Der Einsatz von Blogs in der Lehre – Prof. Tim Krieger im Interview

Der Einsatz von Blogs in der Lehre – Prof. Tim Krieger im Interview

31.08.18

Schreiben

Der Einsatz von Blogs im Hochschulwesen gewinnt stetig an Bedeutung. Dabei sind grundsätzlich ganz verschiedene Einsatzszenarien vorstellbar. Einige Hochschullehrende nutzen Blogs, um selbst öffentlichkeitswirksam zu sein und aus ihrer Forschung zu berichten oder zu gesellschaftlichen Themen Position zu beziehen. Für Studierende bieten sich dadurch entsprechend digitale Diskussionsmöglichkeiten zu den dargestellten Inhalten. Andere Hochschullehrende nutzen Blogs zur Organisation von Lehrveranstaltungen, beispielsweise zur öffentlichen Ablage von Präsentationen oder Dokumentation des Seminarfortschritts. Ebenso ist denkbar, dass auf einer Meta-Ebene über die Ergebnisse eines Seminars an sich öffentlich informiert wird.

Ein noch relativ neues Szenario ist der Fall, dass Studierende über ein Blog selbst als Expertinnen und Experten zu aktuellen gesellschaftlichen Themen Meinungen veröffentlichen und diskutieren lassen. In einer entsprechend organisierten Lehrveranstaltung werden Studierende also selbst zu Autor/-innen und Redakteur/-innen. Genau mit diesem letzten Ansatz arbeitet Prof. Dr. Tim Krieger von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg seit Jahren erfolgreich und ausgezeichnet mit Lehrpreisen zusammen mit Studierenden im Rahmen seiner Lehrveranstaltung „Economics Blog“ an dem Blog „Think Ordo! – Ordnungspolitik neu denken“. Wir haben uns mit ihm über seine Motivation, die Ziele sowie Wege der Umsetzung unterhalten.

Prof. Dr. Tim Krieger

Herr Prof. Krieger, ein Blog von Studierenden selbst zu volkswirtschaftlichen Themen: wann und wie kam Ihnen die Idee zum Einsatz von Blogs in Ihrer Lehre?

Die Idee hatte zunächst einen recht eigennützigen Hintergrund. Ich fand den Gedanken, selber Meinungsbeiträge zu schreiben, immer schon sehr attraktiv und war von Blogs frühzeitig fasziniert. Als ich den Ruf an die Universität Freiburg erhielt, habe ich aber schnell bemerkt, dass ich mit der Entwicklung meiner Lehrveranstaltungen zu viel zu tun hatte, um einen ordnungspolitischen Blog mit regelmäßigen Inhalten für möglichst viele Leserinnen und Leser interessant zu machen. So kam mir die Idee, eine Lehrveranstaltung zu entwickeln, in der letztlich Studierende die Texte für einen ordnungspolitischen Blog schreiben und zwar in Form von Meinungsbeiträgen.

Wie sieht ganz konkret die Umsetzung des Bloggens in der Lehrveranstaltung aus?

Die Besonderheit dieser Lehrveranstaltung ist, dass die Teilnehmenden eine Doppelrolle als Autorinnen und Autoren Redakteurinnen und Redakteure einnehmen müssen. Nach drei Sitzungen zu Beginn, in denen ich – teilweise mit Unterstützung von gestandenen Zeitungsredakteuren – in das Bloggen und unseren Blog „Think Ordo!“ einführe, stellt jeder Teilnehmende mindestens einen selbst verfassten Blogbeitrag zu einem wirtschaftspolitischen Thema vor. Diesen muss er oder sie gegenüber dem Rest der Gruppe inhaltlich verteidigen.

Die daraus folgenden Diskussionen in unserer „Redaktionssitzung“ sind zumeist sehr fruchtbar und bringen Ideen für zusätzliche, überzeugendere Argumente und verbesserte Textstrukturen. Obwohl ich der verantwortliche Dozent bin, agiere ich dabei selber nur als einfaches Redaktionsmitglied und bringe meine Ideen genauso ein wie jeder bzw. jede andere. Im Anschluss an die Diskussionsrunde muss der Autor oder die Autorin den Beitrag überarbeiten und wieder in die Runde schicken, die dann weitere Überarbeitungen einfordert oder den Beitrag freigibt.

Auf welches Interesse stößt und stieß die Lehrveranstaltung?

Die Veranstaltung stößt vor allem unter den sehr engagierten Studierenden auf großes Interesse, was mich besonders freut, denn die Lehrveranstaltung lebt von der Diskussion untereinander. Viele Teilnehmende werden durch Mundpropaganda von Kommilitoninnen und Kommilitonen auf die Veranstaltung „Economics Blog“ aufmerksam und bewerben sich um eine Teilnahme. Da die Zahl der Plätze begrenzt ist, um das Redaktionsformat aufrecht erhalten zu können, muss ich inzwischen vielen Interessenten absagen.

Wie bewerten Sie die Leistungen der Studierenden?

Insgesamt bin ich mit der Beteiligung der Studierenden in unseren Diskussionsrunden sehr zufrieden. Das hat aber viel damit zu tun, dass es momentan gelingt, zahlreiche unserer besonders engagierten Studierenden als Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu gewinnen. Man merkt, dass es unglaublich viel Gesprächsbedarf gibt, der in den „normalen“ Vorlesungen nicht befriedigt werden kann. Gerade bei wirtschaftsethischen Fragen geht es in den Diskussionen hoch her.

Was die Blogbeiträge angeht, gelingen diese mal besser und mal schlechter. Nicht jedem und jeder ist es gegeben, knapp und elegant zu schreiben. Eine besondere Herausforderung ist es für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass sie pro Beitrag nur maximal 500 Wörter schreiben dürfen. In diesem engen Rahmen müssen sie ihr Thema vorstellen, ihre persönliche Meinung dazu mit wissenschaftlichen Argumenten untermauern und idealerweise auch noch mögliche Gegenargumente entkräften. Das ist alles andere als einfach.

Ich versuche die Studierenden dabei zu unterstützen, indem ich alle Beiträge auf sprachliche und inhaltliche Richtigkeit redigiere, ohne dabei jedoch die persönliche Meinung des Verfassers oder der Verfasserin zu ändern. Das Redigieren ist deshalb wichtig, weil alle Beiträge auf „Think Ordo!“ freigeschaltet werden und für jeden im Internet sichtbar sind, u.a. auch für die Personalabteilungen zukünftiger Arbeitergeber der Studierenden. Mir ist wichtig, dass auch nach ihrem Studium noch alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit ihren Beiträgen zufrieden und diese der Karriere eher förderlich als hinderlich sind.

Wie können Sie den hohen Betreuungsaufwand stemmen?

Der Betreuungsaufwand ist tatsächlich hoch, denn pro Studierendem werden drei Beiträge geschrieben. Da die Studierenden ihre Themen selber wählen dürfen, kommt es immer wieder zu der Situation, dass ich recherchieren muss, ob eine Aussage wissenschaftlich überprüfbar und korrekt ist. Hinzu kommen das Prüfen von Links, die Auswahl von passenden, aber – aus Kostengründen – lizenzfreien Bildern und die Überwachung der technischen Seite des Blogs, die man nicht unterschätzen darf. Für letzteres habe ich zum Glück eine technisch versierte Hilfskraft, die mich tatkräftig unterstützt. Oft komme ich jedoch mit dem Redigieren der Texte nicht hinterher, sodass auf dem Blog leider nur wenig Tagesaktuelles erscheinen kann. Trotz des hohen Aufwands möchte ich die Veranstaltung, an der viel Herzblut hängt, nicht missen, weil sie einfach sehr viel Spaß macht.  

Schreiben

Welche sogenannten Future Skills erwerben die Studierenden im Rahmen der Lehrveranstaltung „Economics Blog“?

Mein Anspruch in der Lehrveranstaltung „Economics Blog“ erscheint auf den ersten Blick eher trivial, ist jedoch nicht leicht zu erreichen: Die Studierenden sollen für ihr späteres Berufsleben erlernen, komplexe Sachverhalte so „herunterzubrechen“, dass sie für bestimmte Zielgruppen zugänglich werden. Darüber hinaus sollen sie lernen, Theorien und empirische Evidenz abzuwägen, zu einer Meinung zu kommen und diese dann zu vertreten. Ich erlaube den Teilnehmenden kein gedankliches „Durchlavieren“ und „Verstecken“ hinter einem wissenschaftlichen Abwägen, das in normalen Seminaren zur Genüge eingeübt wird. Es gibt nur: „Steuer rauf“ oder „Steuer runter“, Mindestlohn ja oder nein, nicht aber das berühmt-berüchtigte „Kommt drauf an…“. Das Ziel ist es ja letztlich, die Leserinnen und Leser des Blogs zu überzeugen. Für die Teilnehmenden ist dies eine große Herausforderung, die aber enorme Lerneffekte mit sich bringt. Sie erlernen dabei Fähigkeiten, die in Ministerien, Verbänden und Forschungsinstituten unabdingbar sind, aber im normalen VWL-Studium bedauerlicher zu kurz kommen.

Welche Tipps können Sie anderen Hochschullehrenden mit Interesse am Einsatz von Blogs in ihrer Lehre mitgeben?

Aus meiner Erfahrung gibt es vor allem einen wichtigen Tipp, den ich anderen Hochschullehrenden ans Herz legen möchte. Blogs sind eine großartige Sache, wenn es gelingt, die Studierenden einzubinden. Das Format einer Lehrveranstaltung zum Bloggen muss um die Interessen der Studierenden herum entwickelt werden. Stellt man einfach nur Seminararbeiten ins Netz, dann erreicht man damit nicht viel. Wenn man dagegen die Themenwünsche der Studierenden ernst nimmt, dann sind sie motiviert und das Ergebnis in Form ihrer Blogbeiträge ist viel überzeugender. Das macht es auch für einen selbst sehr viel interessanter, was sehr wichtig ist, denn ein Blog funktioniert nur, wenn er über mehrere Jahre läuft. Dazu braucht auch der Dozent oder die Dozentin die nötige Motivation. 

Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg und Spaß bei der Umsetzung der Lehrveranstaltungen „Economics Blog“. Vielen Dank für das Interview!

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