Inklusion durch Technologie: Bericht von der Digital Imagination Challenge
Inklusion durch Technologie: Bericht von der Digital Imagination Challenge
21.02.18Innovation und Partizipation in digitalen Medien auch in der Lehre das war einer der Schwerpunkte der Digital Imagination Challenge, dessen Preisträger am 15. Februar in Berlin gekürt wurden. Unser studentischer Mitarbeiter Florian Hanke war vor Ort und berichtet über die Challenge.
Die digitale Welt umfasst bereits alle Bereiche des Lebens, prägt unsere Gesellschaft und die Art und Weise, wie wir im Alltag und im Beruf miteinander kommunizieren und kollaborieren. Innovative, digitale Technologien und Applikationen erscheinen jeden Tag und bieten die Infrastruktur für gesellschaftlichen Wandel. Der Zugang zu Informationen und die Verwendung digitaler Medien bieten dabei ganz neue Möglichkeiten, sei es bei der Arbeit, im Privaten oder der Bildung. Nur Mitmachen können bisher nicht alle. Viele Applikationen und insbesondere digitale Medien sind nicht barrierefrei konzipiert und machen ihre Nutzung für viele umständlich oder unmöglich. Algorithmen automatisieren zunehmend unser Leben. Sie steuern anhand von definierten Merkmalen Zugang und Teilhabe in vielen gesellschaftlichen Bereichen. Technologie ist jedoch nur dann nützlich, wenn sie die ganze Vielfalt unserer Gesellschaft abbildet. Hierfür müssen wir Softwareentwicklung inklusiv gestalten. Eine zukunftsfähige digitale Gesellschaft ermöglicht es allen Menschen, voll und ganz an der digitalen Welt teilhaben zu können. Diese digitale Inklusion gilt es zu gestalten und in diesem Bereich bestehen in Deutschland noch Herausforderungen – auch in der Bildung.
Wenn Barrierefreiheit bei der Konzeption digitaler Lehr- und Lernumgebungen und somit beim Einsatz digitaler Medien nicht von Anfang an mitgedacht wird, entstehen schnell Bildungsbarrieren. Dem muss aber nicht so sein: Digitalisierung kann ebenfalls neue Möglichkeiten eröffnen und Chancen ermöglichen, in dem der Zugang zu Bildung erweitert wird. Prof. Dr. Zorn erläutert diese Chancen und Risiken in ihrem Blogbeitrag, weist auf die Notwendigkeit gesetzlicher Verpflichtungen hin, sowie auf den Mehrwert der sich daraus für alle ergeben kann. Lediglich die Frage der Machbarkeit bleibt am Ende bestehen: Barrierefreier Zugang kostet Geld. Muss er aber nicht. Jedenfalls nicht zu viel. Das ist die Erkenntnis des Abends oder viel mehr das Ergebnis der Digital Imagination Challenge.
Die Digital Imagination Challenge hat nach Wegen gesucht, die Inklusion von Menschen mit Behinderung in den digitalen Medien effizient zu ermöglichen. Aus 27 kreativen Ideen wurden 5 Finalisten ausgewählt und durch ein vierwöchiges Supportprogramm mit Pitch-Training und Coaching begleitet. Am 16. Februar war es dann soweit die fünf Finalisten aus ganz Deutschland stellten ihre innovativen Ideen vor einer Jury und dem Publikum vor. Auch wenn die meisten dieser Lösungen nicht spezifisch für die Anwendung in der Hochschulbildung entwickelt wurden, so können sie doch alle einen deutlichen Mehrwert für die Konzeption barrierefreier digitaler Lernmaterialien bieten. Im Folgenden stelle ich die verschiedenen Anwendungen sowie deren Möglichkeiten für den Einsatz in der Lehre vor.
Der erste Platz, der mit 15.000 Euro dotiert wurde, geht an Frazier von Video to Voice, Berlin. Frazier ist eine Audiodeskriptionssoftware mit Text-to-Speech-Technologie. Diese Software ermöglicht es relativ schnell und einfach z.B. Lehrvideos barrierefrei zu gestalten, indem das Video mit einer Audiotranskription versehen wird. Lediglich der Text für die Audiotranskription muss selbst erstellt werden. Hierfür gibt es eine große Community auf der Website von Frazier in der Anleitungen und Tipps für die Erstellung von Audiotranskriptionen zur Verfügung gestellt werden. Die Software, die den Text als Audiotranskription an das Lehrvideo koppelt und mit einer Stimme versieht, ist frei zugänglich verfügbar. Es handelt sich hierbei also um eine Softwarelösung, die den Aufwand für Lehrende deutlich mindert, bestehendes Videomaterial auch für Studierende mit Sehbehinderung zugänglich zu machen. Die Erstellung der Texte für die Audiodeskription könnte hierbei Gegenstand einer Lernleistung der Studierenden sein. Für mehr Informationen geht es hier zum Interview mit Frazier.
BACC von Freunde der DZB e.V., Leipzig belegt den zweiten Platz und erhält 5.000 Euro Preisgeld. Sie haben ein Prüfwerkzeug zum automatisierten Testen der Barrierefreiheit von E-Books bzw. EPUB-Publikationen entwickelt. Auch diese Anwendung ist kostenlos im Internet verfügbar. Lehrende können E-Books und Reader, die sie ihren Studierenden zur Verfügung stellen wollen, hier auf Barrierefreiheit überprüfen lassen. Nachdem die Software die jeweilige Publikation geprüft hat, stellt sie einen Bericht zur Verfügung. Lehrende können dann einsehen, in welchen Bereichen Probleme bestehen und erhalten Tipps wie sich diese in Zukunft vermeiden ließen. Hier geht’s zum Interview mit BACC.
Der dritte Platz geht an GazeTheWeb vom Institute for Web Science & Technologies der Universität Koblenz-Landau. Das Team um Prof. Dr. Steffen Staab hat einen Webbrowser entwickelt, der Menschen mit motorischen Einschränkungen mittels Augensteuerung die Interaktion mit der digitalen Welt ermöglicht. Über diese Oberfläche lassen sich auch digitale Lernangebote nutzen. Hier geht’s zum Interview mit GazeTheWeb.
Die weiteren Finalisten sind SignersMask des Mental Health & Deafness e.V. und des Kompetenzzentrums für Gebärdensprache & Gestik der RWTH Aachen. Sie haben eine App zur Anonymisierung von Signers (Gebärdensprechenden) entwickelt, um Diskriminierungen im interaktiven Dialog vorzubeugen. Das Projekt LAYA – Learn as you are, von Kopf, Hand + Fuss , (Berlin) hat einer E-Learning-Plattform entwickelt, die im Front-End, im Content-Bereich und als Autorentool barrierefrei ist. Bestehende Inhalte, z.B. Lehrvideos lassen sich hier einfach auf die Plattform integrieren. LAYA ermöglicht es dann die Inhalte für alle barrierefrei zugänglich zu machen. Videos können mit Audiodeskription für Blinde, Gebärdensprachvideos für Gehörlose und mit leichter Sprache für Menschen mit kognitiver Einschränkung versehen werden. Die Plattform an sich ist als open source Projekt wie gesagt freizugänglich, die Erstellung von z.B. Gebärdensprachvideos wird von Kopf, Hand + Fuss als Dienstleistung angeboten.
Alle hier vorgestellten Projekte bieten einen beachtlichen Mehrwert für barrierefreie digitale Lehre an Hochschulen. Lehrende können bei der Konzeption und der Einbindung digitaler Medien in ihre Lehre ohne hohe Kosten auf diese Angebote zurückgreifen. Dabei gilt auch für digitale Lehre: Nachrüstung ist möglich, aber meist mit hohem Aufwand verbunden. Wenn aber Barrierefreiheit von Anfang an konzeptionell mitgedacht wird, lassen sich nicht nur Kosten senken, sondern ganz neue Chancen realisieren: Barrierefreiheit stört niemanden. Veranstaltungen wie die Digital Imagination Challenge setzen hier einen wichtigen Fokus.