360°-Modelle für angehende Umweltingenieure*innen

360°-Modelle für angehende Umweltingenieure*innen

07.04.20

360°-Modelle für angehende Umweltingenieure*innen.

Florian Wehking und Mario Wolf von der Bauhaus-Universität Weimar stellen ein digitales Lernszenario zur sogenannten ,P-Bank‘ vor, das mit Hilfe von 360° Technologie als erfahrbarer 3D-Raum erstellt wurde. Dabei wird eine Vor-Ort-Begehung durch ein dreidimensionales, digitales Abbild ersetzt, um eine temporäre Installation auch nachträglich zu Lehrzwecken nutzbar zu machen. Die genutzte 360° Technologie eignet sich als Einstiegswerkzeug in die Digitalisierung in der Hochschullehre.

360°-Modelle für angehende Umweltingenieure*innen.

360°-Modelle als Brückentechnologie

Interaktive Medien, wie Simulationen, Serious Games oder VR- und AR-Experiences sind wertvolle Ergänzungen in der Hochschullehre, wie sich bereits in der praktischen Anwendung und in Studien – auch an der Bauhaus-Universität Weimar – gezeigt hat. Allein das vorlesungsbegleitende Lernen mit Hilfe einer Quiz-App hilft den Studierenden zu besseren Lern– und Klausurergebnissen zu gelangen. Ein ähnlich erfolgreicher Ansatz, der vor allem zur Motivationssteigerung bei den Studierenden führte, ist z.B. auch der jüngst im Blog des Hochschulforums Digitalisierung vorgestellte AR-unterstützte Rundgang in der Siedlungswasserwirtschaft mit Hilfe der Online-App PlayVisit.

Als einer der wesentlichen Hinderungsgründe des Einsatzes derartiger Technologien und Medien hat sich der Aufwand der eigentlichen Inhaltserstellung herausgestellt. Der Einsatz von digitalen Werkzeugen zur Verbesserung der Lehre trifft bei den meisten Lehrenden prinzipiell auf positive Resonanz. Jedoch wird der breite Einsatz dieser Technologien oft durch eine „Lern-Zeit-Barriere“ seitens der Lehrenden verhindert. Denn es fehlt häufig die Zeit, sich abseits der (Lehr-)Verpflichtungen mit den neuen Einsatzmöglichkeiten auseinanderzusetzen bzw. sich in die technischen Details einzuarbeiten. Zudem fehlen den Lehrstühlen die finanziellen Mittel, um die auf jeden Studiengang spezialisierten Lernszenarien mit Hilfe von externem Expertenwissen zu erstellen. Aus nachvollziehbaren Gründen wird deshalb zumeist auf die bereits erlernten und vorhandenen Lern- und Präsentationsformen zurückgegriffen, um den persönlichen und finanziellen Aufwand im Rahmen zu halten. Neue Technologien können häufig nur durch drittmittelfinanzierte Forschungsprojekte für eine Hochschule nutzbar gemacht werden. Unsere Fragestellung ist deshalb, wie sich mit Hilfe von benutzerfreundlicherer Technologie Abhilfe schaffen lässt?

Aus unseren eigenen Erfahrungen beim Einsatz der sich rasant weiterentwickelnden Technik kann hier die 2D- und 3D-360° Foto- und Videopanoramaaufzeichnung als eine Brückentechnologie fungieren. Diese soll Lehrenden den Einstieg in die Digitalisierung und Virtualisierung von realitätsabbildenden Lernszenarien erleichtern. Die Erstellung von VR- (also einer kompletten virtuellen Umgebung) oder MR- (im See-Through Einsatz) Anwendungen benötigt neben Programmierkenntnissen auch eine Reihe an teuren technischen Anschaffungen. Die 360° Technik ist dagegen bereits bei den Endverbrauchern, z.B. für Sport- und Freizeitaktivitäten, angekommen und dadurch für alle Nutzenden erschwinglich und einsetzbar. Die mitgelieferte Software wird stetig verbessert und benutzerfreundlicher, so dass man ohne viele Vorkenntnisse zu guten Ergebnissen gelangt. Bisherige technische Hinderungsgründe wie z.B. das Stitching (Zusammensetzen) der einzelnen Aufnahmen, wird nun vollautomatisch von der Software übernommen. Die Geräte selbst lassen sich per Smartphone-App und Live-View steuern, sodass auch hier die Barrieren zusehends abgebaut werden.

Um jedoch ein Lernszenario im Bereich der Realitätsabbildung für die Hochschullehre zu erzeugen, bedarf es am Ende trotzdem noch der richtigen Kombination von Technik und Software. Wie diese aussehen kann, soll im weiteren Verlauf anhand eines Beispiels geschildert werden.

Der vorgestellte Ansatz ermöglicht mit Hilfe von 360° Aufnahmen die Erzeugung von realitätsnahen 3D-Räumen und -Modellen, die virtuell begehbare Abbilder von real existierenden Orten und Gebäuden sind. Die Immersion lässt sich mit dem Einsatz verschiedener Techniken (2D-360° Fotos bis hin zu 3D-360° Videos) kontinuierlich steigern. Gleichzeitig spielt es dabei auch eine Rolle, mit Hilfe welcher Endgeräte die Inhalte genutzt / präsentiert werden (Desktopanwendung, Smartphones, HMDs etc.). Diese Überlegungen sollten vor der Erstellung von 360° Inhalten berücksichtigt werden, um Aufwand und Nutzen abzuwägen. Der von uns vorgestellte Einsatz nutzt 2D-360° Panoramen für eine spätere Desktop- bzw. Tablet Anwendung.

In diesem Beitrag werden wir zeigen, dass selbst die Erstellung von 3D-Modellen von ganzen Gebäuden mit Hilfe der 360° Technik vergleichsweise einfach möglich ist und durch Lehrende, aber auch studentische Hilfskräfte, erfolgen kann. Wir verstehen deshalb die 360° Technologie als Teilbaustein eines leichtgewichtigen, Bottom-up-Ansatzes der Digitalisierung der Lehre.

Einsatzgebiet Umweltingenieurwesen

Der Studiengang Umweltingenieurwesen ist eine Fachdisziplin des Bauingenieurwesens und beschäftigt sich mit der Planung, dem Bau und dem Betrieb von umweltverbundenen, technischen Infrastrukturen und Systemen. Genutzt werden diese beispielsweise in der Regenwasserbewirtschaftung, Abwasserentsorgung, Wasserversorgung, in Verkehrs- und Energiesystemen oder der Ressourcenwirtschaft.

Neben den technischen Systemen und theoretisch-rechnerischen Grundlagen, die die Studierenden zu erlernen haben, gehören auch eine Vielzahl von Bauwerken, deren Kenntnis für die Studierenden wichtig ist, um später in der jeweiligen Spezialisierung erfolgreich arbeiten zu können. Eine geführte Begehung solcher Bauwerke, wie z.B. Wasserwerke oder Kläranlagen, lässt sich aber nicht immer durch Exkursionen (vor allem für eine große Anzahl an Studierenden) ermöglichen, sodass sich für uns die generelle Frage stellte, wie man hier mit Hilfe neuer Medien an dieser Stelle Abhilfe schaffen kann.

Neben dieser Grundlagenvermittlung werden an der Bauhaus-Universität Weimar am Bauhaus-Institut für zukunftsweisende Infrastruktursysteme (b.is) in Forschungsprojekten unter anderem Konzepte für ,Neuartige Sanitärsysteme‘ (NASS) entwickelt. Der Leitgedanke liegt hier darin, Abwasser als eine wertvolle Ressource zu betrachten – weg von der Entsorgung des Abwassers, wie es seit je her durch das herkömmliche System erfolgt – hin zu dessen ressourcenorientierter Verwertung. In unserem Beispiel für ein begehbares Lehrmodell nutzen wir solch einen in einem Forschungsprojekt konzipierten Ansatz – die so genannte ,P-Bank‘ – da es sich hierbei um eine temporäre Anschauungsumgebung zur Öffentlichkeitsarbeit handelt.

Die ,P-Bank‘ als Fallbeispiel

Bei der ,P-Bank‘ handelt es sich um eine transportable Einheit, das zur Bewusstseinsbildung der Notwendigkeit zur Rückgewinnung der endlichen Ressource Phosphor in der Öffentlichkeit entwickelt wurde. (Abb. 1: ,P-Bank‘ Außenansicht) Basis der ,P-Bank‘ ist ein individuell gestalteter, mobiler Bauwagen, in dem Trenntoiletten als Bestandteil eines ,Neuartigen Sanitätssystems‘ Urin und Fäzes getrennt voneinander sammeln. Als endliche Ressource, die nur an wenigen Stellen auf der Erde natürlich vorkommt und abgebaut werden kann, sind in Zukunft Wege zu etablieren, Phosphor zu recyceln, da es beispielsweise als Dünger in der Landwirtschaft nicht zu ersetzen ist. Um diesen Aspekt weiterführend zu illustrieren, wird der Platz vor dem Bauwagen durch Bepflanzungen ergänzt, in der der zurückgewonnene Dünger direkt genutzt wird.Abb. 1 ,P-Bank‘ Außenansicht
Im menschlichen Urin kommt die Ressource Phosphor in ausreichendem Maße vor, sodass sie gesamtwirtschaftlich sinnvoll wieder nutzbar gemacht werden sollte. Jedoch ist es durch unser bestehendes Abwassersystem, in dem systembedingt in Häusern anfallende Abwässer unterschiedlichen Ursprungs (z.B. Waschmaschine, Toilette, Urinal) gemeinsam erfasst werden, nicht möglich sie zu extrahieren. Die ,P-Bank‘ versucht dieses Problem zu adressieren, in dem die verschiedenen Ressourcenströme getrennt voneinander gesammelt werden und so eine sinnvolle Aufbereitung ermöglicht wird. Am Ende entstehen so direkt vor Ort drei Arten von Phorsphordüngern.  

Die Ideen der ,P-Bank‘ werden bereits als Fallbeispiele in der Lehre in Vorlesungen eingesetzt – vor allem um für knapper werdende Ressourcen zu sensibilisieren und auf die Möglichkeiten hinzuweisen mit neuen, unkonventionellen Ideen aktuelle und zukünftige Probleme zu lösen. Jedoch ergibt sich bei den Studierenden aus der Zusammenfassung der Problemstellung sowie der PowerPoint basierten Vorstellung der ,P-Bank‘ nicht zwangsläufig ein tieferes Verständnis für die Sachverhalte. Deshalb kamen wir zu dem Schluss, dass es förderlich wäre, die ,P-Bank‘ als realitätsnahe Lernumgebung zu digitalisieren und virtualisieren. Dafür suchten wir nach einer zeit- und kostengünstigen Möglichkeit der Umsetzung.

Erstellung des 3D-Modells mit Hilfe von 360° Technologie

Als erste und einfachste Möglichkeit bot sich an, die ,P-Bank‘ durch eine ganze Reihe einzelner 360° Aufnahmen aufzuzeichnen, da wir bereits eine entsprechende 360° Kamera zur Verfügung hatten. Hierbei ergab sich jedoch das Problem diese einzelnen Aufnahmen später miteinander zu verknüpfen, begehbar und abspielbar zu machen, sodass sie sich wie ein dreidimensionaler Raum „anfühlen“.
Deshalb suchten wir nach weiteren, nutzerfreundlicheren Varianten. Dabei stießen wir auf die Möglichkeit einen Raum als Punktwolke aufzuzeichnen. Mit dieser Technologie werden mit Hilfe einer regulären Fotokamera von einem Raum eine Vielzahl von Aufnahmen aus unterschiedlichen Perspektiven gemacht. Eine entsprechende Software erfasst selbstständig die sich immer wiederholenden Elemente und berechnet durch die verschiedenen Aufnahmeperspektiven der einzelnen Fotos die Tiefe des Raums. Anhand der festgestellten Unterschiede wird dann ein dreidimensionaler Raum erzeugt. Da dieser Prozess ohne Vorwissen nicht ganz einfach umzusetzen ist, suchten wir nach einer Komplettlösung, die uns diese Arbeit abnehmen könnte.
Zu diesem Thema gibt es inzwischen eine ganze Reihe professioneller Anbieter, die sich darauf spezialisiert haben mit Hilfe von Laserscannern Räume und ganze Gebäude zu digitalisieren und dreidimensional nachzubilden. Einer dieser Anbieter ist Matterport. Diese Plattform wird vor allem dazu genutzt, hochpreisige Immobilien mit Hilfe von begehbaren Modellen zu verkaufen. Jedoch bietet dieser Anbieter seit Kurzem auch die Möglichkeit an, mit einer kleinen Auswahl an Consumergeräten die dahinterliegende Punktwolken-Software zu nutzen. Das ist erst möglich, seitdem 360° Consumergeräte auch die Tiefeninformationen innerhalb des 360° Bildes erfassen. Passenderweise wird hier die uns zur Verfügung stehende Kamera Insta360 ONE X unterstützt, sodass wir tatsächlich die ,P-Bank‘ in der Konstellation von Kamera und Software aufzeichnen konnten.Abb. 2: Screenshots der App ,Capture‘: Scanübersicht, Einsetzen eines 360° Fotos der Umgebung, Menü zum Erstellen von Etagen
Da es sich bei Matterport um einen kommerziellen Anbieter handelt, muss man ein Abonnement abschließen. Wird nur ein sogenannter ,Space‘ – also 3D Raum – benötigt, ist dieser kostenlos. Allerdings lässt sich dieser nicht öffentlich zugänglich machen – beispielsweise auf Webseiten einbetten oder in anderer Form verbreiten. Es bedarf immer der Account-Zugangsdaten. Im Abonnement enthält dagegen die Möglichkeit, für ca. 10 Euro im Monat bis zu 5 ,Spaces‘ zu scannen, zu annotieren und dann auch zu veröffentlichen (s. u.). Diese Variante nutzen wir für unser ,P-Bank‘ Beispiel. Mit Hilfe der oben erwähnten 360° Consumerkamera, die ca. 500 Euro in der Anschaffung kostete, und der iOS App ,Matterport Capture‘ (leider derzeit nur für iOS verfügbar) konnten wir die ,P-Bank‘ nach einer kurzen Einarbeitungsphase innerhalb einer Stunde komplett digitalisieren. Die App ermöglicht es auch mehrere Stockwerke innerhalb eines Space zu erstellen. (Abb. 2: Screenshots der App ,Capture‘) Dabei können auch die Übergänge wie Treppen gescannt und später in der First-Person-Perspektive zum Wechseln der Etage genutzt werden. Sind die Räume gescannt, werden die Daten über die App auf dem Smartphone oder dem Tablet in die Cloud geladen und dort in den 3D-Raum umgerechnet. Nachdem die Berechnung abgeschlossen ist, besteht die Möglichkeit über den Zugang auf der Webseite oder die App ,Showcase‘ den Raum zu betreten. Mit Hilfe der Maus oder der Touchfunktion auf Tablets und Smartphone kann man sich durch den dreidimensionalen Raum bewegen. Neben der First-Person Ansicht, gibt es noch die so genannte Dollhouse-Ansicht, in der der Raum / die Stockwerke von außen als 3D-Modell betrachten werden können. (Abb. 3: Dollhouse-Ansicht) Die Tiefenberechnung der hinterlegten Software funktioniert nur in Innenräumen. Deshalb lassen sich vom umliegenden Gelände lediglich 360 Fotos einbauen, um das Gebäude von außen betrachten zu können. Mit Hilfe eines Editors im Backend der Webseite lassen sich Annotationen wie Links, Fotos oder Videos einbinden, um weiterführende Informationen in den 3D-Raum zu integrieren. Ein Nachteil ist hier, dass diese Inhalte nur verlinkt werden können. Es ist also stets eine Internetverbindung notwendig, will man diese Inhalte abrufen. Fotos müssen über Plattformen wie Flickr verlinkt werden, Videos über YouTube oder Vimeo.Abb. 3: Dollhouse-Ansicht

Mit Sicherheit gibt es weitere alternative Möglichkeiten, die ebenfalls mit der Punktwolkentechnologie arbeiten um 3D-Modelle zu erzeugen. Auch lassen sich aus 360° Panoramaaufnahmen-3D-Räume manuell erstellen, wie z.B. mit der Software Everpano. Wir sind davon überzeugt, dass sich die rasante technische Entwicklung in punkto Punktwolken dafür sorgen wird, dass in Zukunft auch von Smartphone-Kameras 3D-Räume erzeugt werden können – vielleicht dann auch mit OpenSource-Software mit ähnlich einfacher Bedienung. Matterport arbeitet bereits an der Möglichkeit, mit Hilfe einer kleinen Auswahl an Smartphones (z.B. iPhone 11 Pro), die ebenfalls Tiefeninformationen aufzeichnen, 3D-Räume zu erzeugen.

Trotz der bisherigen Einschränkungen (Abonnementsystem, nur Möglichkeit von externen Verlinkungen etc.), bietet Matterport eine schnelle und benutzerfreundliche Möglichkeit, Lerninhalte mit wenig technischem Vorwissen zu erstellen und nutzbar zu machen. Gerade bei temporären Installationen kann eine begehbare Dokumentation so einen realen Eindruck erzeugen, der ähnliche Nachhaltigkeitseffekte erzeugt, wie eine Vor-Ort-Begehung. Dazu haben wir in einer Pilotstudie zur ,P-Bank‘ erste Ergebnisse gesammelt.

Für den Einsatz in der Lehre, wurde das gescannten ,P-Bank‘ Modell mit Hilfe von Annotationen um zusätzliche Informationen und Materialien gemäß der vorher festgelegten Lernziele ergänzt. (Abb. 4: gesetzte Annotationen im 3D-Modell) Dazu nutzten wir Videos, Fotos und Erklärungstexte, die zum Teil an den gleichen Stellen platziert wurden, wie sie auch im realen Raum zu finden waren – mit dem Unterschied, dass sie durch farblich abgesetzte Punkte im Raum gehighlightet wurden. Die verwendeten Videos (Ausschnitte von Fernsehbeiträgen) bieten darüber hinaus die Möglichkeit, einen Überblick über die Gesamtidee zu erhalten. Um auch die Umgebung abzubilden, in die ,P-Bank‘ aufgestellt war, wurden zusätzlich drei 360° Panoramafotos eingefügt. So lässt sich einerseits der Kontext der ,P-Bank‘ als öffentliche Informations-Toilette erläutern, als auch die Wiedernutzbarmachung von Phosphor als Pflanzendünger illustrieren.Abb. 4: gesetzte Annotationen im 3D Modell

Eine von uns durchgeführte Pilotstudie mit 19 Studierenden des Bachelorkurses ,Siedlungswasserwirtschaft‘ ergab überwiegend positive Ergebnisse. Die Studierenden empfanden diese Form des Lernens als sehr positiv. Sie hoben die Möglichkeit hervor, bereits bekannte Informationen mit einem realen Beispiel verknüpfen und  festigen zu können und bewerteten die Darstellung als motivierend. Allerdinges bemängelten nahezu allen Proband*innen die fehlende Reihenfolge der Informationen. Als Abhilfe sind in Zukunft didaktische Maßnahmen zur Führung der Studierenden zu ergreifen.

Festzuhalten ist, dass die Virtualisierung von lernrelevanten Gebäuden durch 360° 3D-Modelle generell als sinnvoll eingestuft wird. Gerade wenn es aber um die Details hinter der Oberfläche geht, bedarf es einer Kombination mit klassischen Lernmethoden. Eine Exkursion lässt sich nur teilweise ersetzen. Beispielsweise kann der Austausch mit dem Personal vor Ort (noch) nicht wiedergegeben werden. Im Sinne von nur temporären Zugängen zu Exkursionsorten oder Projekten ist es aber ein sinnvolles Werkzeug. 360° Modelle ermöglichen zudem einer breiteren Studierendenzahl, an realen Beispielen zu lernen. Aufgrund des vergleichsweise geringen Aufwandes der Erstellung von 360° Modellen sehen wir einen hohen Mehrwert für die Hochschullehre. Als ergänzendes Lehrangebot bietet die 360° Technik einen sinnvollen Einstieg in die Digitalisierung von Lehrinhalten.

Damit jeder sich selbst einen Eindruck von der virtuellen ,P-Bank‘ verschaffen kann, gibt es hier die Möglichkeit, das 360° Modell selbst zu betreten und zu entdecken.

Diskussion & Ausblick

Nach der erfolgreichen Erprobung unseres ersten 360° Modells sehen wir viele weitere Einsatzmöglichkeiten in der Ausbildung von Umweltingenieuren*innen. Denn gerade hier geht es oftmals auch um die Vermittlung komplexer Infrastrukturbauwerke, seien es Wasserwerke, Klärwerke, Werkstätten oder Biogasanlagen. Inwieweit der Einsatz der Technik in anderen Studiengängen sinnvoll ist, bedarf der Bewertung der Lehrenden selbst. Aktuell arbeiten wir an einem weiteren, weitaus komplexeren 3D-Modell eines Wasserwerkes, das drei Stockwerke umfasst. (Abb. 5: 3D-Modell Wasserwerk) Hier ist es vor allem spannend, die verschiedenen Wartungsarbeiten, die über das Jahr ausgeführt werden müssen, zu dokumentieren, aufzubereiten und bereitzustellen. Im Rahmen der weiterführenden Ausbildung von Mitarbeiter*innen im Bereich der Wasserversorgung können später, zeitlich unabhängig und ortsungebund, alle Arbeitsschritte vermittelt werden.Abb. 5: 3D-Modell Wasserwerk

Weiterhin arbeiten wir an einer Step-by-Step Bedienungsanleitung zur Aufnahme von 360° Modellen mit der vorgestellten Technik, die Lehrende in die Lage versetzen soll, 360° Modellen für den Einsatz in der eigenen Lehre zu erstellen.

Weiter verfolgt werden muss noch die Konzeption didaktischer Szenarien für 360° Modelle. Die einfache Anweisung, das Modell zu explorieren, ist didaktisch nicht ausreichend.

Ein weiterer Arbeitspunkt ist die Nutzung einer Software eines externen Drittanbieters. Dies führt zu Folgekosten und Abhängigkeiten. Hier sollen frei verfügbare Alternativen geprüft werden.

Zusammenfassung

Abschließend können wir festhalten, dass uns die 360° Technologie es ermöglicht mit vergleichsweise kleinem Aufwand 3D-Modelle zu erstellen. Deshalb kann die Technik als leichtgewichtiger Bottom-Up-Ansatz und Einstig in die Digitalisierung der Lehre genutzt werden, der durch den Lehrenden selbst angestoßen werden kann. Die bereitgestellten Szenarien können den Studierenden in Zukunft wertvolle Erfahrungen ermöglichen, zu denen sie sonst nur bedingt Zugang hätten. Gerade großen Gruppen von Studierenden kann dies ein wichtiges Werkzeug werden. Gleichzeitig ist uns bewusst, dass der Einsatz der Technik auf bestimmte Anwendungsgebiete beschränkt sein wird.

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