Digital Learning Designer – Ein neues Berufsbild entsteht

Digital Learning Designer – Ein neues Berufsbild entsteht

12.02.20

Was ist ein Digital Learning Designer? Und wie unterstützen Digital Learning Designer die Lehre? Dr. Florian Heger, Chief Process Officer & Chief Digital Officer der Mannheim Business School, zeigt wie Digital Learning Designer helfen den richtigen Lernmix zwischen analogen und digitalen Methoden zu finden, wie Lehrende effektiv durch ihre Arbeit entlastet werden und wie sie zum Erfolg des Digitalisierungprozesses von Universitäten beitragen. 

Digital Learning Desiger, ein neues Berufsbild entsteht.

Digital Turn ja, aber wie? In einem früheren Beitrag, einem Praxisbericht aus Mannheim, haben wir die Digitalisierung der Mannheim Business School (MBS) aus der Vogelperspektive geschildert. Der Schwerpunkt lag auf den strategischen und technologischen Rahmenbedingungen. Aber wenn im Anschluss an konzeptionelle Überlegungen und Implementierung des Systems die digitale Lehr-Praxis folgt, kommen ganz neue Berufsbilder ins Spiel. Unsere Erfahrung ist: Digital Learning Designer tragen erheblich zum Gelingen des Digital Turn bei. Warum, wieso und weshalb, das wollen wir eingehend betrachten und uns mit dem neuen Berufsbild detailliert auseinandersetzen. Denn neben Strategie und Technologie sind organisatorische Fragen und die Unterstützung des Lehrkörpers eine entscheidende Stellschraube beim Digital Turn. Wir beleuchten das Thema aus drei unterschiedlichen Blickwinkeln: operativ, organisatorisch und konzeptionell.

Herausforderung: Optimaler Lernmix der Lernmethoden

Zentrale Herausforderung bei der digitalen Transformation der Lehre ist die Balance von analogen und digitalen Anteilen, von neuen und bewährten Methoden; kurzum, das Finden des passenden Lernmix. Sowohl rein digitale Lernformate als auch Blended Learning verknüpfen häufig verschiedene Lernmethoden und -technologien über ein Learning Management System – wir haben uns für Canvas LMS by Instructure entschieden. Die Effektivität des Formats und damit auch des Lernerfolgs hängt stark von der richtigen Zusammenstellung der Mischung aus Methoden und Technologien ab.

Die Digitalisierung bringt eine Vielzahl an neuen didaktischen und technischen Möglichkeiten mit sich. Das bereichert einerseits das Repertoire der Lehr- und Lernpfade enorm, führt allerdings auch zu einer Hürde. Denn für Lehrende kann es aufwendig sein, sich in die neuen Methoden und Technologien einzuarbeiten. Außerdem braucht es Erfahrung, um zu beurteilen, wie der passende Lernmix für eine Veranstaltung aussehen sollte: Erklärvideos, Präsenzformate, Vertiefungseinheiten im Selbststudium, Gruppenlernen?

An dieser Stelle kommen Digital Learning Designer ins Spiel. Sie arbeiten an der Schnittstelle zwischen Lehrenden und Technologie. Sie unterstützen und beraten Lehrende, gemeinsam entwickeln sie Lernformate und erleichtern den Umgang mit neuen digitalen Technologien. Sie helfen dabei, für den jeweiligen Lernstoff passende digitale Lehrkonzept zu finden und gemeinsam mit den Lehrenden unter Einsatz der passenden Technologien umzusetzen.

Der Digital Learning Designer ermöglicht es, im Kontext der digitalen Lehre den Entwurf von Lehrinhalten und den Entwurf von digitalen Lehrkonzepten zu entkoppeln. Trennt man Inhalt und Lehrkonzept, können sich Lehrende stärker auf die Lehrinhalte konzentrieren, hier liegen schließlich auch ihre einzigartigen inhaltlichen Kompetenzen. Der Digital Learning Designer hingegen konzentriert sich auf Technologieauswahl und die Formen der Umsetzung, denn hier ist er Fachmann. Er kann die Wirkungen bestimmter Formate einschätzen und realisieren – etwa ein Erklärvideo, dessen Produktion nicht banal ist. Und er trägt entscheidend zur Entlastung der Lehrenden bei. So entstehen digitale Lerninhalte schließlich in engem Austausch und münden in einem gemeinsamen Erstellungsprozess.

Warum sind Digital Learning Designer essentiell für das Gelingen des Digital Turn?

Für das Gelingen des Digital Turn spielen Digital Learning Designer aus mehreren Gründen eine essentielle Rolle:

  • Einbringen zusätzlichen digitalen Knowhows: Es gibt eine hohe Anzahl an digitalen Technologien und neue Konzepte für den Einsatz in Lehrszenarien. Gerade auch im dynamischen Umfeld neuer Entwicklungen können (und sollten) Lehrende sich nicht mit allem beschäftigen. Digital Learning Designer können die Lehrenden davon entlasten, Entwicklungen im Blick behalten, mit ihren umfangreichen technologischen Kenntnissen eine Vorauswahl treffen und zielgerichtet beraten. Entsprechende regelmäßige Fortbildung und Marktbeobachtung vorausgesetzt, bleiben sie stets up-to-date und können die Lehrenden basierend auf aktuellem technologischem Stand unterstützen.
  • Sammeln und Weitergeben von Best Practices: Durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Lehrenden sammeln Digital Learning Designer umfangreiche Erfahrungswerte und Best Practices. Diese Erfahrungen können für zukünftige Projekte fruchtbar gemacht und weitergegeben werden.
  • Beschleunigung des Digital Turn: Wenn Lehrende und Digital Learning Designer in einem gemeinsamen Erstellungsprozess wirken, werden deutlich schneller Resultate erzielt als wenn sich Lehrende aufwändig in digitale Lehrkonzepte und Technologien einarbeiten müssen. Zeit ist oftmals der größte Engpass und eines der stärksten Hemmnisse beim Digital Turn.
  • Entlastung der Lehrenden und Professionalisierung der Lehrmittel-Produktion: Die Verlagerung des Aufwands für die Inhaltsproduktion und Anpassung weg von den Lehrenden ist ein wichtiger Aspekt für das Gelingen des Digital Turn. Denn wenn digitale Lerninhalte aufbereitet werden müssen, kann dies natürlich auch ohne oder mit nur wenig Beteiligung der Lehrenden geschehen. In unserem Fall in Mannheim haben wir mit Canvas LMS von Instructure ein Learning Management System für innovatives Blended Learning im Einsatz. Aufgrund enger gemeinsamer Produktionsprozesse können unsere Digital Learning Designer oft selbstständig die Aufbereitung der Inhalte durchführen, was die Lehrenden entlastet.

Wo können Lern-Designer die Lehrenden nicht unterstützen? Welche Herausforderungen gibt es in der engen Zusammenarbeit zwischen Lehrenden und Digital Learning Designern?

Selbstverständlich gibt es im zuvor beschriebenen Ansatz auch Herausforderungen für Digital Learning Designer und Lehrende:

  • Umsetzung fachspezifischer Besonderheiten: Ein Digital Learning Designer arbeitet unter Umständen mit Dozierenden vieler Fachrichtungen. Häufig gibt es fachspezifische Besonderheiten, die manche Lehrkonzepte und Technologien ausschließen. Aus diesem Grund ist eine enge Zusammenarbeit und offener Austausch Pflicht für ein Gelingen der Inhaltsproduktion.
  • Veränderte Unterrichtsvorbereitung: Die enge Form der Zusammenarbeit erzeugt außerdem eine neue Situation der Unterrichtsvorbereitung für die Lehrenden. Hat man sich zuvor möglicherweise weitgehend alleine auf die Lehre vorbereitet, müssen Lehrende sich nun verstärkt auf den Austausch mit dem Learning Designer einlassen und gemeinsam nach dem besten Weg für Thema und Fachbereich suchen. Dies erfordert eine Umstellung der eigenen Arbeitsprozesse.
  • Agilität ist entscheidend: Sobald Technologie ins Spiel kommt, sind agile Prozesse Pflicht. Der Austausch muss regelmäßig und umfangreich stattfinden. Dazu gehört auch die Bereitschaft, selbst kurzfristig Dinge zu ändern. Nicht selten werden Ansätze im Verlauf der Zusammenarbeit stark verändert oder sogar komplett verworfen. Dabei sollten alle Beteiligten das jeweilige Know-how des jeweilig Anderen als Ergänzung der eigenen Kompetenzen wahrnehmen, respektieren und synergetisch nutzen.
  • Die Hoheit liegt beim Lehrenden: Die letzte Entscheidung über die Verwendung der gemeinsamen Ergebnisse sollte bei den Lehrenden liegen, denn diese sind für die Inhalte und damit verbundenen Veranstaltungen verantwortlich. Ein entsprechender Freigabeprozess sollte einheitlich für die Zusammenarbeit mit allen Dozierenden entworfen und dann etabliert werden.

Varianten der organisatorischen Verankerung: Im Fachbereich?

Hochschulen sind in häufig weitgehend voneinander unabhängig agierende Fachbereiche und Fakultäten gegliedert. Damit stellt sich die zentrale Frage, wo das Digital Learning Design organisatorisch aufgehängt sein soll?

Eine Möglichkeit ist, dass Digital Learning Designer in den jeweiligen Fachbereichen mit den Lehrenden zusammenarbeiten und sich somit auf den jeweiligen Fachbereich spezialisieren. Digital Learning Design wird somit als Dienstleistung für alle Lehrenden des Fachbereichs angeboten. Die Spezialisierung auf die Fachbereiche ermöglicht eine tiefere Fokussierung auf die für diesen Fachbereich geeigneten Ansätze und Technologien. Eine Herausforderung ist, dass somit Strukturen an verschiedenen Fakultäten dupliziert werden und die gesammelten Best Practices nur einen kleinen Ausschnitt widerspiegeln. Um dies zu überwinden, sollte der Austausch zwischen den Digital Learning Designern der verschiedenen Fachbereiche gefördert und moderiert werden. Nötige Infrastrukturen wie zum Beispiel Kameras und Videostudios sollten gemeinsam betrieben und genutzt werden.

Oder besser Digital Learning Design als zentralisierte Serviceleistung?

Alternativ kann eine komplette Zentralisierung stattfinden, zum Beispiel in Form einer zentralen Stabsstelle oder eines Zentrums, das Digital Learning Design als Dienstleistung für alle Fachbereiche und Lehrende bereitstellt. Eine zentrale organisatorische Einheit bietet die Chance, die Entwicklungen von neuen Technologien und deren Einsatzmöglichkeiten zentral zu beobachten und zu steuern. Es fällt leichter, duplizierte Prozesse und Infrastrukturen zu vermeiden; übertragbare Best Practices können fachübergreifend identifiziert und gesammelt werden. Der Austausch von innovativen Ansätzen wird zudem nicht nur zwischen den Lehrenden eines Fachbereichs, sondern auch zwischen den Fachbereichen angeregt – die Basis für interdisziplinäres Arbeiten. Eine entsprechende finanzielle Ausstattung vorausgesetzt, kann die zentrale Organisationseinheit Entscheidungen für benötigte Technologien treffen, diese anschaffen und bereitstellen. Dadurch lassen sich infrastrukturelle Redundanzen vermeiden.

Kombination aus zentral und dezentral bewährt sich in Mannheim

In der Praxis haben wir die Erfahrung gemacht, dass auch eine Kombination sehr gut funktionieren kann. An der Universität Mannheim gibt es eine zentrale Stabsstelle, die erfolgreich digitale Innovationen fachbereichsübergreifend vorantreibt. Trotzdem haben wir an der Mannheim Business School ein eigenes Team für Digital Learning Design, da wir aufgrund der Besonderheiten unserer Studiengänge und der verschiedenen technischen Plattformen ergänzende Prozesse etablieren mussten. Entscheidend bei dieser dualen Lösung ist es, Silodenken zu vermeiden und im regelmäßigen Austausch immer wieder neu die besten Konzepte und Wege zu suchen.

Die Vielfältigkeit des Digital Learning Designs

Denkt man an digitales und personalisiertes Lernen, kommen dem Betrachter häufig verwendete Konzepte wie Onlinekurse, Flipped Classroom oder Blended Learning in den Sinn. Doch auch beim Einsatz vieler anderer, weniger etablierter digitaler Lernformen können Digital Learning Designer entscheidende Impulse geben. Selbst sehr technisch geprägte Formen wie Lern-Apps, Simulationen und Serious Games, deren Entwicklung auf den ersten Blick Software-Projekte zu sein scheinen, bedürfen eines wohlüberlegten Digital Learning Designs.

Zusätzlich zu Lehrenden und Digital Learning Designern spielen beim Digital Turn der Hochschulen natürlich auch noch andere Akteure eine Rolle – Programmierende oder externe Dienstleistende für Softwareentwicklung oder grafisches Design etwa. Dies erhöht die Komplexität bei der Zusammenarbeit und Kommunikation der Beteiligten zusätzlich. Gerade hier spielen Digital Learning Designer mit ihrer Expertise an der Schnittstelle zwischen Lehre und Technologie angesiedelt, eine weitere wichtige Rolle: Sie können als Bindeglied fungieren zwischen den Lehrenden, von denen häufig die Grundidee und Inhalte der Apps und Spiele stammen und der Software-Entwicklung, die die technische Umsetzung verantwortet und durchführt. So gestalten Digital Learning Designer nicht nur die Lernerfahrung entscheidend mit. Je nach persönlicher Vorbildung und Berufserfahrung können sie in der beschriebenen Projektkonstellation auch übergreifende Verantwortung übernehmen und das zentrale Projektmanagement verantworten.

Fazit

  • Digital Learning Designer arbeiten an der Schnittstelle von Lehre und Technologie. In enger Zusammenarbeit mit den Lehrenden spielen sie eine entscheidende Rolle beim Digital Turn in der Lehre.
  • Die für die jeweilige Organisation passende Verankerung für das Digital Learning Design – zentral oder dezentral – hängt stark von den Gegebenheiten ab und kann nicht pauschal getroffen werden. Auch eine Kombination aus dezentraler und zentraler Verankerung kann effektiv sein.
  • Selbst in eigentlich technisch geprägten Projekten wie der Entwicklung von Lern-Apps, Simulationen oder Serious Games können Digital Learning Designer einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie bei der Gestaltung einer ansprechenden Lernerfahrung helfen oder sogar als Projektmanager das Bindeglied zwischen Lehrenden und Software-Entwicklern sind.
  • Im Gesamtbild wird klar: Neben stringenter Strategie und modernster Technologie sind organisatorische Fragen und die Unterstützung des Lehrkörpers die dritte entscheidende Stellschraube beim Digital Turn. Hier leisten Digital Learning Designer einen wichtigen Beitrag zum Gelingen.

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