Zu viel Krise für Partizipation in der Lehre?

Zu viel Krise für Partizipation in der Lehre?

26.01.21

Gutes Kommunizieren muss heute auch in einer Pandemie besser funktionieren als zu früheren Zeiten/Pandemien.

Kerstin Dingfeld und Franz Vergöhl sind überzeugt, dass das Gelingen einer Lehr-Lernveranstaltung –digital und analog– sowohl in der Verantwortung der Studierenden, als auch an der Lehrenden liegt. In diesen Blogbeitrag geben Sie einen Einblick in ihre ausführliche Handreichung zum Thema studentische Partizipation in der Hochschullehre, das auf intensiver Literaturarbeit, Podcastgesprächen, Interviews, Tagungsteilnahmen, eigenen wissenschaftlichen Artikeln und  “Partizipationslaboren” der Autor*innen aufbaut.

Seit im Frühjahr 2020 an der Uni Hamburg (und allen anderen Hochschulen) das Semester durch einen Präsidiumsbeschluss als digitales Semester durchgeführt werden musste, fragen wir uns, wie es eigentlich mit den Möglichkeiten für selbstbestimmtes Studieren und partizipative Lehre aussieht. Unsere Erfahrungen haben wir ausführlich in einer Handreichung für Lehrende und Studierende festgehalten. Dort sind ebenfalls Vorschläge für die Umsetzung in der Praxis festgehalten. Dieser Artikel basiert auf der Handreichung.

Unser Eindruck ist, es gibt ein Partizipationsdefizit auf allen Ebenen. Vereinzelt kommen zwar Studierende zu Wort und können ihre Erfahrungen und Forderungen äußern, aber in Bezug auf Partizipation werden hier Chancen vertan. Dies gilt aus unserer Sicht insbesondere für die Umstellung und Durchführung digitaler Lehre. Die Partizipation von Studierenden in Lehrveranstaltungen ist sowohl in der Präsenzlehre als auch in der digitalen Lehre von großer Bedeutung. Wenn Studierende in die Gestaltung einer Lehrveranstaltung einbezogen werden, bringt dies unserer Erfahrung nach (und wir haben viel Erfahrung) viele Vorteile mit sich. Dazu gehören zum Beispiel: größere Motivation von Studierenden und Lehrenden, mehr Vertrauen zwischen den Beteiligten einer Lehrveranstaltung sowie ein verbessertes Verständnis für das Gegenüber.

Drei Wandtelefone mit Wählscheibe nebeneinander

 

Unsere Handreichung haben wir hauptsächlich während des ersten Coronasemesters erstellt. Unser Ziel war und ist es, nicht nur über Partizipation zu schreiben, sondern dabei selbst maximal partizipativ zu sein. Deswegen haben wir versucht, Lehrende und Studierende bestmöglich in den Prozess einzubinden. Aber vor allem Lehrende und Hochschuldidaktiker*innen waren in dieser Phase der Pandemie so gefordert, dass es sehr schwer war mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Für die Studierenden war die Zeit genauso anstrengend. Aber wir haben hier einen Unterschied in der Art der Belastung wahrgenommen. Lehrende schienen überlastet gewesen zu sein, weil sie sehr intensiv an digitalen Lösungen für ihre Lehrveranstaltungen gearbeitet haben. Studierende waren überlastet, weil sie mit diesen Lösungen konfrontiert wurden. Scheinbar war in der Zeit zu viel Krise für Partizipation.

Was verstehen wir unter “studentischer Partizipation in der Lehre”?

 

Wenn wir von Partizipation sprechen, dann meinen wir damit, dass sich alle Beteiligten gemeinsam über alles Wesentliche verständigen, Entscheidungen gemeinsam treffen und gemeinsam bewerten. Im Schatten von Corona möchten wir uns dafür stark machen, dass sich Lehrende auch über den Einfluss der Pandemie und von politischen Entscheidungen auf Studium und Lehre verständigen. Wir halten das für wesentlich.

Bezogen auf Hochschullehre bedeutet Partizipation, dass Lehrende gut kommunizieren, warum sie sich für das jeweilige didaktische Design entschieden haben. Gemeinsam mit den Studierenden sollten sie dann festlegen, welche Entscheidungen sie gemeinsam diskutieren und treffen wollen und woran sie hinterher messen wollen, ob die Lehrveranstaltung gut und erfolgreich war.

Studentische Partizipation in digitalen Lehrveranstaltungen

Studentische Partizipation kann auch in digitalen Lehrveranstaltungen in verschiedenen Situationen stattfinden. So ist das Geben und Nehmen von Feedback ein essenzieller Bestandteil von partizipativen Prozessen. Es sollte stets die Gelegenheit dafür gegeben sein, sich über die Lehrveranstaltung auszutauschen und gemeinsam mit allen Beteiligten über die Ausgestaltung zu entscheiden. Dies kann vor, während und nach dem Semester geschehen. Digitale Feedbackbögen könnten hierfür eingesetzt werden.  Für die Feedbackkultur in der Veranstaltung kann es förderlich sein, wenn Feedback außerdem wechselseitig gegeben wird: Nicht nur Studierende geben Lehrenden Feedback, sondern auch andersherum.

Eine generelle Kommunikationsstrategie (E-Mail, Abfragen/Feedbackmethoden, Sprechstunden, Zeiträume nach dem Unterricht, Telefon), die Lehrende im Voraus erarbeiten, erleichtert den Austausch zwischen Lehrenden und Studierenden. Studierende sollten darauf hingewiesen werden, die Kommunikationsmöglichkeiten aktiv zu nutzen. Ein Beispiel von Franz: Im Rahmen meiner Lehrveranstaltungen der Leuphana schrieb mir ein Teilnehmer eine Mail:

“Bin nun nach anfänglicher Motivationslosigkeit die letzten Tage wieder gut in die Auseinandersetzung mit den Inhalten und dem Seminar reingekommen und die Aufgabe war voll gut machbar und hilfreich:=) Insbesondere erst mal relativ frei(mütig) im Forum zur Rahmenbedingung zu schreiben fand ich eine hilfreiche anregende Art, ins Denken dazu zu kommen!”

Nicht zuletzt kann es hilfreich sein, wenn Studierende an der Gestaltung des Feedbacks selbst auch partizipieren können: Wozu, wann und von wem wird Feedback gegeben? Das kann dazu beitragen, eine ganzheitliche studentische Partizipation zu gewährleisten. Diese Hinweise können in Online-Veranstaltungen ebenso wie in der Präsenzlehre umgesetzt werden. So kann es in Zoom-Veranstaltungen direkt angesprochen werden, in Online-Tools bearbeitet werden (z. B. bittefeedback.de, tweedback oder universitätsinterne Tools) oder in Onlinesprechstunden besprochen werden. 

Sprechblase mit Inschrift "hello" aus Neonröhre an Gitterwand

Diese Hinweise zu Feedback zeigen bereits, wie Onlinelehre partizipativ gestaltet werden kann. Unsere Erfahrung zeigt zudem, dass neben Feedback noch weitere Aspekte wichtig sind. Es reicht nicht, wenn partizipative Elemente nur in der ersten Sitzung eingebracht werden, danach aber gar nicht mehr. Für eine wirklich gelungene Partizipation müssen diese Elemente immer wieder im gesamten Verlauf der Veranstaltung Bestandteil sein. Um möglichst viel Partizipation wahrscheinlich zu machen, kann es aus unserer Sicht hilfreich sein, nicht die ganze Veranstaltung im Vorhinein fest zu planen. Ein Vorschlag zur Umsetzung ist, erstmal nur drei Sitzungen zu planen, um dann in einer Feedbackschleife gemeinsam zu entscheiden, wie es weitergehen soll. In Onlineveranstaltungen kann beispielsweise dann darüber geredet werden, wie die Teilnehmenden mit den genutzten Tools zurechtkommen, ob sie sich andere Tools wünschen oder auch ob sie technische Probleme hatten. Die Rückmeldungen sollten dann konstruktiv genutzt werden. Die Verantwortung für eine gelingende Lehr-Lernveranstaltung liegt sowohl bei den Studierenden als auch den Lehrenden. Beide müssen sich darüber im Klaren sein und über die Bereitschaft, die Kompetenzen und das Wissen verfügen, um Verantwortung anbieten und annehmen zu können. Offene Kommunikation ist hierbei unerlässlich, so sollte über die Ziele der Lehrveranstaltung offen diskutiert werden. Damit allen klar ist, dass Lehrende und Studierende eine gemeinsame Verantwortung tragen, um die Ziele zu erreichen.

Zusammenfassung: Was können Lehrende und Studierende tun?

Viel und authentisch miteinander sprechen. Wir empfehlen dazu auch, den sogenannten Elfenbeinturm zu verlassen und eben nicht nur über das fachlich Relevante zu sprechen. Nehmt euch z.B. auch die Zeit darüber zu sprechen, was es bedeutet, wenn Weihnachten dieses Jahr unter den Bedingungen von Corona steht. Nur 10 Minuten zu Beginn eines Seminars. Solche Diskussionen bereiten den Boden für mehr Partizipation.

Die Handreichung, die wir oben bereits angesprochen haben, liefert noch weitere Ansätze, um studentische Partizipation in Lehr-Lernveranstaltungen zu etablieren.

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