6 Beobachtungen zur neuen Stiftung „Innovation in der Hochschullehre“
6 Beobachtungen zur neuen Stiftung „Innovation in der Hochschullehre“
30.11.20In diesem Gastbeitrag kommentiert Jan Wöpking die neue Förderbekanntmachung der Stiftung Innovation in der Hochschullehre und beurteilt sie vor Allem im Hinblick auf Ihr Potenzial für die Zukunft.
Sie haben es spannend gemacht, inklusive Countdown auf der Webseite: Die Stiftung „Innovation in der Hochschullehre“ hat ihre erste, lang erwartete Förderbekanntmachung veröffentlicht: „Hochschullehre durch Digitalisierung stärken“. Sechs erste Beobachtungen dazu:
1. Viele Stakeholder, Große Ziele
Die Förderbekanntmachung verdeutlicht, wie viele Stakeholder die Stiftung hat: Da ist der Bund, der einstweilen 100% der Mittel stellt; da sind sechzehn Länder, in deren Zuständigkeitsbereich die Hochschullehre fällt; und dann gibt es da noch die eigentliche Zielgruppe: die „gesamte bundesdeutsche Hochschullandschaft in ihrer Breite“. Konkret heißt das laut statistischem Bundesamt gegenwärtig 424 Universitäten, Fach-, Verwaltungs-, Kunst-, theologische und pädagogische Hochschulen, deren Studierendenzahlen von 500 bis 50000 reichen. An diesen Hochschulen soll, so das Ziel der Stiftung, eine „qualitativ hochwertige und international wettbewerbsfähige Lehre ausgebaut und dauerhaft gestärkt werden“. Zur Verfügung stehen dafür pro Jahr: 150 Millionen Euro. Bereits mehr als 2/3 des Stiftungs-Budgets sind durch den ersten Call für die nächsten drei Jahre gebunden. Anders gesagt: Die Ausschreibung ist kein Testballon.
2. Breites Portfolio, Fokus ‚Lernen aus Corona‘
Die Stiftung setzt auf der pandemischen neuen Normalität, also auf flächendeckender digitaler Lehre und Prüfungen, auf und will hier evaluieren, systematisieren, verankern und weiterdenken. Das war naheliegend und ist gerade deshalb sinnvoll. Denn das letzte Semester war eine echte Sprunginnovation für die Lehre, dessen fast schon sprichwörtlichen Schub es jetzt systematisch weiter zu treiben gilt. Beim Förderportfolio setzt der Call auf maximale Breite: Fast alles kann beantragt werden, was irgendwie in Lehr- oder Prüfungs-Innovationen münden könnte, egal ob digital angereicherte Präsenzlehre, hybride oder rein virtuelle Formate, Konzeption oder Umsetzung, Evaluierung oder Schaffung von Infrastruktur, Mentoring oder wissenschaftliche Dokumentation. Nur Bau und reine Forschung sind verboten. Gefördert werden Einzel- oder Verbundprojekte bis zu drei Jahren mit je einer halben bis fünf Millionen Euro. Das sind für kleine Hochschulen große Summen, für große Hochschulen nicht unbedingt.
3. Offenheit
Die Stiftung macht zwei kluge Schachzüge: Sie lässt inhaltlich nahezu offen, was beantragt werden darf – und beschränkt die Anzahl der Anträge pro Einrichtung auf genau einen, der über das Präsidium einzureichen ist. Diese Kombination von inhaltlicher Entgrenzung und organisatorischer Einhegung sichert ein großes Spektrum an potenziellen Innovationen, institutionelle Einbindung und Commitment der Leitung. Zugleich ist damit klar: Über die Innovationskraft der Projekte entscheidet letztlich die wissenschaftsgeleitete Expertenkommission mit studentischer Beteiligung. Ihr sei jetzt schon ausreichend Mut zum Risiko gewünscht.
4. Innovation oder Grundversorgung
Also alles gut? Der Teufel steckt wie immer im Detail. Denn förderfähig, so staunt man, sind auch Maßnahmen wie „Prüfung und Anpassung von Lehr-, Lern- und Prüfungsformaten an datenschutzrechtliche Vorgaben“, die „Weiterentwicklung von […] Hochschulordnungen“ oder „Verbesserungen der digitalen Infrastruktur“. Dies und einiges anderes sind zweifellos wichtige Aufgaben, für die es Hochschulen oft an Ressourcen mangelt. Aber sind es auch Innovationen? Oder müsste Infrastruktur und Datenschutz-Anpassung nicht vielmehr zur hochschulischen Grundversorgung gehören, soll aber stattdessen jetzt per Wettbewerb und auf Zeit eingeworben werden, obwohl es doch immer heißt, Lehre sei gerade kein Projekt?
5. Zukunftspotenzial
Umgekehrt enthält die Bekanntmachung sehr zukunftsweisende Ideen, etwa was die Förderung von Open Source Software und neuer Raumkonzepte für hybride Lehre angeht (allerdings: von welchen Mitteln wird dann das kluge Raumkonzept auch tatsächlich umgesetzt?). Darin steckt enormes Potenzial, gerade in Verbindung mit Querschnittszielen wie Offenheit, Studierendenzentrierung, Interoperabilität und Fehlerfreundlichkeit. Es war übrigens letztere, verbunden mit einem experimentellen Mindset, die wesentlich zur erfolgreichen Ad-Hoc Digitalisierung im Sommersemester beigetragen hat.
6. Verhältnis zu anderen Förderungen
Bemerkenswerterweise haben Bund und Länder nur eine Woche vor Veröffentlichung der ersten Förderbekanntmachung in der GWK ein separates, zweites Programm zu KI in der Hochschullehre vereinbart, das ebenfalls wettbewerblich organisiert und thematisch mindestens benachbart ist, aber trotzdem separat abläuft. Wie wird das Verhältnis der beiden Programme sein? Und dann ist da noch das Hochschulforum Digitalisierung, das übrigens auch KI macht. Und die Qualitätsoffensive Lehrerbildung. Und, ganz wild gedacht: Wie steht die Stiftung eigentlich zu den beiden anderen neuen Innovations-Akteuren, SPRIND und Cyberagentur? Gibt es da nicht auch potenzielle Schnittmengen, man denke etwa an die Entwicklung eines benutzerfreundlichen, sicheren Open Source Videokonferenzsystems mit spezifischen Funktionen für die Lehre? Anders gefragt: Wer sichert eigentlich Transfer und Austausch zwischen den Förderorganisationen?
Fazit
Die Stiftung hat eine riesige Aufgabe und sprüht vor Ideen. Viele davon finden sich im ersten Call, mitunter etwas versteckter. Und wer mit der Stiftung spricht, spürt auch, wie sehr alle dort für Lehre brennen. Optimale Voraussetzungen, damit sie zu einer echten Innovation im Fördersystem werden kann. Was es dafür vor allem braucht: Die Freiheit, sich bei mehreren Wegen für den weniger begangenen entscheiden zu können.