„Eins plus eins ist mehr als zwei“: Das Educational Experts Seminar 2019

„Eins plus eins ist mehr als zwei“: Das Educational Experts Seminar 2019

06.02.20

Das Educational Experts Seminar in Berlin

Was passiert, wenn sich 25 deutsche und amerikanische Hochschulbildungsexpert*innen auf eine gemeinsame Reise begeben? Sie entdecken viele Unterschiede zwischen den beiden Bildungssystemen – manche erstaunlich, manche erwartbar, manche skurril oder lustig. Im direkten Austausch finden sich aber auch jede Menge Gemeinsamkeiten. Redakteurin Katharina Frier-Obad hat das Educational Experts Seminar begleitet und berichtet im Blog vom transatlantischen Austausch.

Gruppenfoto der Teilnehmenden des Educational Experts Seminars.

Zehn Tage waren die diesjährigen Teilnehmenden des Educational Experts Seminar 2019 gemeinsam in Boston, New York und Berlin unterwegs, um sich ein Bild davon zu machen, wie sich die Digitalisierung auf die Hochschulen diesseits und jenseits des Atlantiks auswirkt. Und welche Möglichkeiten und Herausforderungen sie birgt – sehr unterschiedliche nämlich, was unter anderem mit der Finanzierung zusammenhängt.

Zwei Perspektiven, gemeinsame Fragen

Ein Modell der Freiheitsstatue beim Educational Experts Seminar in New YorkIn den USA ist Hochschulbildung vorwiegend durch Studiengebühren, Geld aus der Wirtschaft und Spenden finanziert, in Deutschland zu einem großen Teil öffentlich. „Diesen Luxus haben wir nicht“, sagte Dr. Ahmad Ezzeddine, Associate Vice President, Educational Outreach and International Programs der Wayne State University. Er frage sich allerdings, ob eine staatlich finanzierte Hochschullandschaft für den Wandel gewappnet sei. „Neben den Unterschieden gibt es aber viele gemeinsame Fragen, die uns alle antreiben.“, so Prof. Dr. Julia von Blumenthal, Präsidentin der Europa-Universität Viadrina. „Es ist sehr bereichernd, sich vor der Fragestellung, welche Lösungen auch für die eigene Situation passen könnten, über die sehr unterschiedlichen Ansätze auszutauschen.“ 

Verwaltungen einbeziehen

Als besondere Herausforderung sieht Dr. Christina Reinhard, Kanzlerin der Ruhr Universität Bochum, die Frage, wie auch Beschäftigte in den Verwaltungen in die Lage versetzt werden können, Teil der digitalen Transformation zu werden. „Wenn es uns nicht gelingt, die Verwaltungen der Hochschuleinrichtungen mitzunehmen, wird die Digitalisierung zu einem riesigen Bremsklotz.“

Geschäftsmodelle vs. Kulturwandel

Prof. Dr. Klaus Kreulich, Vizepräsident der Hochschule für angewandte Wissenschaften München, sah seinen Eindruck bestätigt, dass die Digitalisierung in den USA oft auf die Frage reduziert sei, wie Geschäftsmodelle optimiert werden können. In Deutschland gehe es hier nicht um die Kosten, sondern um die Frage der Kultur des miteinander Lernens – und hierzulande würden Online-Formate im Vergleich zu Präsenz-Angeboten immer als die schlechtere Variante wahrgenommen.

Vier Themenblöcke in innovativen Formaten

Die Educational Experts tauschten sich in verschiedenen innovativen Formaten aus.Neben dem Bereich Smart Curriculum and Learning befassten sich die Expert*innen mit drei weiteren inhaltlichen Themenblöcken: neue Technologien und ihre Auswirkungen auf den Bildungsbereich, der Einfluss der Digitalisierung auf die Forschung sowie institutionelle Strategien für den Umgang mit alldem, insbesondere im Hinblick auf Change Management. Konkrete Fragen innerhalb dieser Themenblöcke waren beispielsweise, welche Auswirkungen Künstliche Intelligenz und Big Data auf die Hochschulen haben, welche neuen Chancen und Herausforderungen die Digitalisierung für die Forschung birgt und wie die Institutionen den digitalen Wandel für alle Hochschulbereiche gewinnbringend einsetzen können.

Während beim ersten Teil der Learning Journey in den USA Besuche digitaler Entwicklungszentren, wie zum Beispiel im MIT Media Lab, der Harvard University, bei edX und The New School auf dem Programm standen, vertieften die Bildungsexperten in Berlin den Austausch in die andere Richtung. Hier führten sie einerseits Gespräche mit Akteuren aus der deutschen Hochschullandschaft in innovativen Formaten wie einer Unconference und World Cafés, sowie andererseits mit der Bundesregierung. Als bereichernd empfanden sie auch den Austausch mit Studierenden und weiteren Interessensvertretern aus dem Bildungsbereich, etwa Anbietern von Bildungssoftware oder Praktikern aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz. Zudem gab es immer wieder Gelegenheit zum intensiven internen Austausch unter den Teilnehmenden.

Kompetenzen für den Wandel

In diesen Diskussionen fiel immer wieder der Begriff der “Transformation Literacy“: Die Digitalisierung steht in einem größeren Zusammenhang globaler Veränderungen – und um diesen Veränderungen gewachsen zu sein, braucht es nicht nur Antworten auf technische Fragen, die sich für die Hochschulen und andere Akteure im Zusammenhang mit der Digitalisierung ergeben. Stattdessen ist die Kompetenz aller Beteiligten gefragt, auf Veränderungen souverän zu reagieren und den Wandel im besten Sinne zu gestalten und zu nutzen.

People and space matter

Das Educational Experts Seminar in BerlinGerade in Berlin kreisten die Diskussionen immer wieder um den Menschen im Zentrum der digitalen Transformation. Jenseits aller kulturellen Unterschiede ist für eine gelingende digitalisierte Welt auch eine bestimmte Haltung entscheidend: Offenheit gegenüber Neuem, eine Fehlerkultur, mehr Ausprobieren statt Theorie. Nur auf den ersten Blick überraschend: Auch reale, physische Orte, an denen menschliche Begegnung möglich ist, halten die Educational Experts für eine wichtige Grundlage des Wandels – „space matters“.

Mehr als die Summe der Einzelteile

Letztlich gehe es beim Thema Digitalisierung nie nur um Technologie, sondern immer auch um gesellschaftliche Fragen, sagte etwa Dr. Rebecca Stein, Executive Director of Online Learning Initiative von der University of Pennsylvania. Ohne das direkte Gespräch miteinander sei es kaum möglich, die kulturellen Unterschiede und Lösungsansätze zu verstehen. Darin besteht für Stein auch die besondere Stärke des Seminars: in einer „super additivity“, einem übergeordneten Wert, der im Ergebnis zu mehr als der Summe der beiden Teile führt.

Ausblick: nachhaltige transatlantische Netzwerke

Und so endete die Learning Journey nach insgesamt zehn Seminartagen Mitte Dezember in Berlin – und trotz der vielen Unterschiede mit vielen gemeinsamen Vorhaben. Beispielsweise wird ein fakultätsübergreifendes, transatlantisch-kollaboratives Projektarbeitsmodul für Studierende geplant, das online und persönlich in beiden Ländern stattfinden soll. Eine andere deutsch-amerikanische Gruppe will sich mit einem Standard für Digitalisierung der Hochschulen befassen, weitere beispielsweise mit Lehrplänen für digitale Kompetenzen oder einem Ideenaustausch rund um das Thema Spaces – Räume für die Digitalisierung.

 

Organisiert wurde das Seminar durch die Deutsch-Amerikanische Fulbright-Kommission in Zusammenarbeit mit dem Stifterverband, dem Hochschulforum Digitalisierung, dem German Center for Research and Innovation in New York und dem Impact Hub Berlin. 2019 war das Seminar Teil des deutsch-amerikanischen Freundschaftsjahres unter dem Motto „Wunderbar together“.

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