Die neue HFDVisions-Blogreihe „Was wäre, wenn…?“: Katharina Stimming und Tobias Seidl über Visionen als Richtungsgeber für Hochschulen

Die neue HFDVisions-Blogreihe „Was wäre, wenn…?“: Katharina Stimming und Tobias Seidl über Visionen als Richtungsgeber für Hochschulen

06.06.23

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Die Auseinandersetzung mit alternativen „Zukünften“ ermöglicht es uns, Entwicklungen und Treiber von Veränderungen zu antizipieren, wünschenswerte Zukunftsszenarien partizipativ zu entwickeln und die Zukunft damit aktiv mitzugestalten. Im Rahmen des co-kreativen Programms HFDvisions des Hochschulforums Digitalisierung und der DigitalChangeMaker-Initiative haben 10 Hochschulen und ein Hochschulverbund in statusgruppenübergreifenden Teams Zukunftsszenarien für die eigene Hochschule in 2035 und Maßnahmen zur Annäherung an diese wünschenswerten Zukünfte entwickelt. In der ans Programm angedockten „Was wäre, wenn…?”-Blogreihe setzen sich weitere Hochschulangehörige unterschiedlicher Statusgruppen mit der Bedeutung von Futures Thinking für die Sicherung der Zukunftsfähigkeit von Hochschulen auseinander und teilen mutige, wünschenswerte Zukunftsbilder. Die Blogreihe soll zum Nachdenken, Diskutieren und Handeln anregen.

Titelbild der Blogreihe "WAS WÄRE, WENN...? Eine Blogreihe zur Zukunft der Hochschulbildung" Um den Titel herum befindet sich eine Verzierung mit kleinen Icons. Unten rechts befindet sich das Logo vom Hochschulforum Digitalisierung.

Warum sind die Zukunftsvisionen aber eigentlich so wichtig? Und welche Rolle spielt die Zukunftsarbeit im Hochschulkontext? Diese Fragen wollen wir in diesem ersten Beitrag der HFDVisions-Blogreihe behandeln. Katharina Stimming, Transformationsdesignerin an der Leibniz Universität Hannover, und Tobias Seidl, Professor für Schlüssel- und Selbstkompetenzen Studierender an der Hochschule der Medien Stuttgart, erläutern zum Beginn der neuen Blogreihe, weshalb die aktive Arbeit mit Visionen und Future Literacy an Hochschulen mehr als nur Gedankenspiele sind. Während Katharina Stimming auf die Gründe eingeht, erklärt Tobias Seidl weiter unten in diesem „Science Fiction Double Feature“, welche methodisch sinnvollen Auseinandersetzungen sich daraus ergeben.

 

Übersicht der Beiträge:

Visionen als Richtungsgeber für wünschenswerte Zukünfte, auch an Hochschulen

von Katharina Stimming

 

Woran denken wir, wenn wir an Zukunft denken? Roboter und fliegende Autos? Katastrophenszenarien durch den Klimawandel? An Kinder und Jugendliche, die lernen und auf „die Welt” vorbereitet werden?

Schon hier werden durch simple Bilder Gefühle hervorgerufen und vermitteln „so sieht die Zukunft aus”. Bei einem Blick zurück in die Vergangenheit lässt sich überprüfen, wie Visionen unsere Wirklichkeit bestimmen. 1918 schrieb John Elfreth Watkins, dass in der Zukunft Bilder telegrafisch übermittelt werden und es Telefone geben würde, bei denen Distanz keine Rolle mehr spielt, zumal wir nur per Video telefonieren sollten. Dies kommt der heutigen Nutzung unserer Smartphones sehr nahe und zeigt, dass wir dem entgegenstreben, was wir für Zukunft halten. Die Geschichten, die wir uns von Zukunft erzählen, formen diese mit. Auch durch unsere Entscheidungen, die wir auf Grundlage dieser Zukunftsvorstellungen treffen.

Visionen sind unsere Richtungspfeiler in die Zukunft. Hier fließen Emotionen mit Träumen zusammen und können in realen Projekten umgesetzt werden. Sie können Hilfsmittel sein, sich als Gruppe auf eine Richtung zu einigen, sich über die Bedürfnisse und Werte klar zu werden und Vorhaben konkreter zu machen. Visionen sind der erste Schritt auf einer Reise in Richtung Zukunft, ob sie nun bewusst entwickelt wurden oder unbewusst von außen kommen. 

Zukünfte sind gestaltbar

Zukunft wird zumeist als etwas begriffen, was sich auf uns zubewegt und feststeht, von dem wir aber noch nicht genau wissen, wie es aussieht. Auf diese Zukunft versuchen wir uns dann vorzubereiten. Hierfür gibt es Trendforschung, auf welche wiederum Wirtschaft und Bildung reagiert und entsprechende Angebote formuliert. Es ist jedoch wichtig zu verstehen, dass es nicht darum geht vorherzusagen, was auf uns zukommen wird, sondern sich auch klar zu machen, wie wir leben wollen, um die Zukunft aktiv zu gestalten. Nach Dunne & Raby gibt es dabei unterschiedliche Zukünfte, auf die wir uns zubewegen können: Denkbare, mögliche, plausible und wünschenswerte Zukünfte. Für die Entwicklung von Visionen, können diese Zukünfte einbezogen werden, die auch auf aktuell bestehenden Daten und Gegebenheiten beruhen. Insbesondere die wünschenswerte Zukunft, woran wir unsere Visionen anpassen. Visionen sind jedoch, anders als wünschenswerte Zukünfte, auf unsere individuellen Ziele und Werte ausgerichtet. Visionen helfen uns, unsere Vorstellung dafür zu schärfen und konkret zu machen, welche Veränderung wir anstreben wollen. Eine Vision gibt Zielwissen und Orientierung. Sie reduziert Komplexität, um handlungsfähiger zu werden.

Zeitstrahl, der die unterschiedlichen Zukünfte nach Dunne & Raby verdeutlicht: Am linken Ende befinden sich untereinander die Punkte "wild card scenario", "today" und "scenario". Am rechten Ende befinden sich die Punkte possible, plausable, probable und preferable beliebig verteilt. (Quelle https://www.researchgate.net/figure/The-Future-Cone-Voros-via-Dunne-and-Raby-via-Revell-A-diagram-of-potential-futures_fig3_276917770)

Gemeinsam geht’s besser

Die aktive Arbeit mit Visionen und Werten kennen viele im Kontext von New Work oder Coaching, jedoch zumeist nicht von Hochschulen. Dabei bieten gerade Hochschulen die Möglichkeit viele Menschen zusammenzubringen. Gleichzeitig tragen sie Verantwortung dafür, dass Studierenden die richtigen Werkzeuge an die Hand gegeben werden, um die Welt aktiv mitzugestalten. Dies ist nicht nur für die Studierenden persönlich ein Mehrwert, sondern auch unabdingbar in Forschung und Wirtschaft, insbesondere um auf sich ändernde Umwelt- und Lebensbedingungen einzugehen. Als Antwort auf den Klimawandel und andere menschliche Probleme, brauchen wir Studierende als Pioniere des Wandels. Visionen und Wissen gehören zusammen, um wirkliche Veränderung zu schaffen (Schneider 2018: 460 ff.). Das benötigte Wissen erhalten Studierende bereits an Hochschulen. Was möglicherweise noch fehlt, ist die Arbeit mit Visionen und ein produktiver Statusgruppen übergreifender Austausch hierzu. Denn die wirklich großen Herausforderungen können wir nicht alleine bewältigen. Hochschulen können Orte von lebendigen Learning-Communities werden, wenn wir den Raum öffnen, um nicht nur über bestehende Fakten, sondern in gleicher Weise über Visionen zu sprechen. Hierdurch können Menschen sich auf einer anderen Ebene begegnen und gegenseitig anregen, um gemeinsam positive Spuren zu hinterlassen.  

  

Literatur:

U. Schneider, „Die große Transformation. Eine Einführung in die Kunst gesellschaftlichen Wandels”, 2018, Fischer Verlag.

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Bereit für die Zukunft: Gemeinsam Futures Literacy lernen

von Tobias Seidl

 

Die meisten 21st-century- und Future-Skills-Modelle beruhen auf Annahmen über die zukünftige Entwicklung unserer Wirtschaft und Gesellschaft, die dann in Anforderungen an die Menschen, die in dieser Welt zukünftig leben und handeln müssen, übersetzt werden. Diese Modelle geben wichtige Impulse für die hochschulische (Aus)Bildung (vgl. z. B. die Aktivitäten des HFD in diesem Bereich). Jedoch hat auch die hinter diesen Modellen stehende Logik für den Hochschulbereich große Bedeutung:

  1. Zunächst eine Vorstellung von möglichen Zukünften entwickeln (Wie sieht die Arbeits- und Lebenswelt der Zukunft aus?);
  2. Ausgehend von diesen Zukunftsbildern bereits heute Entscheidungen abwägen und treffen (Welche Kompetenzen sollten in die Hochschulausbildung integriert werden?).

Gerade im Hinblick auf komplexe Problemstellungen, die verschiedenste Bereich der Gesellschaft betreffen (etwa den Klimawandel), ist eine methodisch sinnvolle Auseinandersetzung mit der Zukunft eine wichtige Fähigkeit für Akademiker*innen.

Die hierzu notwendigen Kompetenzen und Ausbildungskonzepte können entweder aus fachwissenschaftlicher Perspektive (zu nennen wäre hier etwa der Master Zukunftsforschung an der FU Berlin) oder unter der Perspektive von Futures Literacy als wichtiger Querschnittskompetenz betrachtet werden. Damit gibt es in diesem Bereich Parallelen zur Diskussion, etwa um die Unterscheidung von Data Literacy und Data Science, die im HFD bereits geführt wurde.

Schon seit 2012 gibt es Bemühungen der UNESCO, Futures Literacy als wichtige Querschnittskompetenz stärker in Gesellschaft und Ausbildung zu verankern. Dabei versteht die UNESCO unter Futures Literacy:

„the skill that allows people to better understand the role that the future plays in what they see and do. People can become more skilled at ‘using-the-future’, more ‘futures literate’, because of two facts. One is that the future does not yet exist, it can only be imagined. Two is that humans have the ability to imagine. As a result, humans are able to learn to imagine the future for different reasons and in different ways.” (UNESCO: Futures Literacy)

Im Zuge des UNESCO-Programms wurden auch Ansätze entwickelt, die für Futures Literacy zentralen Kompetenzen zu identifizieren sowie Ideen entwickelt, um das Thema im Hochschulbereich zu stärken. Wie jede (akademische) Kompetenz ist auch Futures Literacy ein Zusammenspiel von Wissen, der Anwendung von Methoden aber auch von Haltungen und Einstellungen, die in passenden Lehr- und Lernsettings erworben werden können.

Ich versuche seit mehreren Semestern Erfahrungswerte zur Umsetzung von Futures Literacy Lehre im deutschen Hochschulkontext zu sammeln. Die Ergebnisse sind bislang sehr motivierend: sowohl im Hinblick auf das Feedback als auch auf die Arbeitsergebnisse der Studierenden. Einige der Studierenden konnten beispielsweise ihre Projekterkenntnisse bereits auf nationalen Tagungen, wie etwa der LT:C 2022 oder der HFDcon vorstellen.

In der Breite der deutschen Hochschullandschaft ist das Thema jedoch nach wie vor ein Nischenthema. Daraus ergeben sich aus meiner Sicht verschiedene Fragen:

  • Welche Rolle kann und soll Futures Literacy im Hochschulkontext zukünftig spielen?
  • Welche didaktischen Konzepte können in diesem Kontext erfolgreich eingesetzt werden?
  • Wie schaffen wir es, eine Community of Practice zu diesem Querschnittsthema zu schaffen, um Austausch und gemeinsames Lernen zu ermöglichen?

Vielleicht kann dieser Blogpost ja auch ein Anstoß zum gemeinsamen Weiterdenken sein. Ich freue mich sehr über Ihre Kontaktaufnahme!

 

Anmerkung Team HFDvisions: Alle, die sich für Zukunftsarbeit im Hochschulkontext interessieren, laden wir herzlich ein, unserer Community of Practice: Futuring, Partizipative Zukunftsarbeit auf Mattermost beizutreten. In diesem Kanal möchten wir Ihnen sowohl  Inspirationen, Methoden und Good-Practice-Beispiele zum Thema vorstellen, als auch einen Austausch mit anderen Interessierten ermöglichen. Lasst uns gemeinsam wünschenswerte Zukünfte für Hochschulen entwerfen und von-/miteinander lernen! 

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