Kleine Hindernisse nicht zu Hürden werden lassen: Lektionen für das E-Learning an Hochschulen

Kleine Hindernisse nicht zu Hürden werden lassen: Lektionen für das E-Learning an Hochschulen

02.09.15

HürdenDer Text fasst die Ergebnisse eines Workshops auf der Tagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW) vom 1.9.2015 zusammen.

Der Teufel steckt im Detail: Kreative Lösungen für kleine Probleme

Oft sind es scheinbare Kleinigkeiten, an denen Versuche straucheln, in der Hochschullehre mit digitalen Medien zu arbeiten. Vielfach handelt es sich dabei um Probleme, die über die Grenzen der Fachkulturen hinweg auftreten und für die daher hochschulweite Lösungen entwickelt werden sollten – oder für die es pfiffige „kleine“ Lösungen gibt. Um diesen Problemen und geeigneten Lösungen auf den Grund zu gehen, richteten drei drei Mitgliedern der Themengruppe „Innovationen in Lern- und Prüfungsszenarien“ des Hochschulforums Digitalisierung einen Workshop auf der Tagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW) aus. Schon im Vorfeld haben wurde zur Sammlung von Hürden und vielleicht auch Lösungsansätzen per Internet eingeladen. Aus dieser Sammlung, aus eigenen Erfahrungen und aus einer Lektüre der GMW-Tagungsbände der vergangenen Jahre speiste sich der Einstieg in den Workshop der entlang der Kategorien „Technik“, „Kultur (Fehler-Kultur, Lern-und-Lehrkultur, Fachkultur)“, „Organisation“ und „Recht“. Im Rahmen einer ausführlichen Vorstellungsrunde beschrieben die etwa 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer Fallstricke aus ihrer alltäglichen Arbeit. Dass dabei auf Anhieb etwa 60 Beiträge zusammenkamen, beweist, wie notwendig ein solcher Austausch ist – statt dass man, wie es sonst häufig passiert, Probleme nicht nach außen trägt. 

Die „kleinen“ Probleme sind vielfältiig

Hier einige Beispiele für die große Spannbreite an Beiträgen:

• Tücken der vollautomatischen Lehrveranstaltungsaufzeichnung: Der Dozent hat das Headset-Mikrofon nicht aufgesetzt.

• Beschränkungen von Lernplattformen: Das in hoher Auflösung aufgenommene Video muss bis zur Unkenntlichkeit komprimiert werden, weil die Lernplattform nur Dateien bis 50 MByte akzeptiert.

• Unerwartet kontraproduktive Effekte:
E-Klausuren sollen zu beliebigen Zeiten durchführbar sein und damit die Raumnot in der Prüfungsphase lindern; nun werden zwar mehr Prüfungen angeboten, aus Rechtsgründen muss die freie Terminwahl aber unterbleiben, so dass sich die Raumnot verschlimmert.

• Mangelnde Nachhaltigkeit: Das in Projekten gewonnene Wissen und die dort entwickelten Lösungen gehen bei Projektende verloren. Wissen und Lösungen werden nicht geteilt. 

„Einstellung“, „Look & Feel“ und „Nachhaltigkeit“ sind Hauptprobleme 

Es scheint, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kleine Probleme selbst lösen, denn die zusammengetragenen Beiträge wurden durchweg als „mittelschwer“ oder „schwer“ zu lösen klassifiziert. Wir haben die gesammelten Probleme zu Gruppen zusammengefasst und danach die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gebeten, mit Punkten zu markieren, welche Probleme sie am drängendsten finden. Die Spitzenreiter waren „Einstellung“ aus der Kategorie Kultur, „Look & Feel“ aus der Kategorie Technik und „Nachhaltigkeit“ aus der Kategorie Sonstiges.„Einstellung“ bezog sich insbesondere auf die Wertschätzung der Lehre (an einer Universität wurde einer engagierten Lehrenden entgegengehalten: „Wer E-Learning macht, hat keine Inhalte“), auf Abwehrhaltungen bei Lehrenden und Studierenden und darauf, was Lehrende überhaupt motivieren könne, digitale Medien zu nutzen. Als erste Lösungsmöglichkeit wurde Anerkennung genannt, sowohl „von oben“ durch die Hochschulleitungen als auch „von unten“ durch die Studierenden, die auch in die Gestaltung eingebunden werden können – was zugleich zur Entlastung der Lehrenden beträgt. Um zu vermeiden, dass sich die eingefahrene (und meist E-Learning-freie oder sich als „PowerPoint-Monokultur“ erweisende) Lehrkultur repliziert, wurden spezielle Programme für Neuberufene vorgeschlagen. 

Es zeigte sich auch, dass manche Lösungen doppelgesichtig sein können: Zentrale E-Learning-Unterstützung kann die Wertschätzung der Hochschulleitung ausdrücken – aber auch als „Teufelei des Präsidiums“ verstanden werden. Die Problemgruppe „Look & Feel“ ließe sich kurz fassen als „ILIAS ist nicht Facebook“. Aus Anwendersicht hinken viele Lernplattformen grafisch und in der Bedienung den gängigen Websites spürbar hinterher. Als Anekdote wurde berichtet, dass Studierende PDF-Dateien aus ILIAS in Dropbox kopieren, um dort mit weniger Mausklicks auf sie zugreifen zu können. Dass bekannte Plattformen wie Moodle in ein modernes Gewand gekleidet werden können, zeigt etwa die MOOC-Plattform MOOIN.

Allerdings wurde auch die Frage gestellt, ob „Look & Feel“ wirklich das Problem ist oder ob sich Facebook & Co. und Lernplattformen überhaupt vergleichen lassen, weil ihre Nutzungszwecke so verschieden sind: Ein Apfel mit Schokoladenüberzug ist noch immer ein Apfel. Vielleicht ist es charakteristisch, dass uns zum Schluss des Workshops nicht mehr viel Zeit blieb, uns mit dem Thema „Nachhaltigkeit“ zu befassen. Aber einige Ideen konnten wir auch hier noch sammeln. Insbesondere wird inzwischen dieser Themenbereich unter anderen Gesichtspunkten diskutiert als noch vor wenigen Jahren. So ermöglicht die technische Entwicklung heute, dass einige Prozesse automatisiert laufen, indem etwa Vorlesungsaufzeichnungen weitgehend ohne Mitwirkung zusätzlichen Personals umgesetzt werden können. Auch Wissensmanagement wurde als wesentlicher Beitrag zur Nachhaltigkeit genannt. – Ganz ohne Mittel zur Finanzierung von Personal wird es auf Dauer allerdings wohl doch nicht gehen.

Lösungen für alle Hindernisse wurden im Workshop nicht gefunden – aber die Diskussion geht weiter, natürlich im Hochschulforum Digitalisierung und im Blog oder in der Facebookgruppe von e-teaching.org.

Machen Sie mit!

Präsentation des Workshops

Hier abrufbar.

Die Autoren:

  • Prof. Dr. Jörn Loviscach ist Professor für Ingenieurmathematik und technische Informatik an der FH Bielefeld und forscht an Softwareunterstützung und Didaktik, insbesondere für den verbundenen Einsatz digitaler Medien und persönlicher Betreuung.
  • Dr. Anne Thilosen ist Co-Leiterin des Projekts „e-teaching.org“ am Leibniz-Institut für Wissensmedien und ist für die konzeptionelle Fortentwicklung des Projektes zuzständig. Sie betreut schwerpunktmäßig den Inhaltsbereich „Didaktisches Design“.
  • Dr. Klaus Wannemacher ist Organisationsberater bei dem HIS-Institut für Hochschulentwicklung e.V. und befasst sich seit 2002 bei HIS-HE in Beratungs-, Evaluations- und Begleitforschungsprojekten mit dem Einsatz von E-Learning an deutschen Hochschulen.

Bild: Oskar Widerberg: HurdlesCC BY-NC-ND 2.0 via flickr.com

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