Kompetenzen für die Arbeitswelt von heute und morgen: 21st Century Skills and beyond

Kompetenzen für die Arbeitswelt von heute und morgen: 21st Century Skills and beyond

06.09.17

Was passiert, wenn Routinearbeiten automatisiert erledigt werden? Welche Fähigkeiten werden wichtig und machen die menschliche Arbeit aus? Deborah Schnabel und Andre Hartmann vom Creative Learning Space stellen verschiedene Konzepte zu zukünftigen Kompetenzen vor und erläutern, wie man sich diese am besten aneignen kann.

Wie stark die Auswirkung der großen Treiber unserer Zeit heute und zukünftig wirklich ist, wird sich noch zeigen. Sicher ist jedoch, dass Megatrends wie Digitalisierung, Automatisierung und Globalisierung unser Leben und Arbeiten nachhaltig prägen. Manche sprechen gar von der vierten industriellen Revolution (Anderson, 2013) und so ist das Schlagwort Industrie 4.0 ubiquitär. Wir diskutieren über intelligente Maschinen, vernetze Dinge und selbstfahrende Autos. Doch was bedeutet Digitalisierung oder Automatisierung für den Menschen und seine Fähigkeiten in einer Arbeitswelt von morgen? Mit Konzepten wie den 21st Century Skills oder Future Work Skills wird versucht, sich dieser Herausforderung zu nähern – und eben das wollen wir im Folgenden auch tun.

Was treibt uns überhaupt?

Die wohl prominenteste Studie zur Veränderung der Arbeit stammt von Frey und Osborn aus dem Jahr 2013. Sie wird immer wieder zitiert, wenn es darum geht, die Digitalisierung und Automatisierung als Chance bzw. Bedrohung für unsere Arbeitswelt zu begreifen. Sicherlich lässt sich darüber streiten, welche Berufsbilder nun wirklich verschwinden und ob dann mehr oder gerade weniger Menschen arbeitslos oder geringverdienend sein werden. Eindeutig ist nur, dass der Computer bislang vor allem bestimmte Tätigkeiten ausführen kann, während andere ausschließlich dem Menschen obliegen. Die Maschine ersetzt kurz- und mittelfristig eher Routinetätigkeiten als soziale und kreierende Aufgaben. Damit zeichnet sich noch einmal ganz deutlich unsere Fahrtrichtung ab: es geht in Richtung Wissensgesellschaft und wir kommen der Zielregion bereits sehr nahe.

Wir befinden uns aber schon lange nicht mehr in einer Entweder-Oder-Situation im Sinne von, entweder wird der Mensch oder die Maschine bei einer Tätigkeit eingesetzt. Vielmehr entstehen breitgefächerte Interaktionen zwischen dem Menschen mit dem Computer und eben dadurch auch neue gesellschaftliche Entwicklungen, Aufgabenfelder und Kompetenzbereiche.

Was brauchen wir?

Eine Gemeinsamkeit ist dabei, dass sich die Komplexität und Dynamik erhöhen. Viele Beschäftigte stehen vor ähnlichen Herausforderungen: die Geschwindigkeit der Märkte erhöht sich, die Wünsche der Kunden werden spezifischer und die Zusammenarbeit mit unterschiedlichsten Stakeholdern geschieht über Ländergrenzen hinweg. Ganze Branchen verändern sich. Das zieht eben auch neue Anforderungsprofile nach sich, in deren Mittelpunkt Kompetenzen wie kreatives Problemlösen für Berufsbilder rücken, die bislang nichts damit zu tun hatten. Von der öffentlichen Verwaltung bis zum Großkonzern zieht sich der Innovationsbedarf aktuell durch alle Fachbereiche.

All jene Fähigkeiten greift das 21st Century Skills Modell auf (Bellanca & Brandt, 2010; Trilling & Faden, 2009). Mehr noch: es geht davon aus, dass bei modernen Arbeitsaufgaben, vor allem im Bereich der Wissens- und Projektarbeit, simultan mehrere Kompetenzen gebraucht werden, die sich untereinander bedingen und beeinflussen. Die 21st Century Skills haben einen direkten Einfluss auf die Entwicklung von Innovationen und werden daher auch als Innovationskompetenzen (siehe OECD) bezeichnet.

Das 21st Century Skills Modell deckt vier Kompetenzfelder ab:

  • Kompetenter Umgang mit Medien, Technologien, Informationen und Daten
  • Virtuelle und persönliche Kommunikation und Kollaboration vor dem Hintergrund von Diversität (z.B. Interdisziplinarität, Interkulturalität, Alter)
  • Kreative Problemlösung, Innovationsfähigkeit, Analytisches und Kritisches Denken
  • Flexibilität, Ambiguitätstoleranz, Eigenmotivation, Selbständiges Arbeiten

„Not new, but a worthy challenge.“

So lautet der Titel eines Artikels von Rotherham und Willingham (2009) zu den 21st Century Skills. Das trifft es ziemlich auf den Punkt. Dass soziale Kompetenzen oder Eigenmotivation wichtig sind, war den meisten bestimmt auch schon im 20. Jahrhundert klar. Es ist das Zusammenspiel, die Qualität und die Stoßrichtung, die das 21st Century Skills Konzept für die Zukunft der Arbeit so bedeutsam machen. Deutlich wird dies, wenn wir genauer auf die entsprechenden Fähigkeiten schauen, wie etwa in der Studie Future Work Skills 2020 des Institute for the Future in Zusammenarbeit mit dem University of Phoenix Research Institute im Jahr 2011. Hier wurden die 21st Century Skills noch einmal spezifiziert. Daraus ergaben sich spannende Fähigkeiten wie u.a.:

  • „Computational Thinking“, die Fähigkeit, eine große Menge an Daten in abstrakte Konzepte zu gießen und datenbasierte Logik zu verstehen.
  • „Sence Making“, die Fähigkeit, eine tiefere Bedeutung oder Bedeutsamkeit aus Botschaften ableiten zu können.
  • „Transdisciplinarity“, die Fähigkeit, Theorien und Ansätze aus unterschiedlichen Disziplinen zu begreifen.
  • „Design Mindset“, die Fähigkeit, Aufgaben und Arbeitsabläufe entsprechend der gewünschten Ergebnisse zu gestalten.
  • „Cognitive Load Management“, die Fähigkeit, die Wichtigkeit von Informationen zu erkennen und die eigene kognitive Leistungsfähigkeit mit entsprechenden Methoden und Techniken zu erhöhen.
  • „Novel & Adaptive Thinking“, die Fähigkeit Lösungen und Antworten zu finden, die über Gewohntes und Regelkonformes hinausgehen (Davies, Fidler, & Gorbis, 2011).

21st Century Skills: Wie lernen wir das?

Ob nun wirklich neu oder nur neu benannt, die beschriebenen Fähigkeiten sind in unserer heutigen Arbeitswelt ein Schlüssel zur Beschäftigungsfähigkeit des Menschen.

Die OECD fordert in ihrer Bildungsinitiative „Innovating to Learn, Learning to Innovate“ deshalb gezielt Bildungskonzepte, mit denen 21st Century Skills an Schulen und Hochschulen gefördert werden können. Während durch die Digitalisierung in Ländern wie Luxemburg, Kanada oder den USA das 21st Century Skills Konzept bereits in die Schul- und Hochschulbildung integriert wird (Trilling & Faden, 2009), blieb es in Deutschland bislang weitgehend unbeachtet.

Laut Trilling und Faden (2009) eignet sich vor allem das problem-basierte Lernen, um 21st Century Skills zu entwickeln. Sowohl bei problem- als auch bei erfahrungsbasierten Ansätzen kann der Forderung nach mehr Kompetenzorientierung am besten nachgekommen werden, da kreatives Problemlösen, analytisches Denken, kollaboratives Verhalten und Anpassungsbereitschaft aktiv mitgefördert werden. Um dennoch das notwenige Fachwissen zu vermitteln, kann problem- und erfahrungsbasiertes Lernen mit digitalem Lernen im Inverted Classroom kombiniert werden. Die Idee der Inverted Classroom Methode ist es, klassische Lernszenarien aufzubrechen und mehr Möglichkeiten für die Klärung, Elaboration und Anwendung von Inhalten, vor allem in der Präsenzphase, zu schaffen (Lage, Platt & Treglia, 2000).

Wissen kann also vor Präsenzphasen digital vermittelt werden und zwar so, dass auch schon die digitale Lernumgebung zur Förderung der 21st Century Skills beiträgt. Durch Social Learning und Communities of Practice kann zum Beispiel Kooperation initiiert werden. Dabei wächst die Wissensbasis und Inhalte kommen direkt von Lernenden. Quests ermöglichen erste Berührungspunkte mit problem-basiertem Lernen und fördern die kreative Problemlösefähigkeit.

Ob in Präsenzsettings oder digital, wenn wir 21st Century Skills entwickeln möchten, brauchen wir dazu eine Lernkultur des 21sten Jahrhunderts, in der spielerisches Ausprobieren gewollt und Scheitern erlaubt ist. Fail fast – learn fast – suceed fast muss kein Mythos aus Management-Lehren bleiben, sondern kann auch im Hochschulkontext zu einer Haltung bei der Entwicklung von Kompetenzen für die Arbeitswelt von heute und morgen werden.

 

Literaturverzeichnis

Anderson, C. (2013). Makers. Das Internet der Dinge: die nächste industrielle Revolution. München: Hanser.

Bellanca, J. & Brandt, R. (2010) (Eds.). 21st Century Skills: Rethinking How Students Learn. Bloomington, IN: Solution Tree.

Davies, A., Fidler, D., & Gorbis, M. (2011). Future Work Skills 2020. Palo Alto, CA: Institute for the Future for the University of Phoenix Research Institute

Frey, C. B., Osborne, M. A. (2013). The future of employment. How susceptible are jobs to computerisation? Oxford, UK: Oxford Martin School.
Lage, M. J., Platt, G. J., & Treglia, M. (2000). Inverting the classroom: A gateway to creating an inclusive learning environment. Journal of Economic Education, 31, 30–43.

Rotherham, A. J. & Willingham, D. (2009). 21st Century Skills the Challenges ahead. Educational Leadership, 67(1), 16-21.

Trilling, B. & Faden, C. (2009). 21st Century Skills. Learning for Life in our Times. San Francisco, CA: Wiley.

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