Hochschulen in Deutschland zu ermöglichen. 

Das digitale Praktikum ist nicht nur eine kompensatorische Lösung für Pflichtpraktika in Zeiten der Pandemie, sondern hat auch langfristig hohe Relevanz in der Lehrer*innenbildung. Es ermöglicht angehenden Lehrer*innen, digitale Kompetenzen zu erwerben, indem sie sich bei der Unterrichtsvorbereitung und -durchführung mit digitalen, methodischen und didaktischen Prinzipien auseinandersetzen. Zugleich unterstützen Praktikant*innen im Projekt Digital Lehren lernen Schüler*innen unabhängig vom sozialen, kulturellen und finanziellen Hintergrund und setzen sich dadurch für mehr Chancengleichheit im Bildungssystem ein.

Erfahrungen aus dem digitalen Praktikum – ein Interview

Stefan Schekelinski studiert Lehramt für sonderpädagogische Förderung an der Universität Paderborn und hat sein Berufsfeldpraktikum über das Projekt Digital Lehren lernen im Digitalen abgeschlossen – „Eine Win-Win Situation“, sagt Stefan. Wir haben ihm ein paar Fragen gestellt:

HFD: Was waren Deine Sorgen vor dem Beginn des digitalen Praktikums?

Stefan: Meine Sorgen vor Beginn des digitalen Praktikums haben sich dadurch geäußert, dass ich mir bis dato nicht vorstellen konnte, dass Kinder aus dem Primarbereich aufmerksam am digitalen Unterricht teilnehmen. Zudem war ich mir unsicher, ob mein Technik-Know-how für die digitale Lernunterstützung ausreicht. Meine größte Befürchtung vor Beginn des digitalen Praktikums war jedoch, dass ich es nicht für möglich hielt, über ein digitales Medium eine persönliche und vertrauensvolle Beziehung, sowie Atmosphäre, herzustellen.

Was hat Dich positiv überrascht?

Mädchen aus Vogelperspektive vor Computer in einem Videogespräch mit junger Frau

Ich war positiv überrascht davon, dass sich meine Befürchtungen und Sorgen nicht erfüllt haben. In der Corona School habe ich Erfahrungen in der 1-zu-1-Lernunterstützung und auch in Gruppenkursen sammeln können. In der 1-zu-1-Lernunterstützung konnte ich beobachten, dass die Aufmerksamkeit generell sehr gut ist, was aber auch zugleich daran liegt, dass man einem Kind die volle Aufmerksam widmet. Dies wäre in einem Regelunterricht in Präsenzform selten der Fall. Bei Gruppenkursen hingegen ist es schwieriger alle Kinder zu betrachten, da nur eine gewisse Anzahl an Kindern auf dem Desktop zu sehen ist.

Am meisten beeindruckt hat mich allerdings, dass sich durch den digitalen Unterricht ganz neue und vielfältige Möglichkeiten des Lernens eröffnen. Zum Beispiel gibt es viele Möglichkeiten, Arbeitsblätter oder Videos interaktiv zu gestalten und so in den Unterricht einfließen zu lassen. Besonders gut gefallen hat mir dabei, dass man zu schwierigen Unterrichtsinhalten bzw. Inhalten bei dem das Kind Schwierigkeiten hatte, ergänzende und gezielte Fördermaßnahmen zum Üben anbieten kann. Zum Beispiel lässt sich mit der Plattform „Padlet“ eine digitale Pinnwand erstellen, um Texte oder Videos als Wiederholung von wichtigen Inhalten zusammenfassen und anschließend Übungsaufgaben zur Vertiefung bereit zu stellen. Dabei bietet die Plattform verschiedenste Möglichkeiten.

Ich war zudem begeistert von den vielen digitalen Fortbildungsmöglichkeiten. Durch mein Stipendium für „Fobizz“, wodurch man Zugang zu Online-Fortbildungen erhält und Lehrkräfte, Trainer und Medienpädagogen ihr Wissen zum Einsatz digitaler Medien weitergeben, konnte ich neue Kompetenzen erwerben. Aus diesem Grund haben sich meine Befürchtungen über ein mangelndes Technik-Know-how schnell gelegt.

Welche Deiner im Praktikum erlernten Kompetenzen werden Dir auch in der Zukunft „nach Corona“ weiterhelfen?

Die Erfahrungen und Kompetenzen, die ich durch das Praktikum erlangen konnte, werden mir in Zukunft sehr weiterhelfen. Ich gehe davon aus, dass in Zukunft der Regelunterricht in Präsenzform wieder dominiert und auch nicht durch digitalen Unterricht ersetzt werden kann. Allerdings bin ich auch der Meinung, dass die digitale Lernunterstützung viele neue Chancen und Potentiale bietet. Aus diesem Grund bin ich der Meinung, dass diese Formate den Regelunterricht in positiver Weise unterstützen und ergänzen können. Somit bleiben digitale Lernräume in Zukunft präsent und die gesammelten Erfahrungen können zu einer besseren Qualität von Schule beitragen.

Lehramtsstudium 2025: Das digitale Praktikum als Teil des Modulplans. Utopie oder Dystopie?

Meiner Meinung nach ist das digitale Praktikum als Teil des Modulplans sowohl Utopie als auch Dystopie. Im vorherigen Abschnitt habe ich schon verdeutlicht, dass digitale Lernwelten viele Potentiale und Chancen bieten, die wir auch in Zukunft weiterhin nutzen sollten. Ich kann mir zum Beispiel gut vorstellen, dass ein Wechselunterricht zwischen Präsenzformaten in der Schule und digitalen Lerneinheiten, in Zukunft, ein Modell des Unterrichts sein könnte. Dadurch könnte die Qualität von Schule und Unterricht gesteigert werden. Beispiele dafür wären zum Beispiel die Erstellung von individuellen digitalen Förderplänen oder Lehrerfortbildungen ohne Unterrichtsausfall. Darüber hinaus würde der Unterricht nachvollziehbarer werden. Eltern oder auch andere Lehrkräfte könnten zum Beispiel durch Unterrichtshospitationen am Unterrichtsgeschehen teilhaben und ihn somit fruchtbarer machen.

Danke Stefan!

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