Studierende als Gestaltungs­partner:innen für zukunftsfähige Hochschulen

Studierende als Gestaltungs­partner:innen für zukunftsfähige Hochschulen

10.08.23

Für das HFD ist die Stärkung von Studierendenbeteiligung und die Zusammenarbeit mit ­Studierenden auf Augenhöhe seit Beginn an ein Grundpfeiler seiner Arbeit. HFD-DigitalChangeMaker und Student René Rahrt sowie HFD-Program­mmanagerin Yasmin Djabarian erklären, wie Kollaborationsmodelle aussehen können. Der Beitrag ist erstmals in der dritten Ausgabe des HFD-Magazins strategie digital zum Thema “Partizipation” erschienen.

Titelbild des Blogbeitrags „STUDIERENDE ALS GESTALTUNGSPARTNER:INNEN FÜR ZUKUNFTSFÄHIGE HOCHSCHULEN“. Untertitel: „Ein Blogbeitrag von Dr. Yasmin Djabarian und René Rahrt. Bild zeigt eine Person, die eine VR-Brille auf dem Kopf trägt. Logos rechts unten: DigitalChangeMaker und Hochschulforum Digitalisierung.

Studierende gestalten Hochschulen als Lernorte, Lebenswelten und Treiber für gesellschaftliche Entwicklungen wesentlich mit. Auf Hochschul-, Bundes- sowie internationaler Ebene engagieren sie sich u. a. vielfältig im Rahmen von Studierendenvertretungen, Gremienarbeit und studentischen Initiativen. An einige Stellen zeigt sich bereits, wie Studierende auch in digitalen Transformationsprozessen als Partner:innen und Change Agents wirken und zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit von Hochschulen beitragen können: z. B. als studentische Vizepräsident:innen, in DigitalChangeMaker-Lokalgruppen oder als Co-Creation Officers an der University of Warwick. Das enorme Innovations- und Gestaltungspotenzial von Studierenden wird von Hochschulen bislang allerdings nicht ausgeschöpft.

Gruppenfoto der DigitalChangeMaker

Fehlende oder unbekannte Partizipationsmöglichkeiten

Eine wirkungsvolle und nachhaltige Studierendenbeteiligung ist nicht selbstverständlich und muss aktiv ermöglicht werden. Das verdeutlicht eine Studierendenbefragung der studentischen DigitalChangeMaker-Initiative im Hochschulforum Digitalisierung (HFD). Weniger als ein Fünftel der mehr als 8.000 Teilnehmenden geben hier an, Digitalisierungsprozesse an der eigenen Hochschule mitgestalten zu können (Weisflog & Böckel, 2020, S. 28). Auch wenn nicht unterschieden werden kann, ob es tatsächlich keine Partizipationsmöglichkeiten an den jeweiligen Hochschulen gibt oder diese den Studierenden nicht bekannt sind, bedeutet dies in beiden Fällen in der Konsequenz: Potenzielle, studentische Gestaltungspartner:innen werden nicht in die Weiterentwicklung von Studium und Lehre einbezogen. Dass von Studierendenseite ein belastbares Interesse an Mitgestaltung besteht – knapp die Hälfte (46 %) der Studienteilnehmenden, die bisher keine Mitgestaltungsmöglichkeiten hatten, signalisiert Mitgestaltungswillen (Weisflog & Böckel, 2020, S. 28) – verstärkt die Notwendigkeit, Partizipationsmöglichkeiten und -räume zu schaffen bzw. adressat:innengerecht zu kommunizieren.

 

Studierende als DigitalChangeMaker

Für das HFD ist die Stärkung von Studierendenbeteiligung bereits seit seiner Gründung im Jahr 2014 ein Grundpfeiler seiner Arbeit. Studierende gestalten Programme und den Diskurs zur zeitgemäßen Hochschulbildung als Speaker:innen, Autor:innen und Expert:innen mit. Als Peers in der Peer-to-Peer-Strategieberatung begleiten sie Hochschulen in ihrer strategischen Auseinandersetzung mit der Digitalisierung in Studium und Lehre. Mit der bundesweiten Zukunfts-Initiative “DigitalChangeMaker” schafft das HFD für Studierende zudem seit 2018 einen produktiven, vernetzten Rahmen zur Mitgestaltung von Hochschulen und zur Stärkung von Studierenden als Innovator:innen. In der mittlerweile vierten Kohorte der Zukunfts-AG DigitalChange­Maker und einem wachsenden Digital­ChangeMaker-Netzwerk arbeiten engagierte Studierende verschiedener Hochschulen und unterschiedlicher Fachrichtungen miteinander und mit dem HFD zusammen. Ziel der Initiative ist es, die Innovationskraft von Studierenden für die Transformation der Hochschulen im digitalen Zeitalter zu fördern und diese aktiv, systematisch und kontinuierlich in Change- und Gestaltungsprozessen einzubinden. Um die nutzer:innenzentrierte Gestaltung von Hochschulbildung zu fördern, stärkt die Initiative studentische Stimmen im Diskurs, unterstützt Studierende bei der Entwicklung von Visionen für Hochschulen und der Umsetzung eigener Veränderungsprojekte und fördert den Austausch und Vernetzung mit anderen Studierenden, Bildungs-Expert:innen und politischen Akteur:innen. Die Gründung von DigitalChangeMaker-Lokalgruppen – z. B. an den Universitäten in Göttingen, Mainz und Bielefeld – nach Vorbild der Bundesinitiative (Böckel & Rahrt, 2021) verdeutlicht nicht nur das Transferpotenzial von hochschulübergreifend angelegten Partizipationsmodellen, sondern auch den Bedarf an studentischen Think-and-Do-Tanks auf lokaler Ebene.

 

Studierende als strategische Partner:innen

Nun gilt es, diese und weitere Formen von partnerschaftlicher Gestaltung auch in der Breite stärker voranzutreiben. Aber welche Möglichkeiten gibt es für Hochschulleitungen, um studentisches Engagement wirksam zu fördern? Auf Ebene der Organisationsentwicklung sollten Hochschulen, in Ergänzung zu den institutionalisierten Beteiligungswegen in den Gremien der akademischen Selbstverwaltung oder durch Gespräche mit gewählten Studierendenvertreter:innen, auch proaktive Mitwirkungsmöglichkeiten in der Breite schaffen: Umfragen in der Studierendenschaft, Interviews mit (zufällig) ausgewählten Studierenden, Themenworkshops oder co-kreative Events sind niedrigschwellige Angebote für interessierte Studierende. Insbesondere müssen die Angebote auch adressat:innengerecht und zusammen mit Studierendenvertretung oder Hochschulgruppen kommuniziert werden. Studentische Beteiligung bei der Konzeption, Koordination und Steuerung derartiger Maßnahmen ist dabei entscheidend. An der FH Potsdam oder der Zeppelin Universität Friedrichshafen sind Studierende beispielsweise durch das Amt von studentischen Vizepräsident:innen in strategische Hochschulprozesse aktiv eingebunden. Ein weiteres Partnerschaftsmodell auf Hochschulebene mit speziellem Fokus auf den Bereich der Digitalisierung sind Student Digital Officers (bzw. Student Digital Transformation Agents), die an der Hochschule Ruhr West, der Hochschule München und der SRH Hochschule Heidelberg studierendenrelevante Digitalisierungsprozesse mitgestalten und als Multiplikator:innen studentische Bedarfe eruieren und vor Ort einbinden. Die genannten Hochschulen haben diese Position 2020 im Rahmen eines Pilotprojekts des HFD in einem co-kreativen Prozess mit statusgruppenübergreifenden Teams – an den hochschulspezifischen Bedarfen der beteiligten Institutionen ausgerichtet – entwickelt und 2021 implementiert.

Gruppenfoto der DigitalChangeMaker bei der CODE University in Berlin zu Besuch

 

Diversität und Teilhabe fördern

Die Organisation Hochschule ist komplex und selbst für erfahrene Studierende oft nur schwer überblickbar. Darum besteht eine wichtige Voraussetzung für Studierendenpartizipation darin, die Strukturen und Prozesse der Selbstverwaltung verständlich zu machen und Kontaktpersonen zu benennen. Das Gespräch mit Mitarbeiter:innen der Hochschule lässt die anonyme Organisation nämlich persönlich werden. Diese Form von Wissens- und Netzwerkmanagement muss strukturell verankert werden. Außerdem ist es wichtig, studentische Beteiligung nicht nur anzubieten, sondern auch tatsächlich zu ermöglichen. Studierende können aus individuellen Gründen möglicherweise nicht über die zeitlichen oder finanziellen Ressourcen für Engagement verfügen, wenn sie beispielsweise Pflegeaufgaben oder einem Job zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts nachgehen müssen. Darum ist es nötig, Raum und Zeit für Studierendenbeteiligung durch (finanzielle) Aufwandsentschädigungen und/oder die curriculare Verankerung und, damit einhergehend, die Vergabe von ECTS-Punkten zur Verfügung zu stellen. Beide Maßnahmen würden auch solche Studierenden aktivieren, deren Motivation vielleicht bisher zu gering ist, um sich einzubringen, weil sie die angestoßenen Veränderungen während der Dauer ihres Studiums gar nicht mehr erleben können oder weil sie wegen mehrerer Online-Semester keine ausreichende Identifikation mit ihrer Hochschule entwickeln konnten.

 

Co-Kreation als Treiber von echter Studierendenpartizipation

Wenn Studierende als zentrale Partner:innen von Hochschulentwicklung verstanden werden, ergibt sich als klare Konsequenz, dass Strukturen benötigt werden, um eine Mitwirkung in allen Prozessschritten auf Augenhöhe zu ermöglichen. Der Schlüssel zum Erfolg lautet hier “Co-Kreation”. Gelingensbedingung hierfür sind eine ernst gemeinte Kollaborationskultur auf Augenhöhe und das Commitment aller Beteiligten. Im Rahmen von HFDvisions, einem Kooperationsprojekt mit Studierenden der DigitalChangeMaker-Initiative, zeigt sich dieser Ansatz beispielsweise in der partizipativen Entwicklung von lernendenzentrierten Visionen für die eigene Hochschule durch kleine, statusgruppenübergreifende Hochschulteams, bestehend u. a. aus Vertreter:innen von Hochschulleitungen und Studierenden.

Auch für Entwicklungsprozesse, angetrieben durch Lehr-/Lernprojekte, sollte Co-Kreation als Mehrwert verstanden und prozessbegleitend umgesetzt werden. Wenn Hochschulleitungen sicherstellen möchten, dass studentische Partizipation hier, beispielsweise als Reaktion auf eine Fördermittelausschreibung, integral und von Anfang an stattfindet, sollte es von Lehrenden und Mitarbeiter:innen angestoßene Leitlinien geben. Diese sollen sicherstellen, dass bei solchen Projekten schon in der Konzeptionsphase Studierende — sowohl aus der Studierendenvertretung als auch studentische Expert:innen im jeweiligen Themengebiet — eingebunden werden. Im späteren Verlauf eines Projekts gehen zunehmend Freiräume für studentische Kreativität verloren. Darum sollten selbst bei engen Zeitplänen Studierende immer eingebunden werden und ihre Anregungen offen diskutiert werden. Die meisten Studierenden bringen sich gerne — auch kurzfristig — ein, wenn ihre Ideen auf eine wertschätzende und konstruktive Weise besprochen werden. Eine Lenkungswirkung auf Lehrende und Mitarbeiter:innen der Verwaltung kann erreicht werden, indem für jeden Projektantrag eine Stellungnahme bzw. ein Letter of Intent von der entsprechenden Studierendenvertretung auf Instituts-, Fakultäts- oder Hochschulebene dem Projektantrag beigefügt werden muss. Dies kann zudem die Erfolgsquote bei Ausschreibungen erhöhen, bei denen in nahezu jedem Fall Studierendenzentrierung ein wichtiges Kriterium ist und die entsprechend oft auch von Studierenden als Gutachter:innen bewertet werden.

 

Ausblick

Für eine sinnvolle und bedarfsgerechte Hochschulbildung müssen Studierende in deren Gestaltung einbezogen werden – und zwar von Beginn an! Um viele Studierende für Engagement an der Hochschule zu begeistern, braucht es deshalb sowohl institutionalisierte Anreize als auch die Bereitschaft, Studierende als gleichwertige Innovator:innen ernst zu nehmen und einzubinden. Denn bei Studierendenpartizipation geht es um viel mehr, als “nur” die Weiterentwicklung der Hochschullandschaft: Studentisches Engagement ist die Basis, aus der die Fähigkeit erwächst, gesellschaftlichen Wandel mitzugestalten.

 

Quellen

Böckel, A., Rahrt, R. (2021). Gestaltet den digitalen Wandel an eurer Hochschule! Ein Leitfaden zur Bildung von DigitalChangeMaker-Lokalgruppen. Berlin: Hochschulforum Digitalisierung.

Weisflog, W., Böckel, A. (2020). Ein studentischer Blick auf den Digital Turn – Auswertung einer bundesweiten Befragung von Studierenden für Studierende. Arbeitspapier Nr. 54. Berlin: Hochschulforum Digitalisierung. 

 

Sie möchten mehr zum Thema Partizipation an Hochschulen lesen? In der dritten Ausgabe von strategie digital finden Sie weitere Beiträge, Fallbeispiele und Interviews rund um dieses Thema.

Hier können Sie die beiden ersten Ausgaben des Magazins zu den Themenschwerpunkten (Digital) Leadership und Blended University einsehen.

Die kommende Ausgabe von strategie digital widmet sich dem Thema Lernräume und erscheint im September 2023 erscheinen. Sie möchten diese und keine weiteren Ausgaben mehr verpassen? Melden Sie sich hier für unseren Verteiler an und wir informieren Sie über neue Veröffentlichungen.

Ansprechpartnerin für das Magazin ist Josephine Sames.

 

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